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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Steinschönau; Steinsetzungen; Steintanz; Steinthal

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Steinschönau - Steinthal.

Schambeine und der Falte des die Blase überziehenden Bauchfells. Üble Umstände während dieser Operation und nach derselben sind besonders: Verletzung und heftige Entzündung des Bauchfells, Infiltration des Harns in das Zellgewebe, Abscesse, Brand. Ausgeführt wird derselbe besonders bei Knaben und bei sehr großen Steinen, die sich auf den andern Wegen nicht herausbefördern lassen. Der Seitensteinschnitt, ebenfalls von Franco erfunden und gegenwärtig am meisten üblich, charakterisiert sich im allgemeinen dadurch, daß im Damm ein Einschnitt gemacht wird, welcher sich von der linken Seite der Naht des Hodensackes gegen das Sitzbein herzieht, darauf der häutige Teil der Harnröhre geöffnet und der Blasenhals, die Prostata und selbst ein Teil des Blasenkörpers eingeschnitten werden. Die Methode des Steinschnitts durch den Mastdarm, von L. Hoffmann vorgeschlagen, besteht darin, daß ein Bistouri durch den Mastdarm eingeführt, die vordere Wand des Mastdarms und der äußere Sphinkter des Afters sowie dann auf der eingeführten Steinsonde der Blasenhals und die Prostata eingeschnitten und der Stein durch die Zange entfernt wird. Geringere Lebensgefahr, nicht gefährliche Blutung, Möglichkeit der Entfernung großer Steine gelten als Vorzüge, das Zurückbleiben einer Kot- und Urinfistel und Impotenz als Nachteile dieser Methode. Der S. kommt bei Weibern ungemein viel seltener vor als bei Männern; einmal, weil Steine bei jenen überhaupt viel seltener sind, anderseits, weil nicht zu große Steine bei ihnen durch die kurze, gerade und sehr dehnbare Harnröhre leicht abgehen oder doch ausgezogen oder zerstückelt (s. unten) werden können. Beim Weib wird der Schnitt entweder unterhalb des Schoßbogens mit Einschneidung der Harnröhre und des Blasenhalses oder unterhalb der Schoßfuge ohne Verletzung der Harnröhre geführt, oder es wird die Harnblase von der Scheide aus oder endlich oberhalb des Schoßbodens, wie beim Mann, geöffnet. - Denselben Zweck wie mit dem S. sucht man mit der Steinzermalmung (Steinzertrümmerung, Lithotritie, Lithotripsie) zu erreichen. Hierbei werden mittels in die Harnblase eingebrachter Werkzeuge die Steine zerstückelt, so daß sie mit dem Urin abgehen. Dieses Verfahren, schon früher vorgeschlagen, wurde von Gruithuisen (1813), Amussat (1821), Civiale (1824), Heurteloup (1832) und Charrière durch Erfindung passender Instrumente in Aufnahme gebracht. Hauptmethoden sind: die jetzt obsolete Perforation oder Anbohrung des Steins mittels eines in die Harnröhre einzuführenden, aus drei ineinander passenden Teilen bestehenden Instruments (Lithotritor), die lithoklastische Methode (Lithotripsie), welche bloß zerdrückend und zermalmend wirkt und bei nicht sehr harten Steinen angewendet wird, und die Perkussion, die durch Stoß und Schlag wirkt, indem man mit einem zweiarmigen Instrument, welches geschlossen in die Harnröhre eingeführt, durch Zurückziehen des einen Arms geöffnet und dann wieder vermittelst eines Hammers geschlossen wird, den Stein faßt und zu zerdrücken sucht. Die Lithotritie ist zwar nicht so verletzend wie der S., befreit aber den Kranken meist erst nach mehreren Operationsversuchen von seinem Übel. Sie ist daher zu beschränken auf weichere und namentlich kleinere Blasensteine bei jüngern Individuen mit sonst gesunden Harnorganen, während große und harte Steine bei ältern Personen und sonstigen, die an Blasenkatarrh, Nierenreizung etc. leiden, dem S. anheimfallen.

