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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Turgeszieren; Túrgor; Turgot

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Turgeszieren - Turgot.

Fürsorge des Professors Krause, des Direktors des Lazarewschen Instituts. Mit 16 Jahren bezog der frühreife Knabe die Moskauer Universität, wo er sich historisch-philologischen Studien widmete, vertauschte dieselbe aber schon nach einem Jahr, als 1835 sein Vater starb, mit der Petersburger Universität, auf welcher er den vollen Lehrkursus absolvierte. Nachdem er 1838 mit dem Grad eines Kandidaten die Universität verlassen, begab er sich zur Vervollständigung seiner Kenntnisse ins Ausland, wobei er auf der Überfahrt nach Deutschland bei dem Brande des Dampfers Nikolai I. in Travemünde fast ums Leben gekommen wäre. Er hielt sich namentlich in Berlin auf, wo er an der Universität Geschichte und Philosophie hörte. 1840 kehrte er zurück und erhielt eine Anstellung in der Kanzlei des Ministers des Innern, welche Stellung er schon im folgenden Jahr aufgab, um sich ganz ins Privatleben zurückzuziehen. Er lebte nun bald auf seinem Gut Spostkoje ^[eigentlich: Spasskoje] (Kreis Mzensk, Gouvernement Orel), bald in St. Petersburg, bald im Ausland. Sein erstes Werk war das Poem "Parascha" (1842), worauf in den folgenden Jahren einige kleine Skizzen erschienen, welche später in das "Tagebuch eines Jägers" aufgenommen wurden. 1852 wurde er plötzlich wegen eines von ihm verfaßten, im übrigen durchaus nicht politisch verfänglichen Artikels: "Ein Brief über Gogol" ("Moskauer Zeitung" 1852, Nr. 32), arretiert, bei der Polizei eingesperrt und dann auf sein Gut verwiesen, welches er zwei Jahre lang (bis 1855) nicht verlassen durfte. Seit 1863 lebte T. fast ganz im Ausland, meist in Baden-Baden oder Paris, in der Regel nur die Sommermonate auf seinem Gut zubringend. Er starb 3. Sept. 1883 in Bougival bei Paris. In Rußland werden nicht nur die epischen, sondern auch die im Ausland weniger gekannten lyrischen und dramatischen Dichtungen sehr hoch geschätzt. Seine lyrischen Versuche erschienen 1841-47 in verschiedenen russischen Monatsschriften; sie bilden zusammen einen kleinen Band. Auf epischem und dramatischem Gebiet besitzt die russische Litteratur folgende Dichtungen von T., die wir in chronologischer Reihenfolge anführen: "Parascha" (Poem, 1842); "Unvorsichtigkeit", dramatische Skizze; "Andrei" (Poem, 1843); "Eine Unterredung", Poem; "Andrei Kolossow", "Drei Porträte" (Erzählungen, 1844); "Kein Geld!" (Szenen aus dem Petersburger Leben eines russischen Edelmanns, 1846); "Der Jude", "Der Raufbold", "Pater Petrowitsch Karatajew" (Erzählungen, 1847); "Petuschkow", Erzählung; "Allzudünn reißt bald" (Lustspiel, 1848); "Der Junggeselle" (Lustspiel, 1849); "Das Tagebuch eines überflüssigen Menschen", Erzählung; "Ein Monat im Dorfe" (Lustspiel, 1850; letzteres hatte T. auf Verlangen der Zensur umarbeiten müssen, und es erschien erst 1869 in seiner ursprünglichen Form); "Eine Unterredung auf der Landstraße", Erzählung; "Eine Dame aus der Provinz" (Lustspiel, 1851); "Tagebuch eines Jägers", "Drei Begegnungen" (Erzählungen, 1852); "Zwei Freunde", "Rudin" (Erzählungen, 1854); "Fern von der Welt", "Jakow Passynkow", Erzählungen; "Ein Imbiß beim Adelsmarschall" (Lustspiel, 1855); "Fremdes Brot" (Lustspiel, 1857); "Asja" (Erzählung, 1858); "Das adlige Nest", Roman; "Ein Fragment aus einem Roman" (1859); "Am Vorabend, oder Helene", "Erste Liebe" (Erzählungen, 1860); "Väter und Söhne" (Roman, 1862); "Visionen", Phantasiebild; "Der Hund" (Skizze, 1865); "Rauch", Roman; "Geschichte des Leutnants Jergunow", "Die Unglückliche", "Der Brigadier" (Erzählungen 1867); "Eine wunderliche Geschichte", "Ein König Lear der Steppe" (Erzählungen, 1870); "Es klopft" (Erzählung, 1871); "Frühlingswogen", "Tscherptochanows Ende" (Erzählungen, 1872); "Eine lebende Mumie" (Erzählung, 1874); "Punin und Baburin" (Erzählung, 1875); "Die Uhr" (Erzählung, 1876); "Neuland", Roman; "Die Erzählung des Vaters Alexei" und "Der Traum" (Erzählungen, 1877). Außerdem sind noch, von einigen kritischen Artikeln abgesehen, zu nennen: "Hamlet und Don Quichotte", eine Parallele, und "Erinnerungen an W. Belinskij". Turgenjews Romane und Erzählungen sind weniger durch sensationelle Verwickelungen als durch eine wunderbare Meisterschaft in der Gestalten- und Charakterzeichnung wie in der Darlegung psychologischer Vorgänge ausgezeichnet. Ganz dem nationalen Boden und der unmittelbaren Gegenwart angehörend, spiegeln sie die jeweiligen Zustände und Bewegungen in Rußland so treu wider, daß man an ihnen die Geschichte der innern Entwickelung der Gesellschaft von Werk zu Werk wie an Marksteinen verfolgen kann. Sie wurden vielfach ins Deutsche übertragen; eine Sammlung "Ausgewählter Werke" in der einzig vom Dichter autorisierten Ausgabe erschien deutsch seit 1871 in Mitau (12 Bde.); seine "Briefe" gab Ruhe in Übersetzung heraus (erste Sammlung, Leipz. 1886). Vgl. Zabel, Iwan T. (Leipz. 1883); Thorsch, I. T. (das. 1886).

