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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Schwärmen; Schwärmer; Schwärmerei; Schwarmsalve; Schwärmsporen; Schwartau; Schwarte; Schwartz

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Schwärmen - Schwartz.

Schwärmen (Tiraillieren), das Fechten einer Infanterieabteilung in zerstreuter Ordnung, zu dem Zweck, geringere Verluste zu erleiden und das Gewehr besser auszunutzen. In der Schwärm- oder Schützenlinie haben die Rotten einen Abstand von 2-6 Schritt. Auf das Kommando "S." wird in der Regel ein Zug aufgelöst, der Rest der Kompanie folgt als Soutien 150 Schritt dahinter. Die Infanterie tritt in vorderster Linie stets in zerstreuter Ordnung auf, wozu die Bataillone des ersten Treffens in der Regel ganz aufgelöst werden; vgl. Gefecht.

Schwärmer (Dämmerungsfalter, Sphingidae, Crepuscularia), Familie aus der Ordnung der Schmetterlinge (s. d.).

Schwärmer, s. Feuerwerkerei, S. 224.

Schwärmerei, krankhafte Richtung des Gemüts, wobei der Mensch von seinem Gefühl und seiner Phantasie so sehr beherrscht wird, daß eine verständige Überlegung und vernünftige Besinnung in Bezug auf den Gegenstand der S. nicht Platz greifen kann. Alles, was das Gemüt und die Phantasie berührt und lebhafter anzuregen geeignet ist, kann Gegenstand der S. werden. Die Religionsschwärmerei glaubt in einem unmittelbaren Verhältnis zu Gott zu stehen, ihn schauen und besondere Offenbarungen empfangen zu können (s. Mystizismus). Der politische Schwärmer strebt nach der Verwirklichung eines Ideals vom Staat und vom sozialen Leben, ohne die Bedingungen zu berücksichtigen, unter denen die Gesellschaft u. der Staat bestehen können.

Schwarmsalve, s. Schießen.

Schwärmsporen, eine bei Algen und Pilzen vorkommende Art Sporen, welche im Wasser leben, ohne Zellhaut, und durch freie Ortsbewegung (Schwärmen) ausgezeichnet sind. Letztere wird hervorgebracht durch feine, fadenförmige, in schwingender Bewegung befindliche Fortsätze (Wimpern). Vgl. Algen und Pilze.

Schwartau, Flecken und Luftkurort im oldenburg. Fürstentum Lübeck, an der Eisenbahn Eutin-Lübeck, hat ein Amtsgericht, eine Oberförsterei, Maschinenfabrikation, eine Knochenmehlfabrik, Bierbrauerei und (1885) 1789 Einw.

Schwarte, in der Jägersprache die Haut des Schwarzwildes und des Dachses.

Schwartz, 1) Marie Sophie, schwed. Romanschriftstellerin, geb. 4. Juli 1819 zu Borås als Tochter des dort ansässigen deutschen Kaufmanns Karl Birath. Im fünften Jahr vaterlos, wurde sie von einem Anverwandten erzogen. 1840 heiratete sie den Oberdirektor des polytechnischen Instituts in Stockholm, G. M. Schwartz (gest. 1858), und begann von da an sich eifrig auf die Lektüre schönwissenschaftlicher und phrenologischer Schriften zu werfen. Ein natürliches Talent brachte sie bald zu schriftstellerischer Produktion, aber erst 1855 gestattete ihr Gatte den Abdruck ihrer Novelle "Förtalet" ("Die Vorrede"). Seit dieser Zeit war ihre Feder eine ungemein fruchtbare. Ihre Romane sind zum großen Teil Tendenzromane, welche die Gleichberechtigung der arbeitenden Klassen wie die Ehre der Arbeit geltend machen wollen, und durch die Wärme des Tons, die unterhaltende Form nicht ohne Einfluß geblieben; sie wurden in fast alle Kultursprachen Europas übersetzt. Ihre Hauptromane sind: "Der Mann von Geburt und die Frau aus dem Volk" (1858); "Die Arbeit adelt den Mann" (1859); "Die Tochter des Edelmanns" (1860); "Ist der Charakter des Mannes sein Schicksal?" (1861); "Geburt und Bildung" (1861); "Der Sohn des Orgeldrehers" (1863); "Gold und Name" (1863); "Der Rechte" (1864); "Jugenderinnerungen" (1865); "Meine Lebensschicksale" (1865); "David Waldner" (1866); "Wechselnde Schicksale" (1871); "Der Enkel" (1871); "Ein Kind der Zeit" (1873). Außerdem hat sie eine große Anzahl von Novellen für Zeitschriften und Kalender geschrieben, welche später unter gemeinschaftlichen Titeln erschienen, endlich kleinere biographische Bilder: "Smärre historiska berättelser" und "Några runor", Episoden aus dem Alltagsleben berühmter Schweden. Ihre Hauptromane erschienen deutsch (Stuttg. 1869-72 in 59 Bdn. und Leipz. 1865 ff. in 44 Bdn.).