Steinschönau, Marktflecken in der böhm. Bezirkshauptmannschaft Tetschen, an der Flügelbahn Böhmisch-Kamnitz-S. der Böhmischen Nordbahn, ein Hauptsitz der böhmischen Glasindustrie, mit Fachschule, zahlreichen Glasraffinerien, bedeutendem Export, Möbelfabrik und (1880) 4410 Einw.

Steinsetzungen, aus einzelnen oder mehreren Steinen bestehende Denkmäler, die in vorgeschichtlicher, zum Teil auch noch in geschichtlicher Zeit zur Erinnerung an gewisse Ereignisse oder zum Gedächtnis der Toten errichtet wurden. Man unterscheidet Menhirs (maen, men, keltisch = Stein, hir = lang) und Cromlechs (crom, keltisch = gekrümmt, lech = Stein) oder Steinkreise, Steinringe. Die Menhirs sind einzelne, senkrecht gestellte, meist sehr große (bis 19 m), nicht oder grob behauene Monolithen. Bisweilen finden sich mehrere Menhirs auf beschränktem Raum und in geordneter Stellung, wie auf dem Heerberg bei Beckum in Westfalen und bei Carnac in der Bretagne, wo sich eine Gruppe aus unbehauenen Steinen, von denen der größte 7,5 m hoch ist, in elf Reihen etwa 3 km weit hinzieht. Die Menhirs bezeichnen oft die Stelle eines Grabes oder einer gemeinsamen Begräbnisstätte der Vorzeit; sie werden in der Ilias und in der Bibel erwähnt, manche aber gehören der historischen Zeit an, wie das Denkmal an die Schlacht bei Largs in Schottland dem 13. Jahrh. Häufig bilden Reihen von Menhirs die Seitenwände von Gängen, welche zur Grabkammer der Dolmen oder in das Innere prähistorischer Grabhügel führen. Über die Steinkreise s. Cromlech. Auf den Menhirs wie auf den Felsblöcken der Cromlechs finden sich hier und da Inschriften (Striche, Kreise, Spiralen etc.), von denen aber nur sehr wenige entziffert werden konnten; auch ist zweifelhaft, ob diese Inschriften mit den S. gleichalterig sind oder einer spätern Zeit angehören. Ausgrabungen in unmittelbarer Nähe der S. haben Stein-, Bronze-, Eisen-, Knochen- und Horngeräte, Thonscherben, Münzen aus frühgeschichtlicher Zeit zu Tage gefördert. Mit den Menhirs und Cromlechs werden die Dolmen (s. d.) als megalithische Denkmäler zusammengefaßt. S. Tafel "Kultur der Steinzeit".

Steintanz, s. Gräber, prähistorische.

Steinthal, Landstrich im Unterelsaß, Kreis Molsheim, in den Vogesen zu beiden Seiten der Breusch, mit den Orten Rothau, Waldersbach und Fouday, ehedem eine unfruchtbare, öde und arme Gegend, jetzt durch die Bemühungen des Pfarrers Oberlin (s. d.) in einen gewerbthätigen und wohlhabenden Distrikt umgewandelt.

Steinthal, Heymann, Sprachphilosoph und Linguist, geb. 16. Mai 1823 zu Gröbzig im Anhaltischen, studierte in Berlin seit 1843 Philologie und Philosophie und habilitierte sich 1850 an der dortigen Universität, wo er über allgemeine Sprachwissenschaft und Mythologie Vorträge hielt. 1852-55 verweilte er zum Behuf chinesischer Sprach- und Litteraturstudien in Paris; seit 1863 ist er außerordentlicher Professor der allgemeinen Sprachwissenschaft zu Berlin, wo er seit 1872 auch an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums Religionsphilosophie und Religionsgeschichte lehrt. Von Steinthals sprachwissenschaftlichen Werken, die sich im allgemeinen an die von W. v. Humboldt begründete philosophische Behandlung der Sprache anschließen, sind als die bedeutendsten zu nennen: "Der Ursprung der Sprache im Zusammenhang mit den letzten Fragen alles Wissens" (Berl. 1851, 4. erweiterte Aufl. 1888); die "Klassifikation der Sprachen, dargestellt als die Entwicke-^[folgende Seite]