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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Trachytpechstein - Traduzianismus.

hervorrufen. Es gibt Trachyt, welcher fast nur aus Sanidin (Sanidintrachyt, Sanidinit) mit wenig Hornblende, Glimmer und Oligoklas besteht. Tritt der letztere Bestandteil, namentlich als Einsprengling, mehr hervor, so unterscheidet man die Varietät als Oligoklas-Sanidintrachyt. Andre Varietäten (Augittrachyte) führen Augit. Die Grundmasse der T. besteht nach der mikroskopischen Untersuchung aus denselben Mineralien, welche auch mikroskopisch beobachtbar sind, dazu Glassubstanz, Magneteisen, wohl auch Tridymit, der aber besonders häufig als Auskleidung der Hohlräume auftritt. Quarzfreie T. kommen sowohl als Laven, in historischen Zeiten geflossen, wie auch als solche älterer Vulkane (Siebengebirge, Westerwald, Rhön, Monte Olibano bei Neapel u. a. O.) vor. Hierher gehören auch die Auswürflinge (Lesesteine) des Laacher Sees, die sich durch ihren Reichtum an accessorischen Bestandteilen (Nephelin, Hauyn, Nosean, Titanit, Olivin, Zirkon, Saphir, Spinell etc.) auszeichnen. Als Trümmergesteine der T. treten Trachytkonglomerate, Trachytbreccien und Trachyttuffe auf. Zu letztern zählen unter andern die opalführenden Gesteine von Kaschau in Ungarn, die Bimssteintuffe Ungarns und der Auvergne, der Traß (Duckstein) vom Niederrhein, die Puzzolane und der Pausilipptuff von Neapel, die Tosca von Teneriffa, sämtlich zur Herstellung von hydraulischen Mörteln geeignet. Auch der Alaunstein (Alunit, s. d.) ist ein Zersetzungsprodukt trachytischer Gesteine. Der Verwitterung gegenüber verhalten sich die T. je nach physikalischer Beschaffenheit und je nach der Natur der Bestandteile äußerst verschiedenartig. Während die glasigen Modifikationen den Atmosphärilien einen hartnäckigen Widerstand entgegenstellen, sind die weniger geschlossenen hinfälliger und zerfallen schließlich zu einer vom Kaolin oft wenig verschiedenen Masse, gewöhnlich noch mit Sanidinsplittern untermengt. T. dienen oft als Baumaterialien, die quarzführenden und porösen als Mühlsteine (Mühlsteinporphyr); die Tuffe werden zur Herstellung hydraulischer Mörtel und zu feuerfesten Mauerungen (Backofenstein) benutzt.

Trachytpechstein, Gestein, in mineralogischer und chemischer Hinsicht mit Pechstein (s. d.), der glasartigen Modifikation des Porphyrs, identisch, genetisch aber nicht mit Porphyr, sondern mit den jüngern (tertiären) Trachyten zu vereinen. Die Pechsteine Ungarns, der Euganeen, der vulkanischen Gebiete Frankreichs und Islands gehören hierher.

Tracieren (franz., spr. traßieren), s. Trace.

Tractus (lat.), Kanal, Gang, z. B. T. alimentarius, Verdauungskanal.

Tractus cantus (lat., "gezogener", d. h. langsamer, Gesang), der Gesang der römischen Kirche, welcher in der Fastenzeit und bei andern Trauerfesten der Kirche im Choralgesang an Stelle des (ursprünglich jubelnd vorgetragenen) Halleluja tritt.

Trade (engl., spr. trehd), Handel, Gewerbe; Trade-dollar, Silberdollar (Handelsmünze); Trade-mark, Fabrikzeichen; Trade-sales, im englischen Buchhandel Versteigerung von Auflageresten.

Traders (engl., spr. trehders, "Händler"), im brit. Nordamerika Pelzhändler im Dienste der Hudsonbaikompanie, zugleich untere Verwaltungsbeamte.

Tradescantĭa L., Gattung aus der Familie der Kommelinaceen, krautartige Pflanzen, von denen T. guianensis Miq., aus Mittelamerika, mit langen, hängenden Zweigen, eiförmigen, zugespitzten, stengelumfassenden Blättern und selten erscheinenden, weißen Blüten als Ampelpflanze, zur Bildung eines grünen Grundes in Terrarien, Gewächshäusern und im Zimmer kultiviert wird und auch als Vogelfutter benutzt werden kann. T. zebrina hort., der vorigen ähnlich, aber mit braunen, weiß gestreiften Blättern, ist etwas empfindlicher. T. discolor Sm., aus Brasilien, mit dickem, aufrechtem Stengel, lanzettförmigen, oben grünen, unten violetten Blättern und weißen Blüten, gedeiht auch im Zimmer. T. virginica L., 60-80 cm hoch, mit linienlanzettförmigen Blättern und violettblauen Blüten in dichten Dolden, wird in Gärten als Zierpflanze kultiviert.

Trades' Unions (engl., spr. trehds juhnjöns), s. Gewerkvereine.

Tradition (lat.), Überlieferung, Übergabe. In der Rechtswissenschaft versteht man unter T. die Übertragung des Besitzes an einer Sache seitens des bisherigen Besitzers (Tradent) an einen andern. Soll durch die T. das Eigentum an der zu übergebenden Sache auf den Empfänger übergehen, so ist es nötig, daß dem Tradenten selbst das Eigentum daran zusteht, da niemand mehr Recht auf einen andern übertragen kann, als er selbst hat. Erfolgt die Übertragung des Eigentumsbesitzes an den dermaligen Inhaber (natürlichen Besitzer) der Sache, so spricht man von einer Traditio brevi manu (s. Besitz). Bei Grundstücken sind an die Stelle der T., welche nach älterm deutschen Rechte durch symbolische Handlungen erfolgte (s. Effestukation), die gerichtliche Auflassung (s. d.) und der Grundbuchseintrag getreten.

T. bezeichnet ferner die der geschriebenen Geschichte entgegengesetzte, nur durch die mündliche Überlieferung auf die Nachwelt gelangende Kunde, insbesondere die jüdischen und christlichen Satzungen und Lehren, die nicht in der Bibel schriftlich fixiert sind, sich aber durch mündliche Überlieferung in Synagoge und Synedrion (s. d.) oder in der Kirche erhalten und fortgepflanzt haben. Die Sicherheit dieser T., deren sich die römisch-katholische Kirche nicht nur zur Begründung von Lehren, geschichtlichen Thatsachen und Gebräuchen, sondern auch zur Rechtfertigung der hergebrachten Schriftauslegung bedient, weshalb eine dogmatische, rituelle, historische und hermeneutische T. unterschieden wird, wurde von den Reformatoren angefochten, welche höchstens die T. der ersten christlichen Jahrhunderte beachtet, aber auch diese der Heiligen Schrift untergeordnet wissen wollten. Dagegen setzte die römisch-katholische Kirche auf dem Konzil von Trient die T. ausdrücklich der Schrift als ebenbürtig an die Seite, und Gleiches ist auch die Voraussetzung der griechischen Dogmatik, während die protestantische Dogmatik der T. nur insofern eine prinzipielle Bedeutung beilegen kann, als sie für ihre Aussagen sich nicht bloß auf die in der Heiligen Schrift unmittelbar bezeugte Glaubenserfahrung der ersten Generationen der werdenden Christenheit zurückzubeziehen, sondern auch die ganze Glaubenserfahrung der geschichtlich gewordenen Christenheit kritisch in sich aufzunehmen und dabei besonders die grundlegende, symbolbildende Epoche des Protestantismus selbst zu berücksichtigen hat. Vgl. Weiß, Zur Geschichte der jüdischen T. (Wien 1871-76); Holtzmann, Kanon und T. (Ludwigsb. 1859).

Traditionell (franz.), durch Tradition (s. d.) überkommen.

Tradĭtor (lat.), Überlieferer, Auslieferer (besonders der Heiligtümer bei den Christenverfolgungen unter Diokletian); im Festungswesen der in den Kehlgraben vorspringende Teil von Kehlreduits in Forts, zur Kehlbestreichung dienend.

Traduzianismus (lat.), die in der Dogmatik im