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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Schweden (Bewohner, Religion, Unterrichtswesen, Ackerbau).

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Schweden (Bewohner, Religion, Unterrichtswesen, Ackerbau).

man 1887: 2,296,311 männliche u. 2,438,590 weibliche Personen, so daß auf 1000 Männer etwa 1062 Frauen (1870 noch 1000: 1067) kamen. Die Zahl der Eheschließungen betrug 1886: 30,133 und ist erheblich geringer als in den Jahren 1873-76. Lebend geboren wurden 1885: 137,308 Kinder, davon 14,294 uneheliche (10,1 Proz.); es starben, abgesehen von 4008 totgebornen Kindern, 82,781 Personen (17,8 auf 1000 Einw.); die Sterblichkeitsziffer ist seit 1875 fast ohne Unterbrechung zurückgegangen. Die große Mehrzahl der Bevölkerung wohnt auf dem Land, nur 17,2 Proz. in Städten, von denen nur eine (Stockholm) mehr als 200,000 Einw., 5 zwischen 20,000 und 100,000 und 11 zwischen 10,000 und 20,000 Einw. haben. S. zählt jetzt 92 Städte außer 20 Flecken (Köpingar). Auf dem Land bildet jedes Härad und jeder Gerichtssprengel, ja jedes Pastorat oder sogar Kirchspiel eine eigne Gemeinde.

Nach ihrer Nationalität sind die Einwohner mit wenigen Ausnahmen Schweden (in der Landessprache Svenskar, vormals Svear), die mit den Dänen und Norwegern (Isländern) einen Zweig des germanischen Volksstammes bilden. Die Sprache bietet auch mit denen der angrenzenden Völker so große Ähnlichkeiten, daß sie sich ohne Schwierigkeiten verstehen. Der Schwede hat in der Regel eine hohe, schlanke Gestalt, eine weiße Haut, braunes oder blondes Haar, ausdrucksvolle Gesichtszüge und blaue Augen. Beide Geschlechter zeichnet eine gewisse Leichtigkeit und Grazie in der Bewegung des Körpers aus, und man pflegt die Schweden deshalb wohl die "Franzosen des Nordens" zu nennen. Die Grundzüge des schwedischen Charakters sind nordischer Ernst, Liebe zu Religion, Vaterland, Gesetz und Freiheit, Ehrlichkeit und Uneigennützigkeit, Selbstgefühl, Gastfreundschaft, Mildthätigkeit, schnelle Fassungsgabe und scharfe Urteilskraft. Naturfehler sind Phlegma und Langsamkeit, Neigung zum Genuß geistiger Getränke und Hang zu äußerlichem Prunk. Manches Eigentümliche haben die Dalekarlier (s. Dalarne) bewahrt. Die Wohnungen sind in den verschiedenen Teilen des Landes verschieden, nur in den größten Städten, Stockholm und Gotenburg, fast durchweg von Stein, in den kleinern aber größtenteils von Holz, daher die Feuersbrünste so verheerend wirken; doch sind die Häuser geräumig und bequem. Besonders zeichnen sich die Bauernhöfe in den Landschaften Ångermanland, Medelpad und Helsingland aus, die fast sämtlich großen Herrensitzen gleichen. - Außer den Schweden wohnen auch Finnen an der Grenze von Finnland in Norrbottenlän sowie in einigen innern waldigen Gebirgsgegenden des mittlern S. (1880 im ganzen 16,976). Die Lappen wohnen jetzt eigentlich nur in Lappland und vereinzelt in den übrigen Teilen von Norrland (1880: 6404). Die Anzahl der in S. befindlichen Israeliten ist sehr gering (1880: 2993). Auch haben sich eingewanderte Fremde im Land niedergelassen, doch sie verschmelzen meist bald mit den Schweden. 1880 zählte man 18,587 Personen, die im Ausland geboren waren, vornehmlich Dänen, Norweger, Finnen und Deutsche.

Die herrschende und Staatsreligion ist die evangelisch-lutherische; doch besteht jetzt völlige Religionsfreiheit, und jedem ist die freie Ausübung seines Religionsbekenntnisses gestattet. Außer den schon erwähnten Israeliten waren indessen 1880 nur wenig Bekenner fremder christlicher Konfessionen vorhanden, nämlich 245 Reformierte, 810 Römisch-, 17 Griechisch-katholische, 14,627 Baptisten, 1591 Methodisten und 414 Mormonen. Die Landeskirche hat Bischöfe, an deren Spitze der Erzbischof von Upsala als Primas des Reichs steht. Die zwölf Bischofsprengel oder Stifter sind: Upsala, Linköping, Skara, Strengnäs, Westerås, Wexiö, Lund, Gotenburg, Kalmar, Karlstad, Hernösand und Wisby. Jedes Stift hat einen Bischof und ein geistliches Konsistorium oder Domkapitel (außerdem sind in Stockholm noch ein Hof- u. ein Stadtkonsistorium, beide unter dem Erzbischof zu Upsala stehend). Mehrere Pastorate bilden eine Propstei, deren es 180 gibt.

[Unterricht.] Das schwedische Volk ist ein sehr gebildetes und nimmt in dieser Beziehung einen hohen Rang ein. In allen Fächern des Wissens haben Schweden sich ausgezeichnet, und selbst in den menschenärmsten Gegenden des Landes gibt es unter 100 kaum einen, der nicht lesen und schreiben kann. Im allgemeinen ist für den höhern und niedern Unterricht sehr gut gesorgt. Für den Volksunterricht sowohl in den Städten als auch auf dem Land sorgen die Volksschulen, deren jedes Kirchspiel nach dem Gesetz vom 13. Juni 1842 wenigstens eine, womöglich feste Volksschule haben soll. In den Gegenden mit besonders dünner und armer Bevölkerung ist es gestattet, statt der festen eine fliegende (flyttande) Schule zu errichten. 1885 gab es 12 höhere, 3455 feste und 831 fliegende Volksschulen, 1103 Notschulen (mindre skolor) und 4626 Kleinschulen (småskolor), welch letztere zur Volksschule vorbereiten; ferner zählte man 25 Volkshochschulen (Fortbildungsschulen). Für die Bildung der Volksschullehrer bestehen 7, für Lehrerinnen 5 Seminare. Die höhern Lehranstalten (gemeinhin Elementarschulen genannt) sind eine Vereinigung von Gymnasium und Realschule und zerfallen meist in eine klassische und eine realistische Abteilung; neuerdings sucht man jedoch die höhern Schulen nach deutschem Muster zu reorganisieren. Unter den 78 höhern Schulen sind 34 vollständig (mit 7 Klassen und neunjährigem Kursus), 24 haben 5 Klassen und 20 drei Klassen; außerdem bestehen noch 18 Pädagogien mit 1-2 Klassen. Es gibt zwei Universitäten: Upsala (seit 1477) und Lund (seit 1668), außerdem in Stockholm das Karolinische Institut (für höhere medizinische Bildung). Es gibt ferner: 9 Navigationsschulen, eine Kriegsakademie und eine höhere Artillerie- und Ingenieurschule, eine Kriegs- und eine Marineschule, eine höhere Bergschule in Philipstad, ein Forstinstitut, eine landwirtschaftliche Akademie, 2 höhere landwirtschaftliche Institute, landwirtschaftliche Schulen (je eine in jedem Län), 2 Tierarzneischulen, eine technische Hochschule (in Stockholm), die Chalmersche Gewerbeschule in Gotenburg sowie technische und Gewerbeschulen (in mehreren Städten). Bibliotheken finden sich bei den beiden Universitäten, in Stockholm und bei den höhern Schulen; jetzt gibt es auch überall Kirchspielsbibliotheken. Für Taubstumme und Blinde gibt es je ein Institut und 13 Erziehungsanstalten, ferner 3 Lehranstalten für Taubstumme.

Ackerbau und Viehzucht.

Die Hauptnahrungsquelle der Bevölkerung bildet der Ackerbau, mit welchem sich drei Viertel derselben beschäftigen. Doch nur die milden Thon- und Kalkschiefer der Silurformation bieten eine ausreichende Erdkrume, um die Beackerung zu lohnen, während die schwer verwitternden Granitflächen, aus denen der größte Teil Schwedens besteht, mit Wald bedeckt sind. 1884 entfielen 7,4 Proz. des Areals auf Ackerland und Gärten, 4,8 Proz. auf natürliche Wiesen und 43,6 Proz. auf die Waldungen. Das Waldland überwiegt weitaus in den nördlich vom 61. Breiten-^[folgende Seite]