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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Spiritus

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Spiritus (Verarbeitung der Maische).

trichterförmigen Boden der anhängenden Schnecke zugeführt und im Zerkleinerungsapparat vermahlen. Die Bewegung ist eine so lebhafte, daß die im Bottich befindliche Maische in eine starke Rotation versetzt wird. Die innere Wandfläche ist mit Rippen versehen, und wenn die Maischekühlung beabsichtigt wird, werden außer der Wandkühlung noch Kühlröhren angewendet.

Kein Zweig der Spiritusfabrikation hat in der neuern Zeit so bedeutende Fortschritte gemacht wie die Verarbeitung des Maises in den Hochdruckapparaten. Man bringt die ganzen Körner in den Henzedämpfer, welcher auf 100 kg Mais 130-200 kg Wasser enthält, kocht bei offenem Mannloch unter lebhafter Bewegung des Maises eine Stunde lang, schließt dann das Mannloch, dämpft wieder eine Stunde unter steigendem Druck, zuletzt eine Viertelstunde bei wenigstens drei Atmosphären und bläst endlich unter diesem Druck aus. Soll der Mais mit Kartoffeln verarbeitet werden, so maischt man ihn, nachdem er abgekühlt ist, für sich ein, verteilt ihn mit der erforderlichen Hefe auf zwei oder drei Gärbottiche und setzt die Kartoffelmaische zu. Auch Roggen wird jetzt in ganzen Körnern im Henzedämpfer verarbeitet. Während bei dem alten Verfahren durchschnittlich 18,7 Proz. Stärke unvergoren blieben, betrug der Verlust bei Hollefreund 6,9, bei Bohm 7,2, bei Henze, bei Ellenberger 4,6-6,6 Proz. 1 kg Stärkemehl gibt theoretisch 71,7 Literprozent (s. unten) Alkohol; da jedoch thatsächlich nur 94 Proz. dieser Menge in Rechnung gezogen werden können, so ergeben sich als erreichbarer Maximalbetrag nur 67,4 Literproz. In der Praxis erhielt man nach dem alten Verfahren 45,3 Proz., nach Henze 48,4, nach Hollefreund 50,5 und nach Bohm 53,8 Proz.

Verarbeitung der Maische.

Die verzuckerte Maische muß so schnell wie möglich auf die zum Hefengeben und zum Einleiten der Gärung erforderliche Temperatur (12-17°) abgekühlt werden. Dies geschah früher auf Kühlschiffen, flachen Gefäßen von solcher Größe, daß die Maische darin nur eine dünne Schicht bildet, deren Abkühlung noch durch Umrühren und starken Luftwechsel befördert wird. In neuerer Zeit wendet man häufiger kaltes Wasser und Eis in Oberflächen- oder Röhrenkühlern oder in Rührwerken mit hohlen Schaufeln an. In dem oben erwähnten Lacambreschen Maischcylinder wird kaltes Wasser durch den Zwischenraum b geleitet, während das Rührwerk in Thätigkeit ist. In dem Kühlapparat von Hentschel (Textfigur 2) wird die durch den Fülltrichter a in den Kühltrog c c einfallende Maische von der sich drehenden kupfernen Spirale e erfaßt und der Ausgangsöffnung k zugeführt. Das Kühlwasser tritt durch das Rohr m in die Hohlwelle d, aus dieser in die Spirale e und fließt bei k wieder ab. Um auch die Wandungen des Trogs für eine möglichst vollkommene Kühlung nutzbar zu machen, ist der Trog doppelwandig und wird durch das Rohr l in den Hohlraum Wasser geleitet. Ein kleinerer Teil des austretenden Kühlwassers bewirkt schließlich auch noch eine innere Kühlung der Hohlwelle d. Die wasserführende Spirale ist aus einzelnen Scheiben hergestellt, die nur teilweise eintauchen und daher auch eine Kühlung durch Verdunstung bewirken.

Die auf die eine oder die andre Weise erhaltenen gärungsfähigen Flüssigkeiten, d. h. im wesentlichen Traubenzuckerlösungen von passender Verdünnung und Temperatur, sollen nunmehr unter dem Einfluß der Hefe so zersetzt werden, daß der Zucker möglichst vollständig in entweichende gasförmige Kohlensäure und zurückbleibenden, in der Flüssigkeit als Lösung zu erhaltenden Alkohol zerfällt. Am einfachsten setzt man den Maischen die als Nebenprodukt andrer Gewerbe (Bierbrauerei) erhaltene Oberhefe oder in besondern Gewerben bereitete Hefe (Bierhefe, Branntweinhefe, Preßhefe) zu. Nicht immer aber ist dieselbe in der erforderlichen Menge und Beschaffenheit zu erhalten, und es ist daher in denjenigen Ländern, in welchen die Steuergesetze kein Hindernis bilden, allgemein an Stelle derselben die Kunst- oder Maischhefe (s. Kunsthefe) getreten. Dieses Verfahren ist in Deutschland und Österreich allgemein sowohl in Melasse- als in Getreide- und Kartoffelbrennereien üblich, obwohl in der Art der Herstellung und Fortführung dieser Nebenmaische sehr vielfach verschiedene Methoden befolgt werden. Dagegen wird in Frankreich und Belgien fast nur Bier- oder Preßhefe benutzt. Man rechnet auf 100 kg 1 bis 2 Lit. breiige Hefe oder 0,75-1 kg Preßhefe. In allen Fällen wird die Gärung der Hauptmaische in großen hölzernen, meist offenen Gefäßen, Bottichen, bewirkt, und man sucht es so einzurichten, daß sie möglichst energisch und vollständig und in derjenigen Zeitdauer (in 1-3 Tagen) verläuft, welche unter den bestehenden Steuergesetzen als die vorteilhafteste erscheint. Die Temperatur steigt dabei bedeutend und dient ebenso wie die Abnahme der Dichtigkeit (infolge der stattfindenden Zersetzung des Zuckers) als ein Erkennungsmittel für den Verlauf und die Beendigung der Gärung. Die durch die Gärung erzielte alkoholhaltige Flüssigkeit, die weingare Maische, enthält außer Alkohol verschiedene Mengen fremder Stoffe, von denen der Alkohol getrennt werden muß. Diese fremden Bestandteile rühren teils von dem Rohmaterial her, welches ja nicht reiner Zucker war und also nicht völlig in Alkohol oder Kohlensäure übergeführt werden kann, teils sind es Nebenprodukte der Gärung selbst. Der Gehalt an reinem Weingeist beträgt durchschnittlich 5-10 Proz. Denselben in konzentrierter Gestalt und frei von den übrigen Bestandteilen der Maische zu erhalten, ist der Zweck der Destillation (s. d.), des Abtreibens oder Abbrennens. Reines Wasser kocht bei 100° C., reiner Alkohol bei 78,3°. Der Siedepunkt

^[Abb.: Fig. 2. Kühlapparat von Hentschel]