616
Schottland (Industrie, Verfassung und Verwaltung; Geschichte bis 900).
Forth und Clyde ausbreitet. Silberhaltiges Blei wird in den Louther Hills gewonnen, etwas Kupfer beim Loch Tay. Reich ist das Land an Bau- und Schiefersteinen; Marmor, Granit und Basalt sind Gegenstand der Ausfuhr. Torf kommt in großen Strecken vor. Salz wird durch Sieden von Seewasser gewonnen. Im J. 1887 wurden 21,484,976 Ton. Steinkohlen gefördert und aus einheimischen Erzen hergestellt 932,240 T. Eisen, 2821 T. Blei und 26 T. Zink. Sehr wichtig ist die Industrie, die ihre Hauptsitze in Glasgow, Paisley, Dundee und dem großen Kohlenbecken hat. Im J. 1881 beschäftigte die Textilindustrie 201,867 Arbeiter, Eisen- und Stahlwerke 38,309, der Maschinenbau 32,730, der Schiffbau 18,492, Papiermühlen 7975, Druckereien 7775, chemische Fabriken 2377, Töpfereien 3171, Glashütten 1665, Brauereien u. Brennereien 2811 Arbeiter etc. Die 776 Textilfabriken beschäftigten 1885: 152,279 Arbeiter (einschl. 106,839 weiblichen Geschlechts) und waren mit 2,369,104 Spindeln und 72,279 mechanischen Webstühlen ausgerüstet. Davon kamen auf Baumwollwarenfabriken 37,167 Arbeiter, 1,149,514 Spindeln, 29,689 Webstühle; auf Leinenfabriken 39,086 Arb., 243,273 Spindeln, 21,626 Webstühle; auf Jutefabriken 36,269 Arb., 235,429 Spindeln, 10,856 Webstühle; auf Wollwarenfabriken 33,025 Arb., 705,017 Spindeln, 9380 Webstühle. Über Handel und Schiffahrt s. Großbritannien, S. 770 f.
[Verfassung und Verwaltung.] Die politische Verfassung Schottlands hat seit der Union, besonders in neuern Zeiten, mehrere Verbesserungen erhalten. S. bildet ein selbständiges Königreich, ist aber seit der Unionsakte vom 16. März 1707 mit England vereinigt unter dem Gesamttitel Großbritannien. Die administrative Einteilung in 32 Grafschaften (shires) ist aus der Tabelle S. 612 ersichtlich. In das Oberhaus sendet S. 16 Peers, die für jedes Parlament aus dem gesamten hohen Adel des Landes gewählt werden, in das Unterhaus 72 Abgeordnete. S. hat seine eignen Gerichtshöfe, von welchen in allen bürgerlichen Rechtssachen die Berufung an das Oberhaus geht. Oberstes Gericht ist der High Court of Justice, mit 13 Richtern besetzt, welcher als Court of Session in Zivilsachen, als High Court of Justiciary in Kriminalsachen entscheidet. Die niedern Gerichte in den Grafschaften werden von den Sheriffs und Friedensrichtern und in den Städten von den Baillies abgehalten, haben jedoch einen beschränkten Wirkungskreis. Die Staatseinkünfte stehen jetzt unter der Verwaltung der in London befindlichen Finanzbehörden. Vgl. außer den ältern Werken von Chalmers, Playfair, Mac Culloch, Kohl, Spohr, Carus u. a.: Rogers, Scotland, social and domestic (Lond. 1869); Hunnewell, The lands of Scott (Edinb. 1871); Braids "County Directory of Scotland" (jährlich); Murray, Handbook for Scotland (5. Aufl., Lond. 1884); A. Geikie, Scenery of Scotland, viewed in connection with its physical geology (2. Aufl., das. 1887). Eine geologische Karte von S. entwarf Geikie (Edinb. 1887), eine hypsographische Bartholomew (das. 1887).
Geschichte.
