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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Stärke

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Stärke (natürliches Vorkommen, Chemisches; Gewinnung).

selnde Größe und erscheinen kugelig, oval, linsen- oder spindelförmig, mitunter, wie im Milchsaft der Euphorbien, auch stabartig mit angeschwollenen Enden, in andern Fällen durch gegenseitigen Druck polyedrisch. Nicht selten treten mehrere Körner zu einem abgerundeten Ganzen zusammen (zusammengesetzte Stärkekörner). Im Wasser liegende Stärkekörner lassen eine deutliche Schichtung (Fig. 1a) erkennen, welche dadurch hervorgerufen wird, daß um eine innere, weniger dichte Partie, den sogen. Kern, Schichten von ungleicher Lichtbrechung schalenartig gelagert sind; der Kern liegt nur bei kugeligen Körnern genau im Mittelpunkt, meist ist er exzentrisch, und die ihn umgebenden Schichten haben dem entsprechend ungleiche Dicke. Die Schichtung wird durch verschiedenen Wassergehalt und entsprechend verschiedene Lichtbrechung der Schichten verursacht, weshalb auch trockne oder in absolutem Alkohol liegende Körner ungeschichtet erscheinen. In polarisiertem Licht zeigen alle Stärkekörner ein helles, vierarmiges Kreuz, dessen Mittelpunkt mit dem Schichtungszentrum zusammenfällt, und verhalten sich demnach so, als wenn sie aus einachsigen Kristallnadeln zusammengesetzt wären. Mit Jodlösung färben sich je nach Konzentration derselben die Stärkekörner mit wenigen Ausnahmen indigoblau bis schwarz, eine Reaktion, durch welche sich auch sehr geringe Stärkemengen in Gewebeteilen nachweisen lassen. In kaltem Wasser sind die Körner unlöslich, quellen aber in warmem Wasser auf und lösen sich zuletzt beim Kochen auf. Nach Einwirkung von Speichel oder von verdünnten Säuren bleibt ein substanzärmeres Stärkeskelett zurück, das sich mit Jod nicht mehr blau, sondern violett oder gelb färbt, so daß die Annahme zweier verschiedener Substanzen (von Nägeli als Granulose und Cellulose bezeichnet) naheliegt; jedoch scheint die Annahme einer unter diesen Umständen eintretenden Umwandlung der S. in Amylodextrin wahrscheinlicher. Die S. tritt in den verschiedenartigsten Geweben aller Pflanzen mit Ausnahme der Pilze und einiger Algen (Diatomeen und Florideen) auf; bei letztern wird sie jedoch durch eine ähnliche Substanz (Florideenstärke) vertreten, welche sich mit Jod gelb oder braun färbt und direkt aus dem Zellplasma hervorgeht. Auch im Zellinhalt von Euglena kommen stärkeähnliche, mit Jod jedoch sich nicht färbende Körner (Paramylon) vor. Endlich tritt in den Epidermiszellen einiger höherer Pflanzen eine mit Jod sich blau oder rötlich färbende Substanz in gelöster Form (lösliche S.) auf. In allen übrigen Fällen ist das Auftreten der S. in der beschriebenen Körnerform die Regel. Sehr reich an S. sind die als Stoffmagazine dienenden Gewebe der Samen, Knollen, Zwiebeln und Rhizome sowie die Markstrahlen und das Holzparenchym im Holzkörper der Bäume. Diese Reservestärke unterscheidet sich durch ihre Großkörnigkeit von der feinkörnigen, im assimilierenden Gewebe auftretenden S. (s. Ernährung der Pflanzen). Die Bildung der S. erfolgt entweder innerhalb der Chlorophyllkörner und andrer Farbstoffkörper, oder sie entsteht aus farblosen Plasmakörnern, den Leukoplasten oder Stärkebildnern. Die letztern treten besonders in solchen chlorophyllfreien Geweben auf, in welchen die Assimilationsprodukte in Reservestärke übergeführt werden, wie in vielen stärkemehlhaltigen Knollen; in diesen werden die kleinen Stärkekörner von den Leukoplasten fast ganz eingehüllt, während letztere den großen, exzentrisch gebauten Stärkekörnern nur einseitig aufsitzen. Bei vielen Chlorophyllalgen, z. B. bei Spirogyra, treten die Stärkemehlkörner an besondern Bildungsherden im Umkreis von plasmatischen Kernen (Pyrenoiden) auf. Das Wachstum der anfangs ganz winzigen Stärkekörner erfolgt durch Einlagerung neuer Stärkemoleküle zwischen die schon vorhandenen (Intussuszeption), während die zusammengesetzten Stärkekörner sich durch nachträgliche Verschmelzung und Umlagerung mit neuen Schichten bilden. Die Auflösung der S. im Innern der Pflanzenzelle kommt vorzugsweise durch Einwirkung von Fermenten zu stande, welche der Diastase des keimenden Getreidekorns ähnlich sind. Im Leben der Pflanze liefert die S. das Material für den Aufbau der Zellwand. - Auch in chemischer Beziehung steht das Stärkemehl C6H10O5^(C_{6}H_{10}O_{5}) in naher Verwandtschaft zu andern Kohlehydraten, wie der Cellulose, den Zuckerarten, dem Dextrin u. a. Die Umwandlung in Dextrin und Zucker erfolgt besonders leicht durch Behandlung der S. mit verdünnten Säuren, Diastase, Speichel, Hefe und andern Fermenten. Bei 160° geht die S. in Dextrin über, mit konzentrierter Salpetersäure bildet sie explosives Nitroamylum (Xyloidin), mit verdünnter Salpetersäure gekocht, Oxalsäure. Beim Erhitzen mit Wasser quillt die S. je nach der Abstammung bei 47-57°, die Schichten platzen, und bei 55-87° (Kartoffelstärke bei 62,5°, Weizenstärke bei 67,5°) entsteht Kleister, welcher je nach der Stärkesorte verschiedenes Steifungsvermögen besitzt (Maisstärkekleister größeres als Weizenstärkekleister, dieser größeres als Kartoffelstärkekleister) und sich mehr oder weniger leicht unter Säuerung zersetzt.

