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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Urnenfelder - Urquhart.

lichen Gefäße zur Aufbewahrung der Asche (Cinerarien) oder Gebeine verbrannter Leichen. Sie waren von verschiedener Form und von verschiedenem Material, meist aus Thon, oft aus Stein, ausnahmsweise auch aus Metall; man findet sie sogar von Glas, die dann in andre U. von Blei oder in größere Steinbehälter gesetzt wurden. Der Gebrauch der U. kommt zuerst bei den Griechen vor; doch sind nicht, wie man früher annahm, alle antiken Vasen, die in Gräbern gefunden wurden, zur Aufbewahrung von Asche benutzt worden, vielmehr nur zur Ausschmückung des Grabes. In Italien, besonders bei den Etruskern, waren (viereckige, am Deckel mit Relief verzierte) Aschenkisten gewöhnlich. Auch die keltischen, germanischen und slawischen Völker bewahrten die Asche Verstorbener in U. auf. Man findet in Deutschland deren sehr viele in Grabhügeln und an Opferstätten von verschiedener Größe und Form (s. Gefäße, prähistorische). In späterer Zeit verloren die U. ihre praktische Bedeutung als Gefäße zur Aufbewahrung von Asche, behielten aber ihre symbolische Bedeutung als Gefäße des Totenkults und wurden häufig auf Grabdenkmälern in Stein oder Metall, bisweilen aber auch als bloßer architektonischer Zierat an Gebäuden angebracht. In der ostasiatischen Keramik wird die Urnenform auch für Vasen und andre Gebrauchs- und Vorratsgefäße angewendet. Die gewöhnlichste Form der Urne zeigt obige Abbildung.

^[Abb.: Urne von emaillierter Terracotta. Italienische Arbeit des 15. Jahrh. (Berlin, Kunstgewerbemuseum).]

Urnenfelder, s. Gräber, prähistorische.

Urner Loch, s. Reuß (Fluß).

Urner See, s. Vierwaldstätter See.

Urniere, s. Nieren.

Urningsliebe, der angeblich angeborne Trieb mancher Männer, welche sich durch den Zug der geschlechtlichen Liebe ausschließlich zu männlichen Individuen hingezogen fühlen sollen. Solche Männer werden Urninge und ihre Liebe Uranismus von der Venus Urania genannt; während nach der Venus Dione der zum andern Geschlecht Neigung fühlende Mann als »Dioning« bezeichnet wird. Die Wissenschaft verneint jedoch die Berechtigung der Annahme eines Uranismus, und die Strafