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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Schlesien

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Schlesien (preußische Provinz).

samte Niederschlesien nebst der Grafschaft Glatz (mit Ausschluß des Kreises Schwiebus), den durch Vertrag vom 18. Mai 1815 von Sachsen abgetretenen Teil der Markgrafschaft Oberlausitz, die 9. Juni 1815 abgetretenen böhmischen Enklaven und die Stadt Rothenburg vom Kreis Krossen der Neumark und hat einen Flächeninhalt von 40,302,6 qkm (731,94 QM.).

[Bodenbeschaffenheit, Klima.] Die Provinz besteht zur größern Hälfte aus Tiefland, zur kleinern aus Berg- und Gebirgsland. Durch dieselbe erstreckt sich, vom Ursprung der Malapane im O. bis zum Austritt der Schwarzen Elster im W., eine Thalsenkung, das Schlesische Längenthal, das zuerst längs der Malapane sich zur Oder hinunterzieht, alsdann dieser bis zur Mündung der Katzbach folgt und endlich weiter in westlicher Richtung über Bober, Queiß und Lausitzer Neiße sich bis zur Schwarzen Elster erstreckt. Der Boden der Thalsenkung ist längs der Oder fruchtbar, an der Malapane und Elster sumpfig, zwischen Oder und Elster sandig und teilweise auch sumpfig. Nördlich von diesem Längenthal zieht durch die Provinz ein Teil des Uralisch-Karpathischen Landrückens, der Märkisch-Schlesische Landrücken (s. d.), welcher im Oberschlesischen Jura bis zu 360 m ansteigt. Im Süden jener Thalsenkung tritt zunächst östlich von der Oder das Plateau von Tarnowitz mit dem Oberschlesischen Steinkohlengebirge, einem Ausläufer der Karpathen, hervor; der höchste Punkt daselbst ist der Annaberg (430 m) unweit der Oder. Auf der linken Seite der Oder steigt das Land langsam an bis zur Gebirgsmauer der Sudeten, welche die Grenzen der Provinz in Oberschlesien nur mit dem Fuß der Bischofskuppe (886 m) erreicht, dagegen durch Mittelschlesien sich von Reichenstein bis Jauer erstreckt. Vor dieser Gebirgsmauer erheben sich vereinzelt in der Ebene der Zobten (718 m), die Geiersberge (679 m), die Striegauer Berge u. a. Die Gebirge der Provinz werden durch den Paß von Liebau am Bober in zwei Teile geschieden. Östlich erstreckt sich zunächst das Glatzer Gebirgssystem (s. Glatz) mit seinen vielfachen Verzweigungen, in denen der Große Schneeberg (1422 m) der höchste Gipfel ist, sodann das Sandsteingebirge der Heuscheuer, ferner das Niederschlesische Steinkohlengebirge mit dem Hochwald und endlich das Katzbachgebirge, von dem der Gröditzberg (407 m) ein vorgeschobener Posten gegen das Tiefland ist. Im W. jenes Passes erhebt sich auf der Grenze gegen Böhmen das Riesengebirge (s. d.) mit der Schneekoppe (1603 m), dem höchsten Gipfel der Provinz und des deutschen Berglandes, und als Fortsetzung das Isergebirge. Vereinzelte Vorposten des Berglandes gegen das Tiefland sind weiter westlich noch die Landskrone bei Görlitz (429 m) und das Königshainer Gebirge. Innerhalb des Gebirges bilden das Landeshuter und das Hirschberger Thal, beide am Bober, und der Glatzer Gebirgskessel innerhalb der Glatzer Gebirge ansehnliche Vertiefungen. S. gehört mit ganz geringen Ausnahmen zum Gebiet der Oder; nur im SO. berührt die Weichsel die Grenze, und aus dem Westen fließen Iser, Spree und Schwarze Elster zur Elbe. Die Oder, welche bei Ratibor schiffbar wird, durchströmt die Provinz in ihrer ganzen Länge von SO. nach NW.; ihr fließen auf der rechten Seite zu: die Olsa, Klodnitz, Malapane, Weida und Bartsch; auf der linken: die Oppa, Zinna, Hotzenplotz, Glatzer Neiße, Ohlau, Weistritz und Katzbach; der Bober, der den Queiß aufnimmt, und die Lausitzer Neiße münden außerhalb der Provinz. Der Klodnitzkanal ist der einzige schiffbare Kanal Schlesiens, und abgesehen von zahlreichen Teichen ist auch unter den Landseen allein der Schlawasee von einiger Bedeutung. Das Klima ist am mildesten bei Grünberg, rauher in den Gebirgen und in Oberschlesien. Die jährliche Durchschnittswärme beträgt zu Ratibor 8,0, Oppeln 8,76, Neiße 8,41, Landeck 6,75, Kirche Wang im Riesengebirge 4,8, Eichberg bei Hirschberg 7,0, Görlitz und Breslau 8,0° C. Die jährliche Regenmenge beträgt in der Ebene 50-60, im Gebirge bis 116 cm.

