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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Strafrechtstheorien; Strafregister

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Strafrechtstheorien - Strafregister.

Code pénal in seiner Technik so eng angeschlossen wie das preußische vom 14. April 1851, das nach 1866 und 1867 auch in den neueinverleibten Landesteilen zur Geltung gelangte. Der Periode von 1848 bis 1870 gehören außerdem folgende Strafgesetzbücher an: Nassau 1849, Thüringen (nebst Anhalt, aber ohne Altenburg) 1850, Oldenburg 1858, Bayern 1861, Lübeck 1863, Hamburg 1869. In einigen wenigen Ländern (Mecklenburg, Bremen, Schaumburg-Lippe, Kurhessen) hatte sich das alte gemeine Recht im Gerichtsgebrauch erhalten. Schon 1848 erkannte man allgemein das Willkürliche der strafgesetzlichen Zersplitterung in Deutschland; die Grundrechte verordneten ein einheitliches deutsches Strafgesetzbuch, und auch der erste deutsche Juristentag in Berlin erklärte auf v. Kräwels Antrag die Strafrechtseinheit für notwendig. In die norddeutsche Bundesverfassung ging dieser nationale Wunsch als Verfassungsartikel über. Auf der äußerlichen Grundlage des preußischen Strafgesetzbuchs von 1851 ruhend, entstand alsdann das ehemalige norddeutsche Strafgesetzbuch vom 31. Mai 1870, das demnächst nach Begründung des Kaisertums in veränderter Redaktion als deutsches Reichsstrafgesetzbuch vom 15. Mai 1871 noch einmal publiziert ist, seit 1. Jan. 1872 in ganz Deutschland gilt und auch im Reichsland eingeführt wurde.

Nicht alles S. ist für Deutschland einheitlich geordnet. Neben dem Reichsstrafrecht besteht ein Landesstrafrecht innerhalb derjenigen Materien, die von Reichs wegen nicht geordnet wurden oder der Gesetzgebung der einzelnen Staaten ausdrücklich überlassen blieben. Im großen und ganzen trägt das Reichsstrafgesetzbuch den Grundzug der Milde, die hauptsächlichsten Mängel des preußischen Strafgesetzbuchs sind beseitigt. Solange jedoch das vom Reichstag erforderlich erachtete Strafvollzugsgesetz fehlt, bleibt die strafrechtliche Einheit unvollständig. Einzelnen fühlbaren Mißgriffen des Strafgesetzbuchs hat die Strafrechtsnovelle vom 26. Febr. 1876 abgeholfen. Ein Militärstrafgesetzbuch ist 20. Juni 1872 für das Deutsche Reich erlassen. Der Entwurf eines österreichischen Strafgesetzbuchs und das ungarische von 1878 schließen sich dem deutschen an. Gegenwärtig gilt in Österreich noch das Strafgesetzbuch vom 27. Mai 1852. Neuere Strafgesetzbücher sind die der schweizerischen Kantone Zürich (1871), Genf (1874), Schwyz (1881) u. a., das Strafgesetzbuch der Niederlande (1881), Belgien (1867), Dänemark (1866), Schweden (1864), Island (1869), Ungarn (1878), Bosnien (1881), Rußland (1866), Spanien (1870), Rumänien (1864) und Serbien (1860). In England fehlt ein Strafgesetzbuch.

[Litteratur.] Unter den ältern Lehrbüchern des deutschen Strafrechts sind die Werke von Feuerbach, Grolman, Mittermaier, Wächter, Heffter und Abegg hervorzuheben. Neuere Lehrbücher von Berner (15. Aufl., Leipz. 1888), Hugo Meyer (4. Aufl., Erlang. 1886), Schütze (2. Aufl., Leipz. 1874), v. Bar (Bd. 1, Berl. 1882), v. Lißt (2. Aufl., das. 1884) und v. Wächter (Vorlesungen, Leipz. 1881). Vgl. auch v. Holtzendorff, Handbuch des deutschen Strafrechts in Einzelbeiträgen (verschiedene Verfasser, Berl. 1871-77). Kommentare des Reichsstrafgesetzbuchs von Oppenhoff (11. Aufl., Berl. 1888), Schwarze (5. Aufl., Leipz. 1884), Olshausen (2. Aufl., Berl. 1886, 2 Bde.), Rüdorff (13. Aufl., das. 1885) u. a. Grundrisse zu Vorlesungen von Binding (3. Aufl., Leipz. 1884), Geyer (Münch. 1884 f.) u. a. Herbst, Handbuch des österreichischen Strafrechts (7. Aufl., Wien 1883, 2 Bde.); Janka, Österreichisches S. (Prag 1884); Nypels, Le droit pénal français progressif et comparé (Par. 1864). Zeitschriften: "Der Gerichtssaal" (seit 1874 verschmolzen mit der von v. Holtzendorff seit 1861 herausgegebenen "Allgemeinen deutschen Strafrechtszeitung"); Goltdammers "Archiv für preußisches (und seit 1871 auch für deutsches) S."; "Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft" (seit 1881); "Rivista penale di dottrina, legislazione e giurisprudenza" (seit 1874). Die Entscheidungen des deutschen Reichsgerichts in Strafsachen werden unter dem Titel: "Rechtsprechung des deutschen Reichsgerichts in Strafsachen" von den Mitgliedern der Reichsanwaltschaft herausgegeben.

