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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Serbien

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Serbien (Geschichte bis 1842).

stieg darauf den Thron von S.; er kämpfte mit den Griechen gegen die Türken, eroberte 1369 Thessalonich, verlor aber 1371 gegen den türkischen Sultan Murad I. an der Maritza Schlacht und Leben; sein Sohn Marko Kraljewitsch unterwarf sich den Siegern. Nun bestieg der Knes Lasar (Lazar) den Thron und vertrieb mit Hilfe der Bosnier und Albanesen die Türken, verlor aber 15. Juni 1389 gegen Murad durch die Verräterei seines Eidams Wuk Brankowitsch die Schlacht auf dem Amselfeld, auf der Hochebene von Pristina, und fiel im Kampf, mit ihm ein großer Teil des serbischen Adels. Sultan Bajesid teilte das Land zwischen Lasars Sohn Stephan und Wuk Brankowitsch, die beide den Türken Tribut zahlen und Heeresfolge leisten mußten. Letzterm folgte 1425 sein Neffe Georg Brankowitsch in der Herrschaft, der ein Bündnis mit den Ungarn schloß und das türkische Joch abzuschütteln versuchte. Von Sultan Murad besiegt und vertrieben, erhielt er durch die Siege des Johannes Hunyadi und durch den Frieden von Szegedin 1444 sein Land zurück. 1458 überschwemmte Sultan Mohammed II. das Land von neuem und machte der Herrschaft der serbischen Fürsten ein Ende; eine Menge der angesehensten Familien wurde völlig ausgerottet, andre flüchteten sich nach Ungarn, 200,000 Menschen wurden als Sklaven weggeführt und das Land in eine türkische Provinz verwandelt. Manche Bojaren nahmen den Islam an. Da jedoch die Türken das Land stets nur militärisch besetzten und nie das Landbesitztum in Anspruch nahmen, so retteten die Serben die Eigentümlichkeit ihres Charakters, ihre Sprache und ihre Sitten und bewahrten sich, wenigstens der Mehrzahl nach, ihre Religion und die Erinnerung an ihre Heldenzeit.

Durch den Frieden von Poscharewatz (21. Juli 1718) kam S. mit dem Banat und dem größten Teil von Bosnien an Österreich; aber der Übermut der österreichischen Offiziere und Beamten erstickte die Sympathien für die christliche Herrschaft, und in dem für Karl VI. so unglücklichen Krieg von 1738 bis 1739 trugen die Serben sogar wesentlich zur Wiederherstellung des türkischen Regiments bei. Dieses lohnte aber durch die Grausamkeiten aufrührerischer Janitscharen ihre Anhänglichkeit so schlecht, daß zur Zeit des von Katharina II. und Joseph II. 1788-90 unternommenen Kriegs gegen die Türken die Serben sich für Österreich erhoben. 1804 veranlaßte der Druck, den die türkischen Befehlshaber und die Janitscharen ausübten, sogar einen Aufstand in S., an dessen Spitze der tapfere Czerny Georg (Karadjordje) stand. Eine Reihe glücklicher Gefechte befreite das Land von den Janitscharen, und 23. Febr. 1807 wurde Belgrad erstürmt. Die auf Czerny Georg eifersüchtigen Häuptlinge riefen Rußlands Einmischung in S. an. Dasselbe versprach den Serben seinen Schutz, wenn sie seine Oberherrschaft anerkennen würden. Dessen weigerte sich das freie Volk und schlug in den Feldzügen von 1809 und 1810 die von Osten und Westen über die Morawa und Drina vordringenden Türken fast ohne russische Unterstützung zurück. Russische Ränke aber brachten es dahin, daß im Frieden von Bukarest (28. Mai 1812) nur nichtssagende Stipulationen für S.: allgemeine Amnestie, eigne innere Verwaltung, dagegen Tributpflichtigkeit und Übergabe der Festungen an den Sultan, enthalten waren. Anstatt der Amnestie gewährten die Türken Auswanderung aller Mißvergnügten; mit den Festungen forderten sie alle Waffen und Kriegsvorräte; außerdem verlangten sie Aufnahme der vertriebenen Osmanen und Wiedereinsetzung derselben in den alten Besitz. Drei türkische Heere, die 1813 unter dem Oberbefehlshaber Khurschid Pascha auf drei Seiten über die Donau, Morawa und Drina in das Land einbrachen, unterstützten diese Forderungen. Czerny Georg ließ sich verleiten, seine Kräfte zu vereinzeln, und so wurden sie von den Türken nacheinander aufgerieben. Sein Übertritt auf österreichisches Gebiet 15. Okt. 1813 hatte die völlige Auflösung der serbischen Streitmacht zur Folge. Nur Milosch Obrenowitsch setzte mit einer kleinen Schar 1815 den Kampf fort, und sein Sieg auf der Ebene der Matschwa über die unter Ali Pascha aus Bosnien eingedrungenen Türken entschied die Unabhängigkeit Serbiens.

