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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Sparta

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Sparta (Geschichte).

Staat wachte über Einfachheit in dem Bau und der Einrichtung der Häuser, über die Kleidung, über die Zucht der Frauen, selbst über die Musik. Die Männer (immer je 15) mußten sich, um jeden Luxus im Essen zu verhindern, zu gemeinsamen einfachen Mahlzeiten (Pheiditien oder Syssitien) vereinigen. Die Ehe war geboten, und es fand öffentliche Anklage statt gegen die, welche gar nicht, spät oder unpassend sich verehelichten. Eine kinderlose Ehe wurde gar nicht als solche angesehen, sondern ihre Auflösung vom Staat verlangt. Mißgestaltete und schwächliche Kinder wurden, nachdem sie den Ältesten des Geschlechts vorgezeigt worden waren, in den Schluchten des Taygetos ausgesetzt, d. h. als Periökenkinder erzogen, während Kinder von Periöken und Heloten, wenn sie spartiatische Erziehung genossen und von einem Spartiaten adoptiert waren, mit Erlaubnis der Könige in die Doriergemeinde aufgenommen werden konnten; dieselben hießen Mothaken. Durch das Übergewicht der dorischen Spartiaten wurde Lakonien erst zu einem dorischen Staat gemacht. Das gesteigerte Stammesgefühl traf zusammen mit der nur auf kriegerische Tüchtigkeit und Thatkraft gerichteten Lebensordnung, um den Eroberungsgeist in den Spartanern zu erwecken und zu nähren.

