Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Schwurgericht; Schwyz

781

Schwurgericht - Schwyz.

Haupt- und Hilfsgeschwornen zusammen. Als Hilfsgeschworne für den Fall der Verhinderung von Hauptgeschwornen sind Personen zu wählen, welche am Sitzungsort des Schwurgerichts oder in dessen nächster Umgebung wohnen. Auf Grund der Jahresliste der Hauptgeschwornen werden für die Sitzungsperiode 30 Geschworne von dem Präsidenten des Landgerichts ausgelost. Auf diesem Weg entsteht die sogen. Spruchliste. Für die Aburteilung des einzelnen Falles wird das S. alsdann durch Auslosung von zwölf Geschwornen gebildet, wobei das Ablehnungsrecht der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten in der Weise wirksam wird, daß jeder von beiden Teilen die Hälfte der möglichen Ablehnungen bewirken, d. h. die Hälfte der Gesamtzahl der Geschwornen abzüglich zwölf, ablehnen kann. Bei ungleicher Anzahl der anwesenden Geschwornen kann der Angeklagte einen mehr ablehnen als der Staatsanwalt. Die zwölf Geschwornen bilden die Geschwornenbank. Der Schwurgerichtshof besteht aus drei Richtern mit Einschluß des Vorsitzenden (Schwurgerichtspräsidenten). Letzterer wird für jede Sitzungsperiode von dem Präsidenten des zuständigen Oberlandesgerichts ernannt. Die Beisitzer bestimmt der Präsident des Landgerichts aus der Zahl der Mitglieder des letztern. Die Geschwornen haben die ihnen am Schluß der Hauptverhandlung vorgelegten Fragen mit Ja oder Nein zu beantworten. Es ist ihnen aber auch gestattet, eine Frage teilweise zu bejahen und teilweise zu verneinen. Zur Leitung ihrer geheimen Beratung und Abstimmung wählen die Geschwornen einen Obmann. Dieser gibt dann im Sitzungszimmer den Wahrspruch kund und zwar in der Form, daß er die Worte spricht: "Auf Ehre und Gewissen bezeuge ich als den Spruch der Geschwornen", hierauf aber die von dem Vorsitzenden gestellten Fragen samt den von den Geschwornen gegebenen Antworten verliest. Zur Verurteilung ist eine Stimmenmehrheit von zwei Dritteln erforderlich. Von den Eigentümlichkeiten des schwurgerichtlichen Verfahrens sind endlich noch zu erwähnen das Eingreifen der sogen. notwendigen Verteidigung und der nach dem Abschluß des Beweisverfahrens und der Parteivorträge stattfindende Schlußvortrag des Schwurgerichtspräsidenten (sogen. Rechtsbelehrung) im Sinn einer Belehrung über die rechtlichen Gesichtspunkte, welche die Geschwornen bei Lösung der ihnen gestellten Fragen in Betracht zu ziehen haben. In Gemäßheit des von ihnen gefällten Wahrspruchs (Verdikts) ergeht dann entweder die Freisprechung oder die Strafverhängung seitens des Schwurgerichtshofs, nachdem die Parteien noch einmal gehört worden sind. Fast alle europäischen Staaten, auch Rußland, haben sich nach und nach für Schwurgerichte entschieden; doch fehlt das S. noch in Holland, Spanien und in den skandinavischen Ländern.

Vgl. Mittermaier, Die öffentliche mündliche Strafrechtspflege u. das Geschwornengericht (Landsh. 1819); Derselbe, Erfahrungen über die Wirksamkeit der Schwurgerichte (Erlang. 1865); Gundermann, Über die Einstimmigkeit der Geschwornen (Münch. 1849); Köstlin, Die Geschwornengerichte, für Nichtjuristen dargestellt (Leipz. 1851); Biener, Das englische Geschwornengericht (das. 1852-55, 3 Bde.); Brunner, Die Entstehung der Schwurgerichte (Berl. 1872); Hye, Über das S. (Wien 1864); Schwarze, Das deutsche S. (Erlang. 1868; die beiden letzten gegen das S.); Heinze, Parallelen zwischen der englischen Jury u. dem deutsch-französischen Geschwornengericht (das. 1864); Derselbe, Ein deutsches Geschwornengericht (das. 1865); Glaser, Zur Juryfrage (Wien 1864); Meyer, That- u. Rechtsfrage im Geschwornengericht (Berl. 1860); v. Bar, Recht und Beweis im Geschwornengericht (Hann. 1865); Pollwein, Hilfsbuch für den Geschwornendienst (Nördling. 1885); Schmidt, Das schwurgerichtliche Verfahren (Bresl. 1887).

Schwyz, einer der drei schweizer. Urkantone und der vier Waldstätte, grenzt östlich an den Kanton Glarus, südlich an Uri und (durch den Vierwaldstätter See) an Unterwalden, westlich an Luzern und Zug, nördlich an Zürich und St. Gallen und hat einen Flächenraum von 908 qkm (16,4 QM.). Der Kanton ist Voralpenland, zur einen Hälfte, nämlich im sogen. Inner-S., Reußgebiet, zur andern Hälfte, in Außer-S., Limmatgebiet, so daß die Thäler von Inner-S. zum Vierwaldstätter und Zuger, diejenigen von Außer-S. zum Zürichsee sich öffnen. Die Wasserscheide zwischen beiden Hälften bildet ein alpiner Bergzug, der vom wilden Wiggis (2284 m), mit dem Muttriberg beginnend, über den Drusberg (2281 m) und die beiden Mythen (1903 und 1815 m) zum Hochstock, Morgarten, Kaiserstock, Roßberg (1582 m) zieht, im Zuger Berg zahm ausläuft und so den Zentralkörper der Schwyzer Alpen darstellt. Zentrum von Inner-S. ist das Thal von S., wo sich von der einen Seite das Thal des Goldau-Lowerzer Sees, von der andern das Muotathal öffnet und in sanftem Abfall zum Seeufer sich senkt. Dieses Thalganze wird vom Wäggiser und Gersauer Becken des Vierwaldstätter Sees durch die Nagelfluhpyramide des Rigi (1800 m), vom urnerischen Schächenthal durch die Kette des Kinzigkulm (Windgelle 2759 m) getrennt. Außer-S. zerfällt in zwei getrennte Thalsysteme durch den Bergzug des Fluhbrig (2095 m) und Aubrig (1702 m), der erst am Hochetzel (1102 m), wo ihn die Pässe des Etzel (960 m) und der Schindellegi (832 m) überschreiten, mildere Formen annimmt. Zwischen diesem Zug und den Glarner Bergen ist das von der Aa durchflossene Wäggithal eingebettet, dem am Zürichsee zunächst die breite Ebene der March, weiterhin das enge Halbthal der Höfe vorliegt. Das andre Thalsystem ist Sihlgebiet, aus mehreren Quellthälern in das Plateau von Einsiedeln (909 m) auslaufend, um sich sofort, am Hochrohnen (1232 m) vorbei, zur langen Waldschlucht des untern Sihllaufs zu verengern. Eine fahrbare Verbindung von Außer- und Inner-S. führt über den Sattel (900 m), während der 1393 m hohe Haken (Einsiedeln-Schwyz) nur Fußpfad ist. Ein holperiger Übergang ist der 1543 m hohe Pragel, der das Muotathal mit dem Glarner Klönthal verbindet. Das Klima ist im allgemeinen dasjenige des Schweizer Voralpenlandes, milder in den tiefen Flußthälern und an den Seeufern, wo z. B. Gersau im Jahresmittel 10° erreicht, rauh in den höhern Berggemeinden, wie in Iberg (1126 m) und noch in Einsiedeln (5,2° Jahresmittel).

Die Bevölkerung, (1888) 50,396 Köpfe stark, ist ein echt alemannischer Schlag. Die Schwyzer haben sich oft als die Führer der Urschweiz bewiesen. Diesen Vorrang verdanken sie ihrer "unbedingten Freiheitsliebe, Energie und ihrem historisch gefärbten Patriotismus". Die Patrizier erwarben sich in fremdem Kriegsdienst Vermögen; durchschnittlich aber ist der Wohlstand gering, in einigen Thälern herrscht wirkliche Armut. Das Volk ist lebhaft und sehr bildungsfähig. Die Schwyzer sind durchaus katholisch und zwar der Diözese Chur zugeteilt; außer dem berühmten Benediktinerstift Einsiedeln gibt es noch 2 Kapuziner- und 4 Frauenklöster mit über 600 Ordensmitgliedern. Entsprechend der voralpinen Natur des