Nachdem Czerny Georg bei seiner Rückkehr ins Land durch Meuchelmörder gefallen, ward Milosch Obrenowitsch 6. Nov. 1817 zu Belgrad in einer Versammlung aller Knese und der vornehmsten Geistlichen des Landes zum Fürsten von S. ausgerufen und von den Türken anerkannt. Der türkisch-russische Vertrag von Akjerman (1826), welcher durch den Frieden von Adrianopel (14. Sept. 1829) bestätigt wurde, verbürgte den Serben freie Wahl ihrer Oberhäupter, unabhängige Gerichtsbarkeit, vollkommen freie innere Verwaltung, eigne Erhebung der Steuern bei fest bestimmtem Tribut. Durch Bestechung wußte sich Milosch 31. Aug. 1830 in Konstantinopel einen Berat (Lehnsbrief) zu verschaffen, der ihn als erblichen Fürsten der Serben bestätigte. Die beiden Hattischerifs vom 6. Juni und 4. Dez. 1834 erledigten die letzten mit der Pforte noch obschwebenden Differenzen, indem sie sechs von S. losgerissene Distrikte zurückgaben, den von S. an die Pforte zu zahlenden Tribut festsetzten und den Aufenthalt der Türken auf Belgrad beschränkten. Gestützt auf seine Momken (bewaffneten Begleiter), regierte Milosch fortan mit solcher grausamen Willkür, daß Anfang 1835 unter Führung der beiden angesehensten Serben, Avram Petroniewitsch und Thomas Wutschitsch, ein Aufstand ausbrach, infolge dessen sich Milosch 8. Febr. zur Anerkennung einer ihm vorgelegten Verfassung verstehen mußte. Der Diwan ersetzte dieselbe jedoch durch das sogen. organische Statut (Ustav) von 1838, das weder die Volkswünsche noch den Fürsten befriedigte. An die Stelle der Volksversammlung trat jetzt ein Senat mit ausgedehnten Rechten. Milosch beschwor diese Verfassung, aber er hielt sie nicht, und als der Senat von ihm eine Rechnungsablage über Landesgelder verlangte, die er verschwendet hatte, schickte er seine Garden gegen denselben; doch mußten diese in der Nähe von Belgrad, bei dem Kloster Rakowitsch, vor Wutschitsch die Waffen strecken. Am 13. Juni 1839 dankte Milosch hierauf notgedrungen zu gunsten seines Sohns Milan ab, und am 15. verließ er mit seinem Sohn Michael das Land. Da Milan schon 8. Juli starb, ernannte die Pforte dessen Bruder Michael zum Nachfolger, setzte ihm aber eine Regentschaft zur Seite. Fürst Michael bewies sich ebenso unfähig wie tyrannisch, und als er sich beigehen ließ, die Eichelmast zu besteuern, brach eine Volkserhebung der Nationalpartei aus, und Michael sah sich 7. Sept. 1842 genötigt, mit seinem Gefolge auf österreichisches Gebiet überzutreten. Eine 14. Sept. bei Belgrad zusammenberufene Volksversammlung wählte darauf den Sohn Czerny Georgs, Alexander Karageorgiewitsch, einstimmig zum Fürsten, und 14. Nov. erhielt derselbe die Bestätigung von seiten der Pforte; doch gestand ihm dieselbe nur den Titel eines Basch-Beg, d. h. Oberherrn, zu und legte ihm mehrere mit den frühern Verträgen in Widerspruch stehende Beschrän-^[folgende Seite]