Der erneuerte Kampf mit den alten Einwohnern hatte die völlige Unterwerfung derselben zur Folge. Durch Grenzstreitigkeiten entstanden die Kriege mit Messenien (s. d.), die mit der Unterjochung dieses Landes endigten. Langwierige Kriege hatte S. mit Arkadien zu führen. Erst um 600 v. Chr. gewannen die Spartaner die Oberhand und zwangen Tegea zur Anerkennung ihrer Hegemonie, die sich damals bereits über den größten Teil des Peloponnesos erstreckte. Die Olympischen Spiele waren das gemeinschaftliche Fest der unter Spartas Oberhoheit vereinigten Staaten. Mit Klugheit und Umsicht waren die Spartaner darauf bedacht, durch Erhaltung der alten staatlichen Ordnungen in den Nachbarländern, namentlich durch Bekämpfung der Tyrannis, ihren politischen Einfluß zu befestigen, und wurden hierbei von der delphischen Priesterschaft unterstützt. Beim Beginn der Perserkriege scharte sich ganz Griechenland um die Spartaner, welche den Oberbefehl führten, aber sich in denselben wenig Ruhm erwarben; aus Eifersucht auf Athen nahm S. am Kampf bei Marathon nicht teil, und nur gezwungen schlug es die Schlacht bei Salamis; sein Glanzpunkt war die Aufopferung des Leonidas und seiner Dreihundert bei den Thermopylen. Die Fortführung des Kampfes in größerm Maßstab und die Gründung eines großen hellenischen Gemeinwesens unter spartanischer Hegemonie vertrug sich nicht mit der auf strenge Abgeschlossenheit berechneten Verfassung Spartas. So überließ es, wenn auch von Neid erfüllt, die Führung der Griechen im Seekrieg den kühnern thatkräftigern Athenern, zumal es von innern Erschütterungen heimgesucht wurde. Einen Aufstand der Arkadier und der mit diesen verbündeten Argiver dämpfte S. zwar glücklich; aber ein Aufstand der Messenier (464-455) lähmte des Staats Kraft im Innern und zwang ihn sogar, bei Athen Hilfe zu suchen. Als S. ein Hilfskorps, welches Kimon von Athen 461 zuführte, schimpflich zurückschickte, entstand offener Bruch zwischen beiden Staaten. Um den Athenern im Norden ein Gegengewicht zu beschaffen, stellte S. durch den Sieg bei Tanagra 457 Thebens Hegemonie in Böotien her. Die Schlacht bei Önophyta vernichtete aber diese wieder, und 450 ward unter dem Einfluß friedfertig gesinnter Staatsmänner ein fünfjähriger Waffenstillstand und 445 ein 30jähriger Friede zwischen Athen und S. geschlossen, in welchem beide Staaten sich den Besitz ihrer Hegemonie garantierten. Der tiefer liegende Gegensatz jedoch zwischen dem ionischen und dem dorischen, dem demokratischen und aristokratischen Element sowie der Neid der auf Athens Macht und Blüte eifersüchtigen Verbündeten Spartas, namentlich Korinths und Thebens, ließen es zu keiner dauernden Versöhnung kommen, und im Peloponnesischen Krieg (431-404) fand der schroffe Gegensatz seinen Ausdruck. S. ging aus demselben als Sieger und scheinbar mächtiger hervor, als es je zuvor gewesen war. Alle frühern Bundesgenossen Athens waren ihm zugefallen; aber im Innern geschwächt und durch Beseitigung weiser Gesetze der Grundlagen seiner Verfassung beraubt, verstand es nicht, den gewonnenen Besitz mit Mäßigung und Klugheit zu behaupten. Gewalt und Treulosigkeit waren die Grundsätze der Politik eines Lysandros und Agesilaos. Überall wurden unter Spartas bewaffnetem Schutz oligarchische Verfassungen eingerichtet, die feindlichen Parteien mit blutiger Gewalt unterdrückt. Ein Hauptziel der spartanischen Politik war die Wiedergewinnung der kleinasiatischen Küste, welche im Peloponnesischen Krieg den Persern preisgegeben worden war. Deshalb unterstützten die Spartaner den jüngern Kyros gegen Artaxerxes und sandten 399 Thimbron, dann Derkyllidas und zuletzt Agesilaos mit Heeresmacht nach Kleinasien. Aber die glänzenden Erfolge des letztern vermochten nicht, die Stellung Spartas im Mutterland zu sichern. Auf Anstiften der Perser verbündeten sich Athen, Theben, Korinth, Argos u. a. gegen S., und es entstand 395 der sogen. Korinthische Krieg (s. d.), den S. durch den mit Persien vereinbarten Antalkidischen Frieden (387) beendete. Es gab die kleinasiatischen Griechen den Barbaren preis und hoffte, durch das Verbot aller Bünde zwischen griechischen Staaten seine Herrschaft dauernd zu begründen. Es zwang Theben, seine Städte freizugeben, Argos, seine Besatzung aus Korinth zurückzuziehen, und schaltete im Peloponnes als unumschränkter Herr. Die Besetzung der Kadmeia in Theben (382) führte jedoch den Sturz von Spartas unwürdiger Gewaltherrschaft herbei. Theben erkämpfte sich 379 seine Freiheit und die Hegemonie über Böotien wieder. In dem Kampf, den S. nunmehr gegen Athen und Theben unternahm, verlor es an ersteres seine Herrschaft zur See, und die Schlacht bei Leuktra (371) erschütterte auch seine Macht zu Lande für immer. Epameinondas verwüstete 369 Lakonien, vernichtete seine Hegemonie über den Peloponnes, machte Messenien selbständig und brachte so S. an den Rand des Verderbens, aus dem es auch der Tod des Epameinondas nicht erretten konnte.

Die von Lykurg gegebene Verfassung war im Lauf der Zeit untergraben worden, und der Verkehr mit dem üppigen Persien und dem asiatischen Griechenland hatte verderbend auf die einheimische Sitte eingewirkt. S. wurde eine der reichsten Städte Griechenlands. Infolge der immerwährenden Kriege sank aber die Zahl der männlichen Bevölkerung, und zur Zeit des Aristoteles stellte es nicht viel über 1000 Hopliten. Wenn dieser Stand der Bevölkerung von selbst die Vermögensgleichheit aufheben mußte, so wurde diese Störung noch mehr gefördert durch das Gesetz des Ephoren Epitadeus, welches durch Schenkung oder Testament frei über das Ackerlos zu verfügen gestattete. Die Verfassung ging allmählich in eine engherzige, selbstsüchtige Oligarchie über. Im Innern krank und seiner Bundesgenossen beraubt,