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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Schnecken

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Schnecken (Körperbau, Verbreitung, Einteilung).

chen, Zähne und Haken sich erheben. Größe, Zahl und Form derselben variieren ungemein und werden für die Systematik verwertet. Das Herz liegt, wie bei allen Mollusken, auf der Rückenseite, ist bei einigen niedern S., ähnlich dem der Muscheln, doppelt und vom Darm durchbohrt, gewöhnlich jedoch einfach, d. h. mit zwei oder einem Vorhof und nur einer Kammer versehen. Die von ihm ausgehende Aorta führt in ihren zwei großen Zweigen, einem vordern und einem hintern, das Blut durch den Körper. Eigentliche Kapillaren fehlen gewöhnlich, und alsdann münden die Arterien in große Bluträume, zwischen denen die Eingeweide liegen. Von diesen aus gelangt das Blut in die Respirationsorgane und darauf in das Herz zurück. Zur Aufschwellung des Körpers beim Ausstrecken aus der Schale befindet sich bei einzelnen Arten in dem Fuß ein eignes Kanalnetz, welches Wasser von außen aufnimmt und sich beim Zurückziehen des Körpers in die Schale wieder entleert. Wenige S. atmen durch die gesamte Körperhaut, bei weitem die meisten durch Kiemen, viele durch Lungen, nur wenige durch Kiemen und Lungen zugleich. Die Kiemen sind meist blattförmige oder verzweigte und gefiederte Hautanhänge, welche seltener frei auf dem Rücken, in der Regel zwischen Mantel und Fuß liegen und von der Mantelduplikatur umschlossen werden. Bei den Luftatmern (s. Lungenschnecken) ist die Lunge entweder ein umgewandeltes Stück Niere oder ein Teil der Mantelhöhle mit einem reichen Netzwerk von Gefäßen. Beiderlei Atmungsorgane stehen durch eine Öffnung oder auch durch eine mehr oder minder lange Atemröhre (Sipho) mit dem Wasser oder der Luft in Verbindung. Die Niere ist nur bei ganz wenigen Formen noch doppelt, wie bei den Muscheln, und unterhält dann auch noch dieselben engen Beziehungen zu den Geschlechtsorganen, indem sie deren Produkte (Eier, Samen) aufnimmt und nach außen befördert; gewöhnlich hingegen ist sie unpaar und besitzt eine innere Mündung in den Herzbeutel. Die Geschlechtsorgane sind meist sehr kompliziert gebaut, zumal bei den Zwitterschnecken, welche außerordentlich zahlreich vertreten sind. Man unterscheidet alsdann eine Zwitterdrüse, in der Eier und Samenfäden gebildet werden, eigne Eiweißdrüsen, Samenbehälter, vielfach Penis mit Anhangsorganen etc. Zur Brunstzeit schwellen alle diese Teile so an, daß sie die übrigen Organe des Tiers in den Hintergrund drängen. Die Eier sind meist klein und werden fast immer abgelegt. Die in ihnen sich entwickelnden Embryonen drehen sich mittels ihres Flimmerkleides in dem flüssigen Eiweiß umher und schlüpfen entweder schon nahezu in der Gestalt der Erwachsenen aus (Lungenschnecken), oder kommen als Larven hervor, die noch eine bedeutende Metamorphose durchzumachen haben. Sie besitzen dann zwei große, an Stelle des noch rudimentären Fußes als Bewegungsorgane dienende Wimpersegel und eine kleine, flache Schale mit erst beginnenden Windungen, die häufig abgeworfen und durch eine neue ersetzt wird. Seltener sind in spätern Stadien die Larven wurmförmig und mit Wimperkränzen versehen (Pteropoden).

Die S. leben meist im Wasser und zwar vorzugsweise im Meer; Landbewohner sind nur einige Gruppen der Lungenschnecken. Ein sehr großer Teil der S. nährt sich von tierischen Stoffen; die übrigen sind vorwiegend oder ausschließlich Pflanzenfresser. Versteinerte S. treten schon in den ältesten Schichten auf; so findet man bereits im Silur Pteropoden (Tentaculites), Heteropoden (Bellerophon) etc. Am spätesten erscheinen die Lungenschnecken und erreichen, obwohl einige Arten schon in den frühern Perioden auftauchen, erst in der Tertiärzeit größere Entwickelung. Man kennt über 22,000 Arten S., von denen etwa 7000 ausgestorben sind. Man teilt die S. in mehrere meist sehr umfangreiche Klassen, über deren Abgrenzung und gegenseitige Beziehungen jedoch bei den Zoologen keine Übereinstimmung herrscht.