[Bevölkerung. Bodenerzeugnisse.] Die Zahl der Einwohner betrug 1885: 4,112,219 Seelen (102 auf 1 qkm), worunter 1,897,002 Evangelische, 2,156,578 Katholiken, 70,487 andre Christen, 51,481 Juden etc. Die Katholiken überwiegen im Regierungsbezirk Oppeln, mit Ausnahme des Kreises Kreuzburg, ferner in der Grafschaft Glatz und den Kreisen Münsterberg und Frankenstein des Regierungsbezirks Breslau und im Kreis Landeshut des Regierungsbezirks Liegnitz. Die Bevölkerung wohnt in 148 Städten, 5404 Landgemeinden und 3847 Gutsbezirken und ist vorwiegend eine deutsche; zahlreich sind aber auch die Polen (825,000), die auf der rechten Oderseite abwärts bis Namslau und Polnisch-Wartenberg und auf der linken von Ratibor bis Oberglogau vorherrschen. Ferner gibt es Tschechen (55,000) zwischen Ratibor und Leobschütz, bei Kudowa in der Grafschaft Glatz und in mehreren evangelischen Kolonien in den Kreisen Strehlen, Oppeln, Wartenberg und Groß-Strehlitz, endlich Wenden (32,000) in der Westspitze der Provinz an der Spree und Schwarzen Elster.

Von der Bodenfläche der Provinz entfallen 55,8 Proz. auf Ackerland, Gärten und Weinberge, 8,5 Proz. auf Wiesen, 2,2 Proz. auf Weiden und 28,9 Proz. auf Waldungen. Der Boden ist längs des Gebirges sehr fruchtbar, ganz besonders aber in der Landschaft zwischen Liegnitz und Ratibor, woselbst 70-80 Proz. der Gesamtfläche dem Ackerland angehören. Am wenigsten fruchtbar sind die eigentlichen Gebirgskreise, sodann der auf der rechten Oderseite gelegene Teil des Regierungsbezirks Oppeln, die Kreise an der Bartsch im N. und, mit Ausnahme eines Teils des Kreises Görlitz, die westlichen Kreise der Provinz; in allen diesen Teilen sind die Ackerländereien auch nur von geringem Umfang, die Waldungen hingegen bedeutend. Der Getreidebau deckt vollständig den Bedarf der Provinz; der Flachsbau, neuerdings wieder mehr gepflegt, gewinnt an Bedeutung und ist besonders in den Berg- und Hügellandschaften von Wichtigkeit. Der Zuckerrübenbau findet auf großen Landstrichen zwischen Breslau und Schweidnitz statt; die Kartoffel wird mehr in den weniger fruchtbaren Landesteilen gebaut. Andre Produkte des Pflanzenreichs sind: Zichorien zwischen Breslau und Ohlau, Hopfen bei Münsterberg, Tabak, Ölgewächse, Wein bei Grünberg, viel Obst in Mittelschlesien (der Obstbau wird unterstützt durch ein pomologisches Institut zu Proskau), allerlei Gartengewächse etc. Die Gartenkunst, in Verbindung mit großer Treibhauszucht (Ananas) und großen Parkanlagen, wird durch den Großgrundbesitz, dem über 51 Proz. der Fläche angehören, sehr gefördert. In keiner Provinz des preußischen Staats befindet sich überhaupt ein so bedeutender Grundbesitz in Einer Hand wie in S.; Besitzungen von 25-44,000 Hektar haben der König von Sachsen (Öls), der Herzog von Ujest (Schlawenzitz), der Reichsgraf von Schaffgotsch (Warmbrunn), die Graf Renardschen Erben (Groß-Strehlitz), der Herzog von Ratibor (Rauden), der Graf Arnim (Muskau) und der Fürst von Pleß. Nach der Viehzählung von 1883 gab es 275,122 Pferde, 1,397,130 Stück Rindvieh, 1,309,495 Schafe, 518,612 Schweine und 175,283 Ziegen. Für