Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Traubenkraut; Traubenkur; Traubenmade; Traubenöl; Traubensäure; Traubenvitriol

805

Traubenkraut - Traubenvitriol.

reich nach dem südlichen Europa, nach der Schweiz und Deutschland. Die Krankheit besteht in dem Auftreten eines weißen, dünnen, meltauartigen Überzugs auf braun werdenden Flecken der Blätter und der Zweige des Weinstocks (vgl. Tafel "Pflanzenkrankheiten", Fig. 16), später auf den jungen Beeren. An letztern wird dadurch die Epidermis ebenfalls braun, stirbt ab, noch ehe die Frucht die Hälfte ihrer normalen Größe erlangt hat, und zerreißt bei weiterer Ausdehnung des Beerenfleisches, so daß die Beere abstirbt und verfault. Der weiße Überzug besteht aus einem Pilz, Oïdium Tuckeri Berk., welcher das Braunwerden und Absterben der Epidermis veranlaßt. Sein Mycelium m (vgl. Tafel "Pflanzenkrankheiten", Fig. 17) besteht aus langen und verzweigten Fäden, welche auf der Epidermis hinwachsen und stellenweise an den Berührungspunkten sogen. Haustorien entwickeln, d. h. kurze, seitliche Fortsätze des Fadens, welche wie kleine, gelappte Warzen erscheinen, die der Epidermis aufliegen. Aus der dem Pflanzenteil abgewendeten Seite treiben die Myceliumfäden einfache Fruchthyphen, deren jede an ihrer Spitze eine einzige länglichrunde, einzellige, farblose Konidie (c) abschnürt. Diese Sporen trennen sich sehr leicht ab und werden vom Regen und Wind weiter geführt auf benachbarte Blätter, Trauben etc. So wird durch sie der Pilz und damit die Krankheit weiter verbreitet, denn die Konidien keimen bei Vorhandensein von Feuchtigkeit leicht und schnell mittels eines Keimschlauchs, der sich auf der Nährpflanze wieder zu einem Mycelium entwickelt. Der Pilz gehört der Gruppe der Erysipheen unter den Kernpilzen an und hat mit den zahlreichen Arten derselben, welche den Meltau aus den verschiedensten Pflanzen hervorbringen, die Art der krankmachenden Wirkung und die Symptome des Auftretens gemein. Er kommt indes immer nur im Konidienzustand vor; seine vollkommene Fruchtform, die Perithecien, welche die Gattung Erysiphe charakterisieren und bei den übrigen Arten in der Regel nach der Bildung der Konidienträger auftreten, sind bis jetzt nicht gefunden worden. Auf manchen traubenkranken Weinstöcken besitzt das Oidium auf kurzen, den Konidienträgern ähnlichen Hyphen eine längliche, kapselartige Frucht, welche an der Spitze aufgeht und zahlreiche sehr kleine, einzellige, länglichrunde Sporen in Schleim eingebettet ausstößt. Diese Bildungen gehören einem schmarotzenden Pilz, Cicinnobolus Cesatii De Bary, an, welcher auch auf andern Arten von Erysiphe vorkommt; sein Mycelium wächst in Form sehr feiner Fäden innerhalb der Myceliumfäden des Oidiums und steigt auch in die jungen Konidienträger auf, um hier innerhalb der dadurch sich ausweitenden Konidie seine Pyknidenfrucht zu entwickeln. Eine den Traubenpilz schädigende Einwirkung seines Schmarotzers läßt sich nicht bemerken. Da Perithecien, aus deren Sporen bei den andern Erysiphe-Arten die Entwickelung im Frühjahr zu beginnen pflegt, fehlen, so scheint das Oidium der T. entweder mit Konidien oder in Form lebensfähig bleibender Myceliumteile am Weinstock zu überwintern. Gesteigerte Feuchtigkeit begünstigt die T., daher zeigen die feuchten Inseln und Küstenländer im Verhältnis zum Binnenland die Krankheit viel mehr, und im südlichen Europa ist der Weinbau durch sie im höchsten Grad geschädigt worden. Ebenso leiden Orte mit regelmäßigen häufigen Niederschlägen, wie die Südabhänge der Alpen, mehr als die nördlich davon gelegenen Länder. Auch in einer und derselben Gegend sind die niedern und feuchten Lagen der Krankheit mehr ausgesetzt als hoch und trocken gelegene Weinberge. Unter den Sorten sollen Muskateller, Malvasier und verwandte blaue Sorten öfters von der Krankheit zu leiden haben, andre, wie Rieslinge, Traminer, widerstandsfähiger sein. Man bekämpft die T. erfolgreich durch das Schwefeln, d. h. das Überpudern der Weinstöcke mit Schwefelblumen, wodurch der Pilz getötet und gesunde Pflanzen geschützt werden. Man bedient sich dabei eines trocknen Maurerpinsels oder eigens dazu gefertigter Puderquasten oder besonderer Blasebälge und soll die Operation während des Morgentaues und zwar dreimal, kurz vor, kurz nach der Blüte und im August, ausführen. Wahrscheinlich wirkt das Schwefelpulver nur mechanisch, erstickend auf den Pilz, denn man hat ähnlich günstige Wirkungen auch vom Chausseestaub gesehen, wenn die Pflanzen dicht damit überzogen waren. Durch Einführung amerikanischer Rebensorten ist die T. nicht zu umgehen, weil das Oidium auch auf diesen gedeiht. Vgl. v. Thümen, Die Pilze des Weinstocks (Wien 1878).

Traubenkraut, s. Chenopodium.

Traubenkur, der mehrere Wochen lang fortgesetzte reichliche Genuß von Weintrauben, wobei sehr nahrhafte, fette, mehlige oder blähende Speisen vermieden werden müssen. Mit hinreichender Körperbewegung verbunden, soll diese Kur bei Stockungen im Unterleib und davon abhängiger Hypochondrie, bei Hämorrhoidalbeschwerden und bei Gicht gute Dienste leisten. Die Wirksamkeit der Weintrauben beruht vornehmlich auf dem starken Zuckergehalt derselben, welcher als Nahrungsstoff von Wert ist; anderseits haben sie, in größerer Menge genossen, eine leicht und angenehm abführende Wirkung, so daß sie das mildeste Mittel gegen Unterleibsstockungen darstellen. Die besuchtesten Kurorte sind Meran in Tirol, Dürkheim in der Rheinpfalz und Grünberg in Schlesien. Vgl. Knauthe, Die Weintraube (Leipz. 1874).

Traubenmade, s. Wickler.

Traubenöl, s. Drusenöl.

Traubensäure (Paraweinsäure) C4H6O6 ^[C_{4}H_{6}O_{6}] findet sich im rohen Weinstein und entsteht aus der isomeren Weinsäure bei anhaltendem Erhitzen von deren Lösung mit Salzsäure oder verdünnter Schwefelsäure, auch bei oxydierender Behandlung von Mannit, Rohr- und Milchzucker, Gummi etc. Bei Verarbeitung des rohen Weinsteins erhält man sie in den spätern Kristallisationen in kleinen Kristallen mit einem Molekül Kristallwasser. Sie ist farb- und geruchlos, vom spez. Gew. 1,69, schmeckt sauer, löst sich leicht in Wasser und Alkohol, ist optisch inaktiv, verwittert an der Luft, wird bei 100° wasserfrei und verhält sich im allgemeinen der Weinsäure sehr ähnlich. Von ihren Salzen ist das saure Kalisalz viel löslicher als Weinstein, während das Kalksalz schwerer löslich ist als weinsaurer Kalk. Das Kaliumnatrium- und das Ammoniumnatriumsalz, das Cinchonicin- und Chinicinsalz kristallisieren nicht, sondern geben große, hemiedrische Kristalle, von denen man zwei Formen unterscheiden kann, die sich zu einander wie Spiegelbilder verhalten. Bei der einen Form liegen nämlich die hemiedrischen Flächen rechts, bei der andern links. Aus den Kristallen der ersten Art kann man durch eine stärkere Säure gewöhnliche Rechtsweinsäure, aus der andern Linksweinsäure abscheiden, und wenn man die Lösungen dieser beiden Säuren mischt, so kristallisiert wieder T. Bei Einwirkung von Fermenten auf T. wird die Rechtsweinsäure zerstört, und es bleibt Linksweinsäure übrig.

Traubenvitriol, s. Eisenvitriol.