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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Schweiz

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Schweiz (Geschichte 1500-1600).

Plan, die Franzosen aus Italien zu vertreiben, zu gewinnen. Als Verbündete des Papstes führten sie Moros Sohn Maximilian Sforza 1512 in sein Herzogtum zurück und verjagten die Franzosen durch den Sieg bei Novara (6. Juni 1513) aus Italien, während sie für sich selbst zu den schon 1508 von Ludwig XII. erhaltenen Vogteien Bellinzona, Pollenza und Riviera noch Lugano, Mendrisio, Locarno, Salmaggia, Bormio, Veltlin und Chiavenna gewannen. Ludwigs XII. Nachfolger, Franz I., besiegte jedoch die Schweizer in der zweitägigen "Riesenschlacht" bei Marignano (13./14. Sept. 1515) und gewährte ihnen einen "ewigen Frieden" (29. Nov. 1516), in welchem sie gegen eine Kriegsentschädigung von 700,000 Kronen auf weitere Einmischung in Italien verzichteten. Ein Bündnis, welches die Eidgenossenschaft (außer Zürich) 1521 mit Frankreich schloß, gestattete diesem gegen Gewährung von Jahrgeldern, Handelsfreiheiten und andern Vorteilen, bis zu 16,000 Mann Söldner in der S. anzuwerben. Damit stellten sich die Eidgenossen ganz in den Dienst des französischen Hofs und verzichteten auf eine selbständige Rolle in der europäischen Politik.

Nachdem 1501 Basel und Schaffhausen als neue Mitglieder dem Bund beigetreten und Appenzell aus einem bloß "zugewandten" Ort zu einem vollberechtigten Bundesglied erhoben worden war, blieb die schweizerische Eidgenossenschaft bis 1798 auf diese 13 Orte beschränkt. Daneben gab es 11 zugewandte Orte, welche teils regelmäßig Gesandte zur Tagsatzung schickten (Socii), wie der Abt von St. Gallen und die Städte St. Gallen, Biel, Mülhausen und Rottweil in Württemberg (1463-1618), teils nur außerordentlicherweise zu derselben zugelassen wurden (Confoederati), wie Gersau, die drei rätischen Bünde, Wallis, Neuenburg, das Stift Engelberg und der Bischof von Basel. Fast jeder Ort hatte sich durch Kauf oder Eroberung ein Unterthanengebiet erworben; außerdem gab es auch Unterthanen mehrerer Orte, die von diesen als gemeine Herrschaften abwechselnd durch Vögte regiert wurden; so gehörten 12 Orten Lugano, Locarno, Mendrisio und Val Maggia, 8, bez. 7 Baden, die Freien Ämter, der Thurgau, Sargans, das Rheinthal, den drei Waldstätten Bellinzona, Pollenza und Riviera; Schwyz und Glarus besaßen Gaster und Uznach, Bern und Freiburg Schwarzenburg, Murten, Orbe, Grandson und Echallens gemeinsam. Erst durch die Unterthanengebiete ward die S. zu einem geschlossenen geographischen Ganzen, und häufig bildeten die gemeinen Vogteien in den nun folgenden Zeiten religiöser Entzweiung das einzige, aber wirksame Band, das die Eidgenossenschaft noch zusammenhielt.

Die Reformationszeit.

In geistiger Beziehung blieb die S. auch nach dem Frieden von Basel mit Deutschland verbunden, und gleichzeitig mit Luther begann Zwingli in Zürich seine reformatorische Thätigkeit. Dieselbe erstreckte sich nicht nur auf die kirchlichen, sondern auch auf die politischen Verhältnisse. Weil Zwingli besonders den Krebsschaden des Reislaufens durch Verbot beseitigen wollte, waren die fünf innern Kantone (Uri, Schwyz, Unterwalden, Luzern und Zug), deren wichtigste Erwerbsquelle der fremde Kriegsdienst und das Pensionen nehmen bildeten, um so weniger gewillt, seine kirchliche Reform anzunehmen, während sie in der äußern S. immer mehr Anklang fand. Durch die Disputation zu Bern (Januar 1528) wurde der Übertritt dieses mächtigen Ortes entschieden, Basel, Schaffhausen, St. Gallen folgten, und in Appenzell, Glarus und Graubünden wurde Glaubensfreiheit verkündet. Da die fünf katholischen Orte ihr numerisches Übergewicht in der Regierung der gemeinen Herrschaften rücksichtslos benutzten, um in denselben die Ausbreitung der Reformation zu verhindern, so plante Zwingli schon eine völlige Umgestaltung der Eidgenossenschaft, welche die Übermacht der kleinen Urkantone beseitigen und Zürich und Bern, die mit ihrem Gebiet zwei Drittel der eidgenössischen Macht bildeten, eine Art Hegemonie einräumen sollte. Ein "christliches Burgrecht", das Zürich 25. Dez. 1527 mit Konstanz schloß, wurde durch den Beitritt Berns, St. Gallens und Mülhausens zum reformierten Sonderbund erweitert, wogegen die fünf katholischen Orte ein Bündnis mit Ferdinand von Österreich eingingen (22. April 1529). Als die Schwyzer einen Züricher Pfarrer, der auf ihrem Gebiet die neue Lehre verkündete, verbrannten, feuerte Zwingli die Züricher zum Krieg an; aber ihr Auszug scheiterte an der Kriegsunlust der Berner, so daß durch die Vermittelung von Glarus 26. Juni 1529 der erste Landfriede von Kappel zu stande kam, der das Bündnis der fünf Orte mit Ferdinand aufhob, gegenseitig Glaubensfreiheit zusicherte und in den gemeinen Herrschaften die Entscheidung in Religionssachen den Gemeinden überließ. Als sich die fünf Orte aber der Züricher Auslegung des Landfriedens, daß auch in ihrem Gebiet die freie Predigt gestattet sein müsse, entschieden widersetzten und deswegen seitens der reformierten Orte eine Lebensmittelsperre über sie verhängt wurde, griffen die fünf Orte zu den Waffen und rückten mit 6000 Mann gegen Kappel, wo ihnen der in Eile zusammengeraffte erste Auszug der Züricher erlag und Zwingli selbst fiel (11. Okt. 1531). Eine zweite Niederlage der Reformierten bei Gubel (24. Okt.) erzeugte unter ihnen Zwietracht und eine solche Entmutigung, daß sie im zweiten Frieden von Kappel (20. Nov. 1531) ihre Sonderbündnisse aufgaben. Die katholischen Orte geboten jetzt der Weiterverbreitung der Reformation Stillstand; ja, sie ging zurück, und die S. zerfiel kirchlich in das zusammenhängende katholische Gebiet der fünf Orte mit Wallis, den freien Ämtern und den italienischen Vogteien, mit Freiburg und Solothurn als vorgeschobenen Posten, in die paritätischen Lande Glarus, Appenzell, Baden, Thurgau, St. Gallen, Rheinthal und Graubünden und in die reformierten Kantone Zürich, Bern, Basel und Schaffhausen. Nur in der Westschweiz machte die Reformation noch größere Fortschritte. Genf, das, um seine Freiheit gegen den Herzog von Savoyen zu verteidigen, 1526 sich mit Bern und Freiburg verbündet hatte, wurde durch Farel der evangelischen Lehre gewonnen und, als hierauf der savoyische Adel die Stadt bedrängte, 1536 durch die Berner befreit, welche gleichzeitig Savoyen die Waadt sowie Gex, Genevois und Chablais entrissen; dadurch wurde Genf dauernd mit der Eidgenossenschaft verbunden. Nun begann Calvin dort seine welthistorische Wirksamkeit, durch die er Genf zum Mittelpunkt einer europäischen Religionsgemeinschaft erhob. Gegen den endgültigen Verzicht auf Waadt erhielt der Herzog von Savoyen im Vertrag von Lausanne (30. Okt. 1564) Gex, Genevois und Chablais zurück; alle Versuche Savoyens, im Bund mit den katholischen Orten sich Genfs wieder zu bemächtigen, waren aber vergeblich, auch der unter dem Namen "Escalade" bekannte Überrumpelungsversuch 12./22. Dez. 1602.

Mit rücksichtsloser Härte wurde sowohl von den reformierten als den katholischen Kantonen die Religionseinheit durchgeführt und die widerstrebenden