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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Schlesien

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Schlesien (preußische Provinz).

die Hebung der Pferdezucht bestehen Landgestüte zu Leubus und Kosel. Die Rindviehzucht blüht in der fruchtbaren Landschaft zwischen Liegnitz und Ratibor; sie ist aber auch in den Gebirgskreisen bedeutend, weniger in den sandigen Gegenden auf der rechten Oderseite und an der Schwarzen Elster. Für die Zucht von edlen Schafen bildet S. seit Anfang dieses Jahrhunderts mit seinen großen Gütern den Ausgangspunkt für die andern preußischen Provinzen (Eckersdorf, Rogau, Kuchelna); deshalb sind auch die meisten Schafe veredelte. Die Schweinezucht entspricht noch nicht dem Bedarf. Wildbret ist zahlreich vorhanden, namentlich besitzt S. noch einen Reichtum an Hirschen, Rehen, Wildschweinen und Hasen; selten kommt im SO. noch der Wolf von den Karpathen herüber. Auch das Geflügel ist stark vertreten. Die Fischerei ist nicht unbedeutend: es gibt Karpfen in den zahlreichen Teichen, Welse und Lachse in der Oder, Forellen in den Gebirgsbächen. Die Bienenzucht ist erheblich, und das neuere Verfahren bei derselben ging durch den Pfarrer Dzierzon gerade von S. aus.

Sehr beträchtlich ist die Ausbeute des Mineralreichs. S. enthält die größte Steinkohlenablagerung des europäischen Festlandes, nämlich auf der rechten Oderseite in Oberschlesien, woselbst die Steinkohlenformation mit reichhaltigen Flözen, teilweise zu Tage tretend, teilweise von Buntsandstein, Muschelkalk oder Diluvialschichten bedeckt, einen Raum von wenigstens 1375 qkm (25 QM.) einnimmt. Das Hauptgebiet des zu Tage tretenden Teils liegt zwischen Zabrze und Myslowitz und entsendet nach SW. einen Flügel über Nikolai hinaus bis Belk. Kleinere Steinkohlenpartien finden sich noch bei Czernitz, Pschow und selbst auf der Westseite der Oder an der Landecke unterhalb der Oppamündung. Eine zweite Ablagerung von Steinkohlen ist bei Waldenburg zwischen den ältern Schichten der Kohlenformation von Freiburg und den Porphyren und Melaphyren des Niederschlesischen Steinkohlengebirges eingebettet; dieselbe erstreckt sich, wie auch die erstere, noch über die Grenze der Provinz hinaus. Endlich gibt es Steinkohlen auch im Sandstein der obern Kreide am Queiß. Die Braunkohle ist in den Hügellandschaften stark verbreitet, wird aber nicht in großer Menge abgebaut. Wichtig ist dagegen die Ausbeute an Eisen- und Zinkerzen, diese bei Beuthen in Oberschlesien in unmittelbarer Nachbarschaft des Steinkohlengebirges, jene in den verschiedensten Teilen des Regierungsbezirks Oppeln auf der rechten Seite der Oder, aber auch in den Gebirgen. Ferner werden gewonnen: Bleierze in Oberschlesien, Kupfer-, Kobalterze, Schwefelkies, Arsenik, Alaun, einige Edelsteine von geringem Wert (Chrysolith, Amethyst, Chalcedon, Achat, Chrysopras, Jaspis etc.), vortrefflicher Thon, Marmor, Serpentin, Schleif- und Mühlsteine, Kalksteine (Gogolin in Oberschlesien), Gips, Walkererde, Feld- und Schwerspat, Magnesit, Torf etc. Die vorhandenen Salzquellen haben nur eine schwache Sole; dagegen haben andre Mineralquellen besuchte Badeanstalten entstehen lassen, so zu Warmbrunn, Salzbrunn, Reinerz, Landeck, Flinsberg, Kudowa, Charlottenbrunn, Langenau etc. 1886 wurden in der Provinz gefördert: 15,996,326 Ton. Steinkohlen im Wert von 68,336,188 Mk., 360,589 T. Braunkohlen im Wert von 1,289,398 Mk., 722,018 T. Eisenerze im Wert von 2,307,850 Mk., 578,858 T. Zinkerze im Wert von 3,547,603 Mk., 29,316 T. Bleierze im Wert von 3,647,941 Mk. etc. Die Hüttenproduktion ergab 1886: 374,493 Ton. Roheisen im Wert von 17,259,181 Mk., 82,659 T. Zink im Wert von 21,209,323 Mk., 20,879 T. Blei im Wert von 4,914,495 Mk., 31,987 T. Schwefelsäure im Wert von 1,536,006 Mk. etc.

[Industrie und Handel.] Die Industrie bildet einen wichtigen Erwerbszweig der Bevölkerung, von der 35,2 Proz. darin ihre Beschäftigung finden. In den Kreisen von Leobschütz bis Löwenberg, meist im und am Gebirge und anschließend an den großen Bezirk der Flachsindustrie in Böhmen, ist die Leinwandfabrikation, in Verbindung mit Baumwollweberei, Färberei und Bleicherei, die Hauptbeschäftigung der Bewohner; große Flachsspinnereien sind zu Liebau, Landeshut, Erdmannsdorf, Freiburg, Waldenburg und entfernt vom Gebirge zu Neusalz a. O., Baumwollspinnereien zu Langenbielau etc., großartige Webereien namentlich in den Kreisen Reichenbach, Waldenburg, Landeshut und Hirschberg. Die Tuchfabrikation ist in Görlitz, Sagan, Grünberg und Goldberg von Bedeutung; auch werden Wollwaren mehrfach gefertigt. Handschuhe liefert Haynau, Teppichknüpferei wird in Neustadt, im Hirschberger Thal (hier neuerdings auch Spitzenklöppelei), in Sprottau und Schmiedeberg betrieben. Die Hüttenindustrie sowie die Verarbeitung der Metalle haben ihren Hauptsitz in den Steinkohlengebieten. Die Zinkproduktion ist fast ausschließlich im Oberschlesischen Steinkohlengebirge mit zahlreichen Werken vertreten, dagegen ist die Eisenindustrie viel weiter verbreitet. Die großartigsten Eisenwerke liegen zwischen Gleiwitz, wo auf der Gleiwitzer Hütte 1796 der erste Kokshochofen in Preußen ins Leben trat, Tarnowitz, wo auf dem Bleiwerk Friedrichsgrube 1788 die erste Dampfmaschine in Deutschland aufgestellt ward, Beuthen, Königshütte und Myslowitz, ferner an der Malapane im Kreis Oppeln und bei Waldenburg, sodann auch in Niederschlesien im Bereich der Waldungen des Schlesischen Längenthals zwischen Bunzlau und Sprottau. Wichtige Eisengießereien und Maschinenfabriken gibt es zu Breslau, Ratibor, Görlitz, Lauban etc. Andre Industriezweige Schlesiens sind: die Fabrikation von Rübenzucker zwischen Breslau und Schweidnitz (1887: 56 Fabriken), von Stärke, Papier, Leder, Dachpappe, Seilerwaren (Oppeln), Seife, Lichten, Schuhwaren, Tabak und Zigarren (Breslau, Ohlau), Chemikalien, Pulver, Dynamit, Zündhölzern, Uhren (Freiburg, Silberberg), Turmuhren (Glogau), Hüten (Liegnitz), Strohgeflechten, Glaceehandschuhen (Breslau), Billards (Breslau), Schrot-, Blei- und Zinnwaren (Breslau), Nägeln, Wagen, Eisenbahnwagen, Kalk (Gogolin und Oppeln), Zement (Oppeln), Glas (im Kreis Oppeln, bei Waldenburg, am Queiß und an der Lausitzer Neiße), von feinen Glaswaren (Josephinenhütte im Riesengebirge), von Schamottesteinen, Töpferwaren (Bunzlau), Porzellan- und Steingutwaren (in den Kreisen Waldenburg und Schweidnitz), von Schaumwein (Grünberg), von eingemachten Früchten (Grünberg und Hirschberg). Nennenswert sind noch: die Bierbrauereien, die Brennereien und Likörfabriken, große Mahlmühlen, Gerbereien etc. Der Handel Schlesiens leidet durch die russischen Grenzverhältnisse, hat sich jedoch in der neuesten Zeit infolge des bedeutend erweiterten Eisenbahnnetzes sehr gehoben. Die Eisenbahnen sind fast nur Staatsbahnen. Die wichtigsten Linien sind: Sommerfeld-Breslau, Görlitz-Kohlfurt-Liegnitz, Kohlfurt-Sorgau, Liegnitz-Neiße-Oppeln, Breslau-Halbstadt, Breslau-Mittelwalde, Breslau-Stettin, Breslau-Posen, Breslau-Tarnowitz, Breslau-Brieg-Kosel, Kosel-Kamenz, Kosel-Oderberg, Kosel-Oswiecim etc. Besonders stark entwickelt ist das Eisenbahnnetz im oberschlesischen Industrierevier, wo zahlreiche