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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Tscheremissen; Tscherepowez; Tscheri; Tscheribon; Tscherikow; Tscherkasski; Tscherkassy; Tscherkessen

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Tscheremissen - Tscherkessen.

Tscheremissen, finn. Volk im europäischen Rußland, am linken Ufer der Wolga, in den Gouvernements Nishnij Nowgorod, Kasan, Orenburg, Simbirsk und Wjatka ansässig. Der Name T. ist ihnen von den Mordwinen beigelegt, sie selbst nennen sich Mara ("Mensch"). Sie sind mittelgroße, meist schwächliche, blonde oder rötliche Leute, träge, furchtsam und gelten für Betrüger. Seit Aufgebung ihres frühern nomadischen Lebens sind sie Hirten, Ackerbauer, Jäger, Fischer und eifrige Bienenzüchter, leben aber nicht in Städten und geschlossenen Dörfern, sondern vereinzelt, besonders in den ausgedehnten Urwäldern an der Wolga. Die Weiber verstehen sich auf das Weben und Färben verschiedener Stoffe. Das Volk, 260,000 Köpfe stark, bekennt sich zwar zur griechisch-russischen Kirche, hat aber eine Menge heidnischer Gebräuche beibehalten, so hat der Getreidegott Agedarem bei ihnen noch große Geltung. Die Sprache der T. gehört zu der finnisch-ugrischen Gruppe des ural-altaischen Sprachstammes. Grammatiken derselben verfaßten Castrén ("Elementa grammaticae tscheremissae", Kupio 1845) und Wiedemann (Reval 1847).

Tscherepowez, Kreisstadt im russ. Gouvernement Nowgorod, an der Scheksna, mit Realschule, Lehrerseminar, weiblichem Progymnasium, großer Fischerei, einem besuchten Jahrmarkt und (1886) 6134 Einw. Im Kreis T. ausgedehnte Fabrikation von Nägeln.

Tscheri, die durchaus mohammedan. Gerichtsbehörden des türkischen Reichs, im Gegensatz zu den Nisâmijes, welche für Streitigkeiten zwischen Bekennern verschiedener Religionen dienen. Weiteres über ihre Organisation vgl. Türkisches Reich, S. 923.

Tscheribon (Cheribon, Tjeribon), niederländ. Residentschaft auf der Nordküste von Java, 6751 qkm (122,7 QM.) mit (1886) 1,346,267 Einw. (darunter 708 Europäer, 6859 Chinesen, 380 Araber), ist im nördlichen Teil eben und sumpfig, im südlichen dagegen, wo sich der Pik Tscherimai, ein Vulkan von 3043 m Höhe, erhebt, gebirgig. Hauptprodukte sind: vortrefflicher Kaffee, Indigo und Zuckerrohr. Die Bevölkerung ist halb sundanesisch, halb javanisch. Die gleichnamige Hauptstadt liegt in der Ebene an der Mündung des Flusses T. in die Javasee und hat gegen 15,000 Einw. Nördlich von der Stadt, auf dem Gunong Dschati, ist Kaliastana, das heilig gehaltene Grab des Ibn Mulana, der den Islam auf Java einführte. Der holländische Resident wohnt in Tanakil, 4 km von der Stadt.

Tscherikow (Czerikow), Kreisstadt im russ. Gouvernement Mohilew, an der Sosh, mit 3 griech. Kirchen, evangel. Kapelle, Lehranstalten für Russen, Polen und Juden, großem Kaufhof, mehreren industriellen Etablissements, Getreide- und Holzhandel und (1885) 3987 Einw.

Tscherkasski, Wladimir Alexandrowitsch, Fürst, russ. Staatsmann, geb. 13. April 1821 aus einer alten adelstolzen Familie, studierte in Moskau die Rechte, trat in den Staatsdienst, schloß sich der nationalrussischen, eifrig liberalen Partei der russischen Aristokratie an, wirkte bei der Emanzipation der Leibeignen mit, gehörte zu dem Organisationskomitee, welches während des polnischen Aufstandes 1861-64 Polen auf demokratischer Grundlage neu gestalten wollte, trat nach dem Scheitern dieses Unternehmens aus dem Staatsdienst, war Mitglied der Slawischen Gesellschaft, deren panslawistische Bestrebungen er mit Eifer förderte, und ward Stadthaupt von Moskau. 1877 bei Ausbruch des russisch-türkischen Kriegs erhielt er den Auftrag, die Verwaltung Bulgariens als selbständigen Fürstentums zu organisieren. Er starb 3. März 1878 in Santo Stefano.