Man gewinnt S. aus zahlreichen, sehr verschiedenen Pflanzen, von denen Weizen, Kartoffeln, Reis (Bruchreis aus den Reisschälfabriken) und Mais besonders wichtig sind. Wichtige Objekte des Handels sind außerdem: Sago, Marantastärke (Arrowroot), brasilische Maniokstärke, ostindische Kurkumastärke und Kannastärke, letztere beiden ebenfalls als Arrowroot im Handel. Zur Darstellung der Kartoffelstärke werden die Kartoffeln, welche etwa 75 Proz. Wasser, 21 Proz. S. und 4 Proz. andre Substanzen enthalten, auf schnell rotierenden Cylindern, die mit Sägezähnen besetzt sind, unter Zufluß von Wasser möglichst fein zerrieben, worauf man den Brei, in welchem die Zellen möglichst vollständig zerrissen, die Stärkekörner also bloßgelegt sein sollen, aus einem Metallsieb, auf welchem ein Paar Bürsten langsam rotieren, unter Zufluß von Wasser auswäscht. Bei größerm Betrieb benutzt man kontinuierlich wirkende Apparate, bei denen der Brei durch eine Kette allmählich über ein langes, geneigt liegendes Sieb transportiert und dabei ausgewaschen und das

^[Abb.: Fig. 1. Formen von Stärkemehlkörnern aus der Kartoffel: a mit einem Kern, b mit zwei Kernen. Fig. 2. Verschiedene Formen der Stärkemehlkörner: links aus der Roggenfrucht, daneben ein zusammengesetztes Korn aus dem Stempel der Sassaparille, bei b und c aus dem Milchsaft von Euphorbia splendens.]