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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Schnellpresse

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Schnellpresse (Vielfarbendruckmaschine, Stein- und Kupferdruck-S.).

unternahm sie 1878 deren Bau und vollendete ihn im folgenden Jahr, während gleichzeitig in London für den Besitzer der "Illustrated London News", Ingram, Rotationsmaschinen zum Druck des englischen illustrierten Weltblattes in der Maschinenbauanstalt von Middleton u. Komp. in London hergestellt wurden. Eine von dieser 1878 auf der Weltausstellung zu Paris vorgeführte derartige Maschine erwies sich indes noch nicht als arbeitsfähig, ebensowenig wie die Illustrations-Rotationsmaschine der Pariser Firma Alauzet; doch hat man dieselben später vervollkommt und erzielt jetzt damit günstige Druckresultate.

Auf unsrer Tafel "Schnellpresse" ist eine Augsburger Rotationsmaschine mit daran befindlicher Falzmaschine perspektivisch und im Aufriß dargestellt. Die große Rolle rechts auf der Ansicht enthält das endlose Papier, das über eine Leitrolle zwischen drei kleine, mit Filz bezogene und mit Dampf erfüllte Walzenpaare gelangt, wo ihm die für den Druck erforderliche Feuchtigkeit mitgeteilt wird, um dann zwischen die senkrecht übereinander stehenden Druck- und Plattencylinder zu treten, in der Mitte die mit dünnem Filz überzogenen Druckcylinder, oben und unten die Plattencylinder, neben, resp. über und unter ihnen Tröge mit der durch ein Pumpwerk stets ergänzten Druckfarbe und je neun Walzen zur Aufnahme, Verreibung und zum Auftragen derselben auf die Stereotypplatten. Bei seinem S-förmigen Durchgang zwischen beiden Cylinderpaaren empfängt das Papier Schön- und Widerdruck rasch hintereinander (die hinter den Druckcylindern sichtbare Walze hat den Zweck, dieselben rein zu halten und dem Abschmutzen der Farbe, d. h. der Verunreinigung des Papiers beim Widerdruck, vorzubeugen) und wird sodann zwischen zwei Perforiercylinder (im Bilde das Cylinderpaar der Mitte) geleitet, wo es so durchstochen wird, daß die Bogen nur noch lose zusammenhängen. Bei seinem Austritt empfangen zwei Bandleitungen von ungleicher Geschwindigkeit den jetzt abgeteilten Bogen, trennen ihn vollends von seinem Nachfolger und führen ihn an das andre Ende der Maschine, um entweder von Doppelauslegern auf zwei Auslegetische gebracht, oder, wie auf unsrer dargestellten Maschine, wieder von einer andern Bandleitung aufgenommen zu werden, die ihn zuerst senkrecht so weit hinabführt, bis ein stumpfes Messer ihn zwischen das erste Walzenpaar der Falzmaschine drückt und auf den horizontalen Tisch leitet, wo er wiederum zwischen Walzen gedrückt wird und den zweiten Bruch (Quart) empfängt; ein drittes Walzenpaar kann ihm endlich den dritten Bruch (Oktav) geben, bevor er fertig gedruckt und gefalzt auf den Auslegetisch gelangt. Derartige Falzmaschinen werden auch von andern Maschinenfabriken an ihren Rotationsmaschinen auf Verlangen angebracht.