Strafrechtstheorien, s. Strafrecht, S. 363.

Strafregister (Strafliste), das amtliche Verzeichnis der in dem Bezirk der Registerbehörde ergehenden gerichtlichen Verurteilungen. Wird dann aus diesem allgemeinen S. ein Auszug angefertigt, enthaltend die Bestrafungen einer einzelnen bestimmten Person, so erhält man die Strafliste (das Strafregister, Strafverzeichnis) ebendieser Person. Ein solches S. ist für die rechtliche Beurteilung einer Person vielfach von großer Wichtigkeit. Für das Deutsche Reich ist jetzt durch Verordnung des Bundesrats vom 16. Juni 1882 die Führung von Strafregistern allgemein vorgeschrieben (vgl. "Zentralblatt für das Deutsche Reich", S. 309). In diese S., welche nach bestimmten Formularen zu führen sind, werden alle durch richterliche Strafbefehle, polizeiliche Strafverfügungen, Strafurteile der bürgerlichen Gerichte, einschließlich der Konsulargerichte, sowie durch Strafurteile der Militärgerichte ergehenden rechtskräftigen Verurteilungen eingetragen und zwar wegen eigentlicher Verbrechen und Vergehen sowie wegen folgender Übertretungen: Bruch der Polizeiaufsicht oder der Ausweisung aus dem Reichsgebiet, Landstreicherei, Bettelei, das strafbare Verhalten derjenigen Personen, welche sich dem Spiel, dem Trunk oder dem Müßiggang dergestalt hingeben, daß sie in einen Zustand geraten, in welchem zu ihrem Unterhalt oder zum Unterhalt derjenigen, zu deren Ernährung sie verpflichtet, durch Vermittelung der Behörde fremde Hilfe in Anspruch genommen werden muß, gewerbsmäßige Unzucht unter Verletzung polizeilicher Vorschriften, Arbeitsscheu der aus öffentlichen Armenmitteln Unterstützten und selbstverschuldete Obdachlosigkeit. Ausgenommen sind die Verurteilungen in den auf Privatklage verhandelten Sachen, in Forst- und Feldrügesachen, wegen Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften über Erhebung öffentlicher Abgaben und Gefälle und wegen gewisser militärischer Verbrechen und Vergehen. In die S. sind ferner die Beschlüsse der Landespolizeibehörden über die Unterbringung verurteilter Personen in ein Arbeitshaus oder deren Verwendung zu gemeinnützigen Arbeiten, desgleichen die aus dem Ausland eingehenden Mitteilungen über dort erfolgte Verurteilungen einzutragen. Bezüglich derjenigen Verurteilten, deren Geburtsort nicht zu ermitteln oder außerhalb des Reichsgebiets gelegen ist, wird das S. bei dem Reichsjustizamt in Berlin geführt, während im übrigen die Registerführung den zuständigen Behörden bezüglich aller Personen obliegt, deren Geburtsort im Bezirk derselben gelegen ist. Diese Behörden sind in Preußen und in den meisten übrigen deutschen Staaten die Staatsanwalte bei den Landgerichten, in Bayern und in Bremen die Amtsanwalte, in Sachsen und Baden die Amtsgerichte, in Württemberg die Ortsvorstände jeder Gemeinde und in Elsaß-Lothringen die Gerichtsschreibereien der Landgerichte. Die Auf-^[folgende Seite]