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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Stärke

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Stärke (Gewinnung aus Kartoffeln, Weizen, Reis, Mais).

auf den schon fast erschöpften Brei fließende Wasser, welches also nur sehr wenig Stärkemehl aufnimmt, auch noch auf frischen Brei geleitet wird. Der ausgewaschene Brei (Pülpe) enthält 80-95 Proz. Wasser, in der Trockensubstanz aber noch etwa 60 Proz. S. und dient als Viehfutter, auch zur Stärkezucker-, Branntwein- und Papierbereitung; das Waschwasser hat man zum Berieseln der Wiesen benutzt, doch gelang es auch, die stickstoffhaltigen Bestandteile des Kartoffelfruchtwassers für die Zwecke der Verfütterung zu verwerten. Da die Pülpe noch sehr viel S. enthält, so zerreibt man sie wohl zwischen Walzen, um alle Zellen zu öffnen, und wäscht sie noch einmal aus. Nach einer andern Methode schneidet man die Kartoffeln in Scheiben, befreit sie durch Maceration in Wasser von ihrem Saft und schichtet sie mit Reisigholz oder Horden zu Haufen, in welchen sie bei einer Temperatur von 30-40° in etwa acht Tagen vollständig verrotten und in eine lockere, breiartige Masse verwandelt werden, aus welcher die S. leicht ausgewaschen werden kann.

Das von den Sieben abfließende Wasser enthält die Saftbestandteile der Kartoffeln gelöst und S. und feine Fasern, die durch das Sieb gegangen sind, suspendiert. Man rührt es in Bottichen auf, läßt es kurze Zeit stehen, damit Sand und kleine Steinchen zu Boden fallen können, zieht es von diesen ab, läßt es durch ein feines Sieb fließen, um gröbere Fasern zurückzuhalten, und bringt es dann in einen Bottich, in welchem sich die S. und auf derselben die Faser ablagert. Die obere Schicht des Bodensatzes wird deshalb nach dem Ablassen des Wassers entfernt und als Schlammstärke direkt verwertet oder weiter gereinigt, indem man sie auf einem Schüttelsieb aus feiner Seidengaze, durch deren Maschen die S., aber nicht die Fasern hindurchgehen, mit viel Wasser auswäscht. Die Hauptmasse der S. wird im Bottich wiederholt mit reinem Wasser angerührt und nach jedesmaligem Absetzen von der obern unreinen S. befreit. Man kann auch die rohe S. mit Wasser durch eine sehr schwach geneigte Rinne fließen lassen, in deren oberm Teil sich die schwere reine S. ablagert, während die leichtern Fasern von dem Wasser weiter fortgeführt werden. Sehr häufig benutzt man auch innen mit Barchent ausgekleidete Zentrifugalmaschinen, in welchen sich die schwere S. zunächst an der senkrechten Wand der schnell rotierenden Siebtrommel ablagert, während die leichte Faser noch im Wasser suspendiert bleibt. Das Wasser aber entweicht durch die Siebwand, und man kann schließlich die S. aus der Zentrifugalmaschine in festen Blöcken herausheben, deren innere Schicht die Faser bildet. Die feuchte (grüne) S., welche etwa 33-45 Proz. Wasser enthält, wird ohne weiteres auf Dextrin und Traubenzucker verarbeitet, für alle andern Zwecke aber auf Filterpressen oder auf Platten aus gebranntem Gips, die begierig Wasser einsaugen, auch unter Anwendung der Luftpumpe entwässert und bei einer Temperatur unter 60° getrocknet. Man bringt sie in Brocken oder, zwischen Walzen zerdrückt und gesiebt, als Mehl in den Handel. Bisweilen wird die feuchte S. mit etwas Kleister angeknetet und durch eine durchlöcherte eiserne Platte getrieben, worauf man die erhaltenen Stengel auf Horden trocknet. Um einen gelblichen Ton der S. zu verdecken, setzt man ihr vor dem letzten Waschen etwas Ultramarin zu.

Weizenstärke wird aus weißem, dünnhülsigem, mehligem Weizen dargestellt. Derselbe enthält etwa 58-64 Proz. S., außerdem namentlich etwa 10 Proz. Kleber und 3-4 Proz. Zellstoff, welcher hauptsächlich die Hülsen des Korns bildet. Die Eigenschaften des Klebers bedingen die Abweichungen der Weizenstärkefabrikation von der Gewinnung der S. aus Kartoffeln. Nach dem Halleschen oder Sauerverfahren weicht man den Weizen in Wasser, zerquetscht ihn zwischen Walzen und überläßt ihn, mit Wasser übergossen, der Gärung, die durch Sauerwasser von einer frühern Operation eingeleitet wird und namentlich Essig- und Milchsäure liefert, in welcher sich der Kleber löst oder wenigstens seine zähe Beschaffenheit so weit verliert, daß man nach 10-20 Tagen in einer siebartig durchlöcherten Waschtrommel die S. abscheiden kann. Das aus der Trommel abfließende Wasser setzt in einem Bottich zunächst S., dann eine innige Mischung von S. mit Kleber und Hülsenteilchen (Schlichte, Schlammstärke), zuletzt eine schlammige, vorwiegend aus Kleber bestehende Masse ab. Diese Rohstärke wird ähnlich wie die Kartoffelstärke gereinigt und dann getrocknet, wobei sie zu Pulver zerfällt oder, wenn sie noch geringe Mengen Kleber enthält, die sogen. Strahlenstärke liefert, die vom Publikum irrtümlich für besonders rein gehalten wird. - Nach dem Elsässer Verfahren wird der gequellte Weizen durch aufrechte Mühlsteine unter starkem Wasserzufluß zerquetscht und sofort ausgewaschen. Das abfließende Wasser enthält neben S. viel Kleber und Hülsenteilchen und wird entweder der Gärung überlassen und dann wie beim vorigen Verfahren weiter verarbeitet, oder direkt in Zentrifugalmaschinen gebracht, wo viel Kleber abgeschieden und eine Rohstärke erhalten wird, die man durch Gärung etc. weiter reinigt. Die bei diesem Verfahren erhaltenen Rückstände besitzen beträchtlich höhern landwirtschaftlichen Wert als die bei dem Halleschen Verfahren entstehenden; will man aber den Kleber noch vorteilhafter verwerten, so macht man aus Weizenmehl einen festen, zähen Teig und bearbeitet diesen nach etwa einer Stunde in Stücken von 1 kg in einem rinnenförmigen Trog unter Zufluß von Wasser mit einer leicht kannelierten Walze. Hierbei wird die S. aus dem Kleber ausgewaschen und fließt mit dem Wasser ab, während der Kleber als zähe, fadenziehende Masse zurückbleibt (vgl. Kleber).

Reis enthält 70-75 Proz. S. neben 7-9 Proz. unlöslichen, eiweißartigen Stoffen, welche aber durch Einweichen des Reises in ganz schwacher Natronlauge großenteils gelöst werden. Man zerreibt den Reis alsdann auf einer Mühle unter beständigem Zufluß schwacher Lauge, behandelt den Brei in einem Bottich anhaltend mit Lauge und Wasser, läßt kurze Zeit absetzen, damit sich gröbere Teile zu Boden senken, und zieht das Wasser, in welchem reine S. suspendiert ist, ab. Aus dem Bodensatz wird die S. in einem rotierenden Siebcylinder durch Wasser ausgewaschen, worauf man sie durch Behandeln mit Lauge und Abschlämmen vom Kleber befreit. Die zuerst erhaltene reinere S. läßt man absetzen, entfernt die obere unreine Schicht, behandelt das übrige auf der Zentrifugalmaschine und trocknet die reine S.

Mais weicht man vier- bis fünfmal je 24 Stunden in Wasser von 35°, wäscht ihn und läßt ihn dann durch zwei Mahlgänge gehen. Das Mehl fällt in eine mit Wasser gefüllte Kufe mit Flügelrührer und gelangt aus dieser auf Seidengewebe, welches nur die grobe Kleie zurückhält. Die mit der S. beladenen, durch das Gewebe hindurchgegangenen Wasser gelangen in Tröge, dann durch zwei feine Gewebe und endlich auf wenig geneigte, 80-100 m lange Schiefertafeln, auf welchen sich die S. ablagert. Das abfließende, nur noch Spuren von S. enthaltende Wasser über-^[folgende Seite]