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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Schubart; Schubert

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Schubart - Schubert.

"Deutsche Chronik", die großen Anklang fand und um ihrer patriotischen Haltung, ihrer lebendigen Darstellung und unerschrockenen Freimütigkeit willen auch verdiente. Als nach kurzer Zeit der Augsburger Magistrat den Druck des Journals verbot, wurde derselbe in Ulm fortgesetzt, wohin S. selbst sich 1775 begab, nachdem er aus Augsburg ausgewiesen war. In Ulm war der Dichter, dessen "Chronik" sich fortwährender Beliebtheit erfreute, kaum in die beste und ergiebigste Epoche seines Lebens getreten, als ihn Herzog Karl von Württemberg im Januar 1777 durch den Klosteramtmann Scholl in dessen Amtshaus nach Blaubeuren locken und dann auf den Hohenasperg bringen ließ, um seinen "Unverschämtheiten" gegen "fast alle gekrönten Häupter auf dem Erdboden" ein Ende zu machen. Auf dem Hohenasperg mußte S. zehn Jahre lang schmachten, das erste Jahr in strengster Haft, bis 1782 unter der Obhut des pietistischen Despoten General Rieger, von Weib und Kind getrennt, anfangs aller Bücher und Schreibmaterialien beraubt, später in unwürdiger Weise von dem Festungskommandanten zu den Geschäften eines Gelegenheitspoeten und Privatsekretärs verwendet. Erst im Mai 1787 wurde infolge preußischer Verwendung der körperlich zerrüttete Mann wieder in Freiheit gesetzt und dann, um die Sinnlosigkeit despotischer Willkür voll zu machen, zum Hofdichter und Theaterdirektor in Stuttgart ernannt, wo er die Herausgabe der eine Zeitlang von Schubarts treuem Freund Martin Miller, dem Dichter des "Siegwart", in Ulm zum Besten der Familie weitergeführte "Chronik" wieder aufnahm und in nunmehr glücklichen Familienverhältnissen und bei reichlichem Einkommen ruhiger als sonst lebte, ohne jedoch die alte Schmaus- und Zechlust gänzlich zu verleugnen. Er starb 10. Okt. 1791 in Stuttgart. Schubarts Dichtungen und sonstige schriftstellerische Werke sind das getreue Spiegelbild seiner Persönlichkeit. Wie diese zucht- und haltlos sich lediglich den Eingebungen momentaner Stimmung unterworfen zeigte, so sind auch seine geistigen Produkte in unsteter Flüchtigkeit und ohne künstlerischen Ernst gleichsam auf das Papier geschleudert. Schubarts Name ist bekannt geblieben durch die düstern Lebensgeschicke des Dichters; ohne diese wären seine Dichtungen (etwa "Die Fürstengruft" und den "Hymnus auf Friedrich d. Gr." sowie einige wirklich den Volkston treffende, wie das "Kaplied", abgerechnet) längst verschollen. Über seine äußern und innern Erlebnisse hat der Dichter uns in "Schubarts Leben und Gesinnungen" (Stuttg. 1791-93, 2 Bde.) eigne, im Kerker abgefaßte Aufzeichnungen hinterlassen, die jedoch die beklemmende Luft des Gefängnisses, in welcher S. zum zerknirschten Pietisten ermürbt war, allzu sehr verraten, als daß ihnen historische Zuverlässigkeit beizumessen wäre. Schubarts "Sämtliche Gedichte" erschienen Stuttgart 1785-1786, 2 Bde. (neue Ausg., das. 1842); seine "Gesammelten Schriften" daselbst 1839-40, 8 Bde. Vgl. Strauß, Schubarts Leben in seinen Briefen (Berl. 1849, 2 Bde.); G. Hauff, Chr. Fr. Daniel S. (Stuttg. 1885); Nägele, Aus Schubarts Leben und Werken (das. 1888). Die treubewährte Gattin des Dichters überlebte ihn 28 Jahre und starb 1819 in einer Armenanstalt zu Stuttgart. - Sein Sohn Ludwig, geb. 1766 in Geißlingen, lebte als preußischer Legationsrat in Nürnberg und starb 1812 in Stuttgart. Er übersetzte mehreres aus dem Englischen (z. B. Thomsons "Jahreszeiten") und gab seines Vaters "Ideen zur Ästhetik der Tonkunst" (Wien 1806) und "Vermischte Schriften" (Zürich 1812, 2 Bde.) heraus.