In Deutschland wurde der Bau von Rotationsmaschinen für endloses Papier auch von der Fabrik König u. Bauer zu Oberzell sowie von Hummel in Berlin aufgenommen; in Österreich baute sie zuerst Sigl in Wien; in Frankreich wandte sich Marinoni denselben zu, indem er seine bisherige, einzelne Bogen druckende Rotationsmaschine zum Druck von Rollenpapier umwandelte, jedoch von dieser bald ab- und zu einer sich der Walterpresse nähernden einfachern Konstruktion überging, während Jules Derriey, ebenfalls zu Paris, die verschiedensten Formen und Konstruktionen bei seinen Rotationsmaschinen in Anwendung gebracht hat. Alauzet in Paris erreichte zuerst die bedeutendsten Resultate in der Konstruktion von Rotationsmaschinen für Massendruck. Als letzte Vervollkommnung im Bau dieser Riesenschnellpressen ist deren Adaptierung zum Druck verschiedenartiger Formate zu verzeichnen. Bisher war es nicht möglich, ein andres Format als das, welches dem Cylinderumfang entsprach, auf ihnen zu drucken, da sich der Bogen bei seinem Abwickeln von der Papierrolle diesem anpassen mußte, um nach dem Druck in der festgesetzten Größe von der Papierbahn abgeschnitten zu werden. Diese Beschränkung, welche die Anwendung von Rotationsmaschinen namentlich im Bücherdruck mit wechselnden Formaten fast unmöglich machte, ist von der Firma König u. Bauer zu Oberzell jetzt glücklich überwunden worden. Sie hat eine solche Maschine konstruiert, welche das Papier vor dem Druck selbstthätig von der Rolle schneidet, worauf ein pneumatischer Apparat den Bogen in der erforderlichen Lage auf dem ersten Druckcylinder festhält, nach dem Druck ihn aber abstößt und dem zweiten Druckcylinder zuführt, wo er ebenfalls pneumatisch festgehalten und schließlich an den Ausführapparat abgegeben wird. Dieser hochwichtige Fortschritt im Rotationsmaschinendruck ermöglicht erst ihre ausgedehnte Verwendung im Werk- und Accidenzdruck.

Neben dem Bestreben, den Buchdruckereien die Mittel zum großartigen Betrieb des Zeitungswesens zu liefern, hat sich auch ein solches nach entgegengesetzter Richtung geltend gemacht: der Kleinbetrieb sollte durch geeignete Schnellpressen in den Stand gesetzt werden, von der alten langsamen Handpresse ganz abzusehen und doch gut, aber auch schnell liefern zu können. Diesen Zweck zu erfüllen, sind die sogen. Accidenzmaschinen bestimmt.

Nach einer dritten Seite hin hat man versucht, dem Buchdruckereibetrieb durch die S. größere Ausdehnung zu geben, indem man solche für den Druck von mehr als zwei Farben zu bauen unternahm. Die Pariser Ausstellung von 1878 zeigte eine ganze Anzahl derartiger Versuche, doch konnte man durch dieselben die Aufgabe noch keineswegs als gelöst betrachten; erst dem Inhaber eines graphischen Etablissements in Leipzig, A. H. Payne, gelang es, eine leistungsfähige S. für Vielfarbendruck zu ersinnen, die von der Maschinenfabrik von König u. Bauer zu Oberzell ausgeführt und in der Folge außerordentlich vervollkommt wurde.

Bei der großartigen Entwickelung des Schnellpressenbaues für Buchdruck mußte es überraschen, daß der Steindruck noch lange ohne S. blieb. Als erster, welcher eine solche baute, dürfte Smart in England zu betrachten sein, dessen Maschine 1846 patentiert wurde, und die mit Ausnahme des Ein- und Auslegens des Papiers alle Manipulationen des lithographischen Drucks, also auch das Netzen und Wischen des Steins, selbstthätig ausführte. Ihm folgte 1851 zuerst Sigl in Wien und Berlin, in Frankreich Huguet, Voirin u. a.; seitdem hat der Bau solcher Maschinen ebenso große Verbreitung gefunden wie der der Buchdruckschnellpressen, denen sie übrigens in ihrer allgemeinern Form fast gleich sind. Rotationsmaschinen sind ferner gebaut worden für Kupferdruck von Guy in Paris, welcher zwei Exemplare verschiedener Konstruktion auf der Weltausstellung zu Paris 1878 in Thätigkeit vorführte; sodann für Lichtdruck von Schmiers, Werner u. Stein in Leipzig und schließlich für lithographischen Druck von Zinkplatten, erfunden von Schlotke in Hamburg, erbaut von Klein, Forst u. Bohn in Johannisberg a. Rh.; doch lassen sich dieselben in Bezug auf Schnelligkeit kaum in eine Parallele stellen mit den Rotationsmaschinen für Buchdruck, wenngleich auch sie in