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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Schauspielkunst

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Schauspielkunst (Altertum).

sonen als der Komparsen (Figuranten, Statisten). Der mimische Teil der S. wurde daher zu einer besondern Kunst ausgebildet, was zu den Mimen und Pantomimen und (in der Verbindung mit der Musik) zum Tanz und Ballett geführt hat, wogegen die selbständige Entwickelung des rednerischen Teils der S. die dramatische Vorlesekunst ins Leben rief.

Doch nicht nur von der Dichtung, auch von seinen Mitspielern, vom Zusammenspiel, ist der Schauspieler abhängig. Er hat die doppelte Aufgabe, die darzustellende Rolle in ihrer charakteristischen Individualität, zugleich aber auch in der ihr durch das Ganze angewiesenen Stellung und Beleuchtung zur Darstellung zu bringen. Diese doppelte Abhängigkeit hat die Schauspieler zu Versuchen, sich selbständig zu machen, veranlaßt. Der Versuch, sich von der Kunst des Dichters unabhängig zu machen, führte zur Erfindung des Stegreifspiels, das den Schauspieler freilich in um so größere Abhängigkeit von seinen Mitspielern brachte. Die Befreiung von letztern führte dagegen zur Umkehrung des zwischen dem einzelnen Darsteller und der Darstellung des Ganzen bestehenden natürlichen Verhältnisses, zur Unterordnung des Zusammenspiels unter die Virtuosität des einzelnen Darstellers oder, wie man die hieraus entspringenden Erscheinungen jetzt nennt, zum Virtuosentum. Wie alle nachahmenden Künste, ist ferner die S. noch abhängig von den Erscheinungen und den Gesetzen der Natur und des wirklichen Lebens. Wenn die Naturwahrheit aber auch eine unerläßliche Forderung an sie ist, so ist sie doch nicht der letzte Zweck derselben. Vielmehr sehen wir die verschiedenen Künste, um die ihnen eigentümlichen Zwecke erreichen zu können, in verschiedener Weise und in verschiedenem Umfang von einem bestimmten Teil der Wirklichkeit absehen. Wie in der Nachahmung der Natur und Wirklichkeit nicht der letzte Zweck der Kunst beruht, so muß es sich auch bei der S., den höhern Zwecken der Kunst entsprechend, noch um eine höhere Wahrheit als um die der Natur und Wirklichkeit handeln. Die einseitige und ausschließliche Naturnachahmung führt hier, wie in aller Kunst, zum Naturalismus. Die S. gerät aber nicht selten auch in den entgegengesetzten Fehler, die Natur- und Lebensbeobachtung ganz zu vernachlässigen und sich im Gegensatz dazu eine unwahre Ausdrucksart zu bilden, welche man theatralisch nennt. So wichtig der fortwirkende Einfluß früherer Kunstformen und Kunstwerke auf die Entwickelung der Künste, insbesondere der Stile, ist, so wird doch die Ausschließlichkeit eines solchen Einflusses allmählich zur Verflachung und Erstarrung der künstlerischen Formen, zum Formalismus, führen. Wenn die S. sich einerseits vielfach von der Abhängigkeit von andern Künsten zu befreien gesucht hat, so hat sie anderseits wieder nicht selten eine Anlehnung an sie und eine Verbindung mit ihnen, insbesondere mit der Musik, gesucht und im musikalischen Drama, im Singspiel und in der Oper, gefunden. Dies erklärt sich daraus, daß die in der Zeit darstellenden Künste in ebenso innigen Beziehungen zu einander stehen wie die im Raum darstellenden oder bildenden Künste und die S. bei verschiedenen Völkern vom Gesang ausgegangen ist. Über das Technische der S. vgl. Engel, Ideen zu einer Mimik (Berl. 1775, 2 Bde.); A. W. v. Schlegel, Vorlesungen über dramatische Kunst (2. Aufl., Heidelb. 1817, 3 Bde.); Rötscher, Die Kunst der dramatischen Darstellung (2. Aufl., Leipz. 1864); Derselbe, Entwickelung dramatischer Charaktere aus Lessings, Schillers und Goethes Werken (Hannov. 1869); Michel, Die Gebärdensprache, dargestellt für Schauspieler (Köln 1886); Benedix, Der mündliche Vortrag (6. Aufl., Leipz. 1888, 3 Bde.); Derselbe, Katechismus der Redekunst (3. Aufl., das. 1881).

