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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Thermia - Thermochemie.

Vgl. "Le terme dei Romani" (Zeichnungen von Palladio, hrsg. von Scamozzi, Vicenza 1785); Canina, L'architettura romana, Bd. 1; Overbeck, Pompeji (4. Aufl., Leipz. 1884); Marquardt, Privatleben der Römer, Bd. 1 (2. Aufl., das. 1886).

Thermia ^[Thermiá] (das alte Kythnos), griech. Insel im Ägeischen Meer, zu den Kykladen gehörig, 76 qkm (1,38 QM.) groß, gebirgig, aber wohl angebaut, mit (1879) 2923 Einw., die vorliegend Seeleute oder Weinbauer sind. Die Hauptstadt Kythnos, im Zentrum der Insel, ist Sitz eines griechischen Bischofs, hat einen Hafen und (1879) 1523 Einw. An der Nordostküste befinden sich mehrere hauptsächlich salzsaure Soda und Magnesia enthaltende Quellen von 40-55° C., von denen die Insel ihren modernen Namen hat.

Thermidor (auch Fervidor, franz., "Hitzemonat"), der elfte Monat im franz. Revolutionskalender, vom 19. Juli bis 17. Aug. Merkwürdig ist der 9. T. des Jahrs II (27. Juli 1794), an welchem Robespierre gestürzt ward, dessen Gegner sich deshalb Thermidoristen nannten.

Thermik (griech.), Lehre von der Wärme (s. d.).

Thermische Anomalie, s. Isanomalen.

Thermobarograph, s. Meteorograph.

Thermobarometer, s. Barothermometer.

Thermo-cautère (griech.-franz., spr. -kotähr), s. v. w. Paquelinscher Brennapparat.

Thermochemie (griech.), die Lehre von den durch chemische Prozesse bedingten Wärmeerscheinungen. Die neuere Physik lehrt bekanntlich, daß der Wärmezustand eines Körpers bedingt werde durch die Art der Bewegung der kleinsten Massenteilchen, der Moleküle. Je schneller sich diese Teilchen bewegen, je größer ihre lebendige Kraft ist, um so wärmer erscheint uns der Körper, dem sie angehören; je geringer dagegen die Geschwindigkeit der Moleküle ist, um so weniger Wärme wird der Körper zu enthalten scheinen. Mithin muß, wenn durch irgendwelche äußere Einwirkung oder innere Veränderung die Bewegung der Moleküle in einem beliebigen Massensystem geändert wird, auch der Wärmezustand dieses Systems eine Veränderung erleiden. Wenn sich zwei isolierte Gasatome, die sich vollkommen unabhängig voneinander bewegen, zu einem Molekül vereinen, so werden bedeutende Bewegungsgrößen zerstört, da die früher frei beweglichen Atome durch die chemische Verbindung gezwungen sind, sich innerhalb bestimmter Grenzen zu bewegen. Der scheinbare Wärmeinhalt des Systems wird also nach der Vereinigung der beiden Atome ein geringerer sein, es wird während der Vereinigung Wärme nach außen abgegeben. Mithin wird bei der chemischen Vereinigung zweier Atome stets Wärme frei. Zur Trennung der chemisch vereinten Atome ist die Anziehungskraft zu überwinden, welche die Atome zwingt, sich innerhalb bestimmter Grenzen zu bewegen; den Atomen ist eine so lebhafte Bewegung mitzuteilen, daß sie sich voneinander losreißen, sich unabhängig voneinander bewegen können. Es wird also bei der Zersetzung einer chemischen Verbindung Wärme von außen zugeführt werden müssen, es wird Wärme gebunden werden und zwar genau so viel, wie bei der Entstehung der betreffenden Verbindung frei geworden war. Da nun aber bei der Entstehung einer chemischen Verbindung um so mehr Wärme frei wird, je größer die durch die Affinität zerstörten oder richtiger in Wärme verwandelten Bewegungsgrößen der Elementaratome oder nähern Bestandteile der fraglichen Verbindung waren, so gibt die frei werdende Wärmemenge ein relatives Maß der bei der Entstehung der fraglichen Verbindung sich bethätigenden Verwandtschaftskräfte ab, vorausgesetzt, daß nicht anderweitige physikalische oder chemische Vorgänge, welche sich neben der eigentlichen Reaktion abspielen, von Wärmeerscheinungen begleitet sind. Das letztere ist nun gewöhnlich der Fall, so daß die thermochemischen Daten nur mit Vorsicht als Maß für die chemischen Verwandtschaftskräfte zu benutzen sind. Wenn bei der Vereinigung von Wasserstoff und Chlor zu gasförmiger Chlorwasserstoffsäure 22 Kal. entwickelt werden, so ist diese Wärmeentwickelung nicht durch die bei der Vereinigung der beiden Gase in Frage kommende Affinität allein bedingt, sondern es kommen noch andre Faktoren in Betracht. Der Prozeß ist nicht: H+Cl==HCl, sondern: H2+Cl==2HCl, d. h. es müssen erst die Wasserstoff- und die Chlormoleküle in die diskreten Atome zerlegt werden, ehe die letztern sich zu Chlorwasserstoff vereinigen können. Die oben angeführte Wärmetönung gibt also die Bildungswärme des Chlorwasserstoffs, vermindert um die Zersetzungswärme der Wasserstoff- und der Chlormoleküle. Aus dem Umstand, daß jede Wärmetönung, wie sie durch die direkte Beobachtung gegeben wird, als eine Differenz angesehen werden muß, ergibt sich auch die Erklärung für die sonst schwerverständliche Thatsache, daß viele Verbindungen unter Wärmeabsorption entstehen. Nichtsdestoweniger haben die thermochemischen Daten als relatives Maß der bei einem chemischen Prozeß zum Ausgleich kommenden Affinitäten ihren hohen Wert. Man darf eben nur auf solche Prozesse bezügliche Zahlen direkt miteinander vergleichen, welche analog verlaufen und Produkte von analoger Konstitution liefern, so daß man eine annähernde Gleichheit der sekundären Wärmeerscheinungen annehmen kann. Die letztern werden sich dann bei der Differenzierung aufheben.

Es gibt eine Reihe wichtiger chemischer Prozesse, deren Verlauf teils wegen der Langsamkeit der Reaktion, teils wegen der geringen Beständigkeit der dabei entstehenden Produkte und aus ähnlichen Gründen keiner genauen thermischen Untersuchung unterzogen werden kann. Will man nun dennoch einen Aufschluß über die durch derartige Prozesse bedingten Wärmeerscheinungen erhalten, so muß man mittels Rechnungsoperationen aus anderweitigen Versuchsdaten erschließen, was die direkte Beobachtung nicht ergeben kann. Die Handhabe für diese Rechnungen bietet der sogen. zweite Hauptsatz der T., welcher aussagt, daß, wenn ein System einfacher oder zusammengesetzter Körper unter bestimmten äußern Umständen und Bedingungen chemische und, wie wir gleich hinzusetzen können, physikalische Veränderungen erleidet, die dabei auftretende Wärmeabsorption oder Emission allein von dem Anfangszustand und dem Endzustand des Systems abhängig ist und dieselbe bleibt, welches immer die Beschaffenheit und die Aufeinanderfolge der Zwischenzustände sei. Es geht daraus hervor, daß, wenn ein System von zwei verschiedenen Anfangszuständen zu demselben Endzustand oder von einem und demselben Anfangszustand zu zwei verschiedenen Endzuständen übergeführt wird, die Differenz der diesen beiden Prozessen entsprechenden Wärmetönungen diejenige Wärmetönung ergibt, welche dem Übergang des Systems aus dem einen Anfangs-, bez. Endzustand in den andern entspricht. Die Affinitätskräfte beruhen auf der Zerstörung von Bewegungsgrößen oder richtiger auf ihrer Verwandlung in Wärme. Jedes bewegte Massensystem strebt aber dem Zustand des stabilen Gleichgewichts zu, und das Gleichgewicht ist am stabilsten, wenn das System den größtmöglichen Verlust an lebendiger Kraft er-^[folgende Seite]