Der Teil der Insel Britannien, welcher nördlich von den Busen des Forth und des Clyde liegt, war den Römern seit dem 1. Jahrh. n. Chr. unter dem Namen Kaledonien bekannt und führte daneben seit früher Zeit noch den keltischen Namen Albu oder Alban (lat. Albania). Der Name Scotia (Scotland) war in den ältern Perioden auf Irland beschränkt; vom 10. Jahrh. ab wurde er auch von dem Teil Schottlands gebraucht, welcher im Süden von dem Firth of Forth, im N. von dem Moray Firth begrenzt wird; erst seit dem 13. Jahrh. verdrängte er die ältern Bezeichnungen völlig und kam für das ganze heutige S. in Übung. Auf eine vorhistorische (iberische?) Urbevölkerung folgten in S., wie in ganz Britannien, die Kelten, welche in zwei Stämme, den britischen und den gadhelischen, zerfielen; dem letztern gehören die Pikten (die "Bemalten", irisch Cruithnigh) im heutigen S. und die Skoten in Irland an. Als die Römer unter Kaiser Claudius das südliche Britannien eroberten, wurde der noch unabhängige Norden Britannia barbara oder Kaledonien genannt. Erst Agricola, seit 78 n. Chr. römischer Statthalter in Britannien, dehnte seine Herrschaft auch auf das letztere aus, indem er seit 80 wiederholte Feldzüge dahin machte und die Kaledonier in den Grampianbergen schlug. Doch gingen seine Eroberungen nach seiner Abberufung (85) größtenteils wieder verloren: die Grenze der Römerherrschaft in Britannien bildete eine Linie vom Solway Firth im W. bis zur Mündung des Tyne im O.; diese ließ Kaiser Hadrian bei einem Besuch in Britannien 122 durch einen mit Kastellen und Wachttürmen versehenen Wall gegen die Einfälle der Barbaren des Nordens decken. Erst 142 wurde durch den Legaten Q. Lollius Urbicus unter Antoninus Pius noch ein zweiter, nördlicherer Grenzwall zwischen den Busen des Forth und Clyde errichtet, welchen Kaiser Severus, nachdem er 208-211 mehrere glückliche Feldzüge gegen die Kaledonier unternommen hatte, neu befestigte. Trotzdem bot derselbe gegen die seit 360 immer erneuerten Angriffe der nördlichen Völker keinen ausreichenden Schutz, und seit 409 die römischen Legionen abberufen waren, schien die Provinz rettungslos den Einfällen derselben preisgegeben.
Die wilden Kämpfe, welche die nun folgende Invasion Britanniens durch die Angelsachsen hervorrief, sind in fast undurchdringliches Dunkel gehüllt; zu Anfang des 7. Jahrh., als dasselbe sich zu lichten beginnt, zerfällt das heutige S. in vier verschiedene Reiche. Der Nordwesten war das Reich der aus Irland eingewanderten Skoten von Dalriada, begründet durch Fergus, den Sohn des Erc, und seine Brüder Loarn und Angus; es reichte im Süden bis an den Firth of Clyde, im O. bis an die sogen. Drumalbangebirge. Östlich davon dehnte sich das Reich der Pikten aus, dessen Südgrenze der Forth war. Die südlichen Lande waren durch das Königreich der Briten von Alclyde (dazu gehören Cumberland und Westmoreland in England und die Grafschaften Dumfries, Ayr, Renfrew, Lanark und Peebles in S.) im W. und durch das Königreich der Angeln von Bernicia im O. eingenommen, welches sich nördlich bis zum Forth erstreckte. Schon in der zweiten Hälfte des 6. Jahrh. hatte das Christentum durch den heil. Columban auch bei den Pikten Eingang gefunden; sie sowie die Skoten gehörten der irisch-christlichen Kirche an, deren Oberhaupt der Abt auf der Insel Hy oder Jona war. Im Anfang des 8. Jahrh. aber sagte sich Nectan, König der Pikten, deren Hauptstadt schon damals Scone gewesen zu sein scheint, von der irischen Kirche los und ordnete sich dem römischen Papst unter, worauf er 717 die Columbanische Geistlichkeit aus dem Piktenland vertrieb. 844 bemächtigte sich der Skotenkönig Kenneth Mac Alpin, der mütterlicherseits von piktischer Abkunft war, des Throns von Scone; das vereinigte Reich hieß seit dem Anfang des 10. Jahrh. Königreich Alban; es wurde schon seit dem Beginn des 9. Jahrh. von den