Schubert, 1) Gotthilf Heinrich von, Naturphilosoph, geb. 26. April 1780 zu Hohenstein im Schönburgschen, studierte zu Leipzig Theologie, in Jena, wo er Schellings Naturphilosophie kennen lernte, Medizin, hielt als praktischer Arzt zu Dresden naturphilosophische Vorträge, aus denen seine Schrift "Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft" (Dresd. 1808, 4. Aufl. 1840) entstand, wurde 1819 Professor der Naturwissenschaften zu Erlangen, 1827 zu München, hier zum Geheimrat ernannt und in die Akademie der Wissenschaften aufgenommen, und starb 1. Juli 1860. Von seinen zahlreichen Schriften, von denen die ersten unter dem Einfluß der Schellingschen Naturphilosophie, die spätern (seit 1817) unter dem einer mystisch-pietistischen Asketik stehen, sind außer der obigen hervorzuheben: "Ahnungen einer allgemeinen Geschichte des Lebens" (Leipz. 1806-21, 2 Bde.); "Die Urwelt und die Fixsterne" (Dresd. 1822, 2. Aufl. 1839); "Das Weltgebäude, die Erde und die Zeiten des Menschen auf der Erde" (Erlang. 1852); "Symbolik des Traums" (Bamb. 1814; 4. Aufl., Leipz. 1862); "Geschichte der Seele" (Stuttg. 1830, 2 Bde.; 5. Aufl. 1878), sein gelesenstes Werk mit dem Nachtrag "Die Krankheiten und Störungen der menschlichen Seele" (das. 1845); "Altes und Neues aus dem Gebiet der innern Seelenkunde" (Leipz. u. Erlang. 1817-44 u. öfter, 5 Bde.; neue Folge, 3. Aufl., Frankf. 1856-59, 2 Bde.); seine Biographie des Pfarrers Oberlin (9. Aufl., Nürnb. 1855) und die "Mitteilungen aus dem Reiche" in der "Evangelischen Kirchenzeitung" (2. Aufl., Frankf. 1856). Auch einige Reisewerke, unter anderm über den Orient (Erlang. 1838-39, 3 Bde.), den er 1836-37 bereist hatte, Südfrankreich und Italien (das. 1827-31, 2 Bde.); "Biographien und Erzählungen" (das. 1847-48, 3 Bde.); eine Reihe von Volks- und Jugendschriften (gesammelt als "Erzählende Schriften", neue Ausg., das. 1882, 7 Bde.) sowie eine Selbstbiographie unter dem Titel: "Der Erwerb aus einem vergangenen und die Erwartungen von einem zukünftigen Leben" (das. 1853-56, 3 Bde.) und "Erinnerungen aus dem Leben der Herzogin Helene Luise von Orléans" (Münch. 1859, 8. Aufl. 1877), seiner ehemaligen Schülerin, hat er veröffentlich. Schuberts "Vermischte Schriften" erschienen in 2 Bänden (Erlang. 1857-60). Vgl. Schneider, Gotth. Heinr. v. S. (Bielef. 1863).

2) Theodor von, russ. General und bedeutender Geodät und Geograph, geb. 1789 als Sohn des namhaften Astronomen S., begleitete 1805 die russische Gesandtschaft nach China, machte 1815-18 topographische Aufnahmen zwischen der Schelde und Maas und ward 1822 zum Direktor des neubegründeten topographischen Korps in St. Petersburg ernannt. Hier gab er 1826-40 die berühmte "Spezialkarte des westlichen Teils des russischen Reichs" in 59 Blättern und seine "Postkarte des europäischen Teils des russischen Kaiserreichs und der kaukasischen Länder" heraus; auch wurden Petersburg, Pskow und Witebsk unter seiner Leitung vollständig aufgenommen. 1833 veranstaltete er eine große chronometrische Expedition, welche die erste genauere Karte und Beschreibung des Baltischen Meers lieferte. Er veröffentlichte ferner: "Exposé des travaux astronomiques et géodésiques exécutés en Russie dans un but géographique jusqu'à l'année 1855" (Petersburg 1855) und "Essai d'une détermination de la véritable figure de la terre" (in den "Mémoires" der Petersburger Akademie der Wissenschaften, 7. Serie, Teil 1). Er starb 17. Nov. 1865 in Stuttgart.