2) Wilhelm, Mythenforscher und Schriftsteller, geb. 4. Sept. 1821 zu Berlin, studierte daselbst und in Leipzig Philologie, wirkte seit 1844 am Werderschen Gymnasium zu Berlin, wurde 1864 Direktor des Gymnasiums in Neuruppin, kam in gleicher Eigenschaft 1872 an das Friedrich Wilhelms-Gymnasium zu Posen und 1882 an das Luisen-Gymnasium zu Moabit bei Berlin. S. gehört zu den Begründern der "vergleichenden, bez. der prähistorischen, Mythologie". Er sammelte bereits als Student in der Mark und später überhaupt in Norddeutschland mit Adalbert Kuhn die Sagen, Märchen und Gebräuche sowie den Aberglauben dieser Gegenden aus dem Munde des Volkes und publizierte die Resultate dieser kulturgeschichtlichen Wanderungen in den Büchern: "Märkische Sagen" (Berl. 1843) und "Norddeutsche Sagen" (Leipz. 1849). Weiter veröffentlichte er: "Der heutige Volksglaube und das alte Heidentum" (Berl. 1849; 2. Aufl., das. 1862); "Über die griechischen Schlangengottheiten" (das. 1858); "Der Ursprung der Mythologie, dargelegt an griechischer und deutscher Sage" (das. 1860); "Die poetischen Naturanschauungen der Griechen, Römer und Deutschen in ihrer Beziehung zur Mythologie" (das. 1864-79, 2 Bde.); "Prähistorische Kartographie der Provinz Posen" (Posen 1875-81); "Der Ursprung der Stamm- u. Gründungssage Roms unter dem Reflex indogermanischer Mythen" (Berl. 1878); "Prähistorisch-anthropologische Studien. Mythologisches und Kulturhistorisches" (das. 1884); "Indogermanischer Volksglaube. Ein Beitrag zur Religionsgeschichte der Urzeit" (das. 1885); "Prähistorische Mythologie, Phänomenologie und Ethik" (1885-86); "Zur Stammbevölkerungsfrage der Mark Brandenburg" (1887). Auch auf dem Gebiet der Pädagogik und der vaterländischen Geschichte war S. thätig: "Der Organismus der Gymnasien in ihrer praktischen Gestaltung" (Berl. 1876); "Leitfaden für den deutschen Unterricht" (13. Aufl., das. 1889); "Sagen und alte Geschichten der Mark Brandenburg" (2. Aufl., das. 1886); "Bilder aus der brandenburgisch-preußischen Geschichte" (das. 1875); "Grundriß der brandenburgisch-preußischen Geschichte" (3. Aufl. 1884) u. a.

3) Esperance von, mit dem Pseudonym Elpis Melena (griechische Übersetzung ihres Namens), Schriftstellerin, geb. 8. Nov. 1821 zu Southgate bei London als Tochter eines Hamburger Bankiers, Brandt, erhielt ihre Erziehung in Genf und Rom, war zweimal, beide Male unglücklich, vermählt, unternahm mit ihrem zweiten Gatten, einem Hamburger Bankier v. Schwartz, eine große Reise nach dem Orient und ließ sich 1849 in Rom nieder. Sie machte sich zuerst bekannt durch ihre persönlichen Beziehungen zu Garibaldi, dessen "Denkwürdigkeiten" sie ins Deutsche übersetzte (Hamb. 1861, 2 Bde.). Später wandte sie sich nach Kreta, wo sie sich während des Aufstandes der Insurgenten annahm und seitdem fast ihren ständigen Wohnsitz hatte. Ihre Schriften