1) Die niederste Gruppe, die der Solenoconchae oder Röhrenschnecken (auch Scaphopoda oder Kahnfüßer), steht zwischen den Muscheln und den eigentlichen S. und wird daher auch vielfach nicht zu den letztern gerechnet, sondern als eine ihnen gleichwertige Gruppe hingestellt. Sie wird durch nur wenige Gattungen (Dentalium etc.) vertreten, welche im Schlamm versenkt leben. Ihr Gehäuse bildet eine etwas gekrümmte, zugespitzte offene Röhre, in welcher das Tier, durch einen Muskel dem Schalenrand angeheftet, steckt. Der Mantel ist sackförmig, der Fuß dreilappig. Ein besonderer Kopf fehlt, dagegen findet sich im Mantelraum ein eiförmiger Aufsatz, an dessen Spitze die von acht blattähnlichen Lippenanhängen umstellte Mundöffnung liegt. Der Mund hat zwei Kieferrudimente und eine Zunge mit fünf Reihen Zähnen. Ein Herz fehlt, die Atmung erfolgt durch den Mantel und wohl auch durch die Tentakeln; Augen fehlen. Die Tiere sind getrennten Geschlechts und lassen Eier und Samenfäden durch eine hintere Mantelöffnung nach außen gelangen. Die Jungen schwärmen als Larven mit Wimperbüschel und Wimperkragen im Meer umher, erhalten dann eine fast zweiklappige Schale, Segel und Fuß; später wird das Gehäuse röhrenförmig.

2) Eigentliche S. (Gastropoda Cuv., Platypeda Leuck.), mit meist deutlich gesondertem Kopf, zwei, seltener vier Fühlern und zwei Augen, die vielfach auf besondern Stielen angebracht sind. Im allgemeinen ist der Fuß eine zum Kriechen dienende, flache Scheibe, die sich zuweilen noch in flügelartige seitliche Fortsätze verbreitert. Besonders wichtig für die Klassifikation dieser Gruppe sind die Atmungswerkzeuge. Zunächst unterscheidet man nach ihnen die sogen. Hinterkiemer (Opisthobranchier) und Vorderkiemer (Prosobranchier), bei denen Kieme und Vorhof hinter, resp. vor der Herzkammer liegen, und die Lungenschnecken (Pulmonaten), welche zum größten Teil wenigstens durch Lungen atmen. Doch läßt sich diese Einteilung nicht scharf durchführen. Ferner hat man die Ordnungen der Kiemenlosen (Abranchier), welche durch die ganze Haut atmen und keine besondern Respirationsorgane besitzen, der Nacktkiemer (Gymnobranchier), deren Kiemen offen zu Tage treten, der Seitenkiemer (Pleurobranchier), mit Kiemen an der Seite des Körpers unter dem Mantelrand, der Kreiskiemer (Cyklobranchier) und Kammkiemer (Ktenobranchier), deren Kiemen blatt-, resp. kammförmig sind. In zweiter Reihe wird die Kiefer- und Zungenbewaffnung in der Systematik verwertet. Namentlich die Zunge (Radula) bietet mit ihren Tausenden von vielgestaltigen Chitinzähnchen und -Stacheln, welche gleich einer Reibe wirken, die besten Kennzeichen dar. In der Decke der Atemhöhle findet sich sehr allgemein eine Drüse, welche bisweilen sehr große Mengen schleimigen Sekrets (bei den Purpurschnecken den Purpursaft) absondert; außerdem finden sich bei manchen Arten noch andre Drüsen. Bei einigen Gattungen liefern die Speicheldrüsen einen äußerst sauren Saft (vgl. Faßschnecke). Die S. sind teils Zwitter, teils getrennten Geschlechts; die erstern (Opisthobranchier und fast alle Pulmonaten) zeichnen sich durch die enge Verbindung der beiderlei