Geschichte der Schauspielkunst.

Die Schauspielkunst der Griechen, die älteste, bei welcher von Kunst in modernem Sinn die Rede sein kann, hat ihren Ausgang von den Dionysischen Dithyrambenchören genommen. Die Entwickelung vollzog sich dergestalt, daß der Dichter, welcher bis dahin der Chorführer gewesen war, als erster und zunächst auch als einziger Schauspieler aus dem Chor heraus- und ihm gegenübertrat, der anfangs sein Gegenspieler blieb. Allmählich sonderte sich aber die Handlung mehr und mehr von dem Chor ab. Die gesprochene Streitrede, aus welcher sich endlich das Drama entwickelte, trat dem Chorgesang gegenüber, der zuletzt ganz in den Hintergrund kam. Die Griechen mußten bei ihren Darstellungen schon deshalb von einem bestimmten Teil der Naturwahrheit absehen, weil sie auf dem Kothurn oder Soccus und in Masken mit Vorrichtungen zur Verstärkung des Schalles, wozu sie durch die Größe der oben offenen Theater genötigt waren, spielten. Wenn auch dadurch der Vorteil erreicht wurde, daß die Persönlichkeit des Darstellers nicht in störender Weise aus der Erscheinung des darzustellenden Charakters hervortrat und die Feierlichkeit der Darstellung erhöht wurde, so ging man zugleich eines bedeutsamen Darstellungsmittels, des Mienenspiels, verlustig. Um wieviel höher und reicher man zu dessen Ersatz auch die Gesten, besonders der Hände, entwickeln mochte, so wurde doch hierdurch der individuelle Ausdruck des Charakteristischen und der Empfindungen im hohen Grad beschränkt. Thespis wird nicht nur als der Erfinder des Schauspiels bezeichnet, sondern es wird auch von ihm gesagt, daß er bei seinen Darstellungen nacheinander in drei verschiedenen Masken erschienen sei, worauf sich vielleicht die Dreizahl der Schauspieler (des Protagonisten, des Deuteragonisten und des Tritagonisten) zurückführen läßt. Der Gebrauch der Masken und der damit verbundene Mangel schärferer Individualisierung gestatteten nämlich, daß ein und derselbe Schauspieler in einem Stück verschiedene Rollen darstellen konnte, was eine Beschränkung des Personals ermöglichte. Doch beweisen die uns erhaltenen Dramen, daß auch zuweilen mehr als drei Schauspieler darin thätig und jene drei ersten Schauspieler wohl die einzigen waren, welche vom Staat bezahlt wurden. Die Frauen waren noch ganz von der griechischen Bühne ausgeschlossen. Von Athen aus verbreitete sich das attische Schauspielwesen über ganz Griechenland und die Kolonien. Zur Zeit des Demosthenes bildeten die Schauspieler bereits einen eignen Stand, und die meisten öffentlichen Festlichkeiten fanden unter ihrer Mitwirkung statt. In Rom, welches die griechische S. bei sich einführte, aber bald selbständig ausbildete und die Zahl der Schauspieler dem Bedürfnis des aufzuführenden Stückes anpaßte, entwickelte sich besonders die Mimik zu höchster Vollendung. Da man hier teilweise ohne Masken spielte, so bildete sich auch noch das Mienenspiel aus. Die Pantomime wurde später die herrschende Form. In der Tragödie erlangten besonders Äsopus, in der Komödie Roscius, in der Pantomime Pylades und Bathyllos große Berühmtheit. Auch Frauen betraten die Bühne, doch, mit Ausnahme der Mimen, erst in der Kaiserzeit. So sehr sich hier aber auch die S. nach ihrer technischen Seite vervollkommte, so verlor sie doch mehr und mehr an Würde. Sie geriet