Turgeszieren (lat.), an-, aufschwellen.

Túrgor (lat., Turgeszenz), der natürliche straffe Zustand der Gewebe des lebenden Körpers; in der Botanik der hydrostatische Druck im Innern der lebenden Zelle.

Turgot (spr. türgo), Anne Robert Jacques, Baron de l'Aulne, franz. Staatsmann, geb. 10. Mai 1727 zu Paris, studierte Theologie und ward 1749 Prior der Sorbonne, trat jedoch 1751 aus derselben aus und wandte sich den Rechts- und Staatswissenschaften zu. Schon 1752 ward er Substitut des Generalprokurators, sodann Parlamentsrat, 1753 Requetenmeister, endlich Mitglied der königlichen Kammer (chambre royale). In dieser Stellung widmete er sich besonders nationalökonomischen Studien und neigte sich zu den Prinzipien von Quesnays physiokratischer Schule hin. Von 1761 bis 1773 Intendant von Limoges, richtete er sein Hauptaugenmerk auf Entlastung, Hebung und Bildung des gemeinen Mannes, Gründung öffentlicher Wohlthätigkeitsanstalten, Anlage von Kanal- und Wegebauten, Beförderung des Ackerbaues etc. Ludwig XVI. ernannte ihn kurz nach seiner Thronbesteigung 24. Aug. 1774 zum Generalkontrolleur der Finanzen (Finanzminister). Die in seinem berühmten Brief an den König entwickelten Reformpläne Turgots umfaßten eigentlich alles, was später die Revolution durchsetzte: Dezentralisation und Selbstverwaltung, Reform des Steuerwesens, Beseitigung des Zunftzwanges u. a., verletzten aber alle, die dabei ein Opfer bringen sollten. Als T. 1775 die Erlaubnis gab, an Fasttagen Fleisch zu verkaufen, bezichtigte ihn der Klerus des Versuchs, die Religion zu vernichten, und als infolge des vorjährigen Mißwachses eine Teurung entstand, welcher T. durch Freigebung des Getreidehandels im Innern von Frankreich 13. Sept. 1774 hatte abhelfen wollen, schob man die Schuld jener Not auf diese Maßregel des Ministers. Es kam zu mehreren Aufständen (dem sogen. Mehlkrieg, guerre des farines), denen die privilegierten Stände noch Vorschub leisteten. Von allen Plänen Turgots kamen so nur wenige, wenngleich wichtige Verbesserungen und Ersparungen in den Finanzen zur Ausführung, und der König