Tscherkassy, Kreisstadt im russ. Gouvernement Kiew, am Dnjepr und der Zweigbahn Bobrinskaja-T., der älteste Sitz der Saporoger Kosaken, hat 6 griechisch-russische, eine evangelische und eine kathol. Kirche, ein jüd. Bethaus, Zuckerfabriken, einen wichtigen Flußhafen und (1885) 20,755 Einw. (meist Kleinrussen, Polen und Juden). Deutsche und französische Kaufleute treiben hier einen lebhaften Handel mit Wolle, Leinwand, Spiritus, Cerealien und Vieh.

Tscherkessen (s. Tafel "Asiatische Völker", Fig. 26), eine die westliche Familie der nördlichen Abteilung des kaukasischen Stammes umfassende Völkergruppe in der Westhälfte des Kaukasus und den an sie sowie an ihre Zweige sich anlehnenden Ebenen zwischen dem nördlichen Ufer des Schwarzen Meers von der Meerenge von Kertsch bis zu den Grenzen Mingreliens, durch den ganzen Lauf der Flüsse Kuban und Malka, einen Teil des nach N. gerichteten Terekstroms und die kaukasische Hauptkette von der grusinischen Militärstraße bis zum Elbrus. Die T. teilen sich in die Adighe und die Asega oder Abchasen. Die Adighe (Adyche), von den Türken T., von uns danach Cirkassier oder nach ihrem Wohnplatz, der Kabarda, auch Kabardiner genannt, zerfallen in die Abadschen (Abadzen) am Nordabhang der Kaukasuskette in den Thälern der in den Kuban fallenden Flüsse Schaguascha, Laba, Pschisch, Pszekups, Wuanobat und Sup, die Schapszugen und die Natkuadsch oder Natuchaizen in den Gebirgen und den der Festung Anapa angrenzenden Ebenen, die Kabardiner zwischen den Flüssen Malka und Terek und von letztern bis zu den Vorbergen des Kaukasus und zur Sisnischa, die Beszlenei im Kubanbecken zwischen dem Fers, dem Großen und Kleinen Tegen und dem Woarp, die Mochosch im Gebiet des Tschechuradsh, Belogiak und Schede, die Kemgoi und Temirgoi zwischen dem Kuban und der untern Laba und Belaja, die Chatiukai zwischen Belaja und Schisch, die Bsheduchen in den Ebenen des Pschisch und Pszekups, endlich die Shan oder Shanejewzen auf der Kubaninsel Karabukan. Die Asega oder Abchasen grenzen nördlich am Kapoeti an die Adighe, südlich am Enguri an die Mingrelier, westlich ans Schwarze Meer und östlich an die Suanen und die basilianischen Türken. Zu ihnen gehören die Sadzen oder Dschigeten, die Abszne oder Abchasen, die Sambal oder Zebeldiner auf der Südseite des Hauptgebirges im W. der Mingrelier, die Barakin, Bag, Schegerai-Tam, Kisilbek, Baschilbai und Basschog auf der Nordseite der Bergkette im Quellgebiet der Kchoda, Urup, der Kleinen und Großen Laba und des Großen Selentschuk, endlich die Ubychen am Südabhang des Hauptgebirges zwischen den Natuchaizen und den Dschigeten. Die Zahl sämtlicher T. wurde von Bergé auf 490,000 Seelen geschätzt, davon 325,000 Adighe und 125,000 Asega; der größte Teil derselben ist jedoch nach den unglücklichen Kämpfen gegen Rußland auf türkisches Gebiet übergesiedelt, so daß man 1880 nur noch 115,449 T. berechnete. Es beziehen sich daher die vorstehenden und folgenden ethnologischen Bemerkungen nur auf die frühere Zeit. Die T. sind ein sehr schöner und deshalb berühmter Menschenschlag von reichlich mittlerer Statur, schlank und kräftig mit edlen, fein geformten Gesichtern und braunen, zuweilen blonden Haaren. Früher bekannten sie sich teils zum armenischen, teils zum orthodox-griechischen Christentum, haben aber später den Islam angenommen; doch sind nur die Häuptlinge und Vornehmen als Moham-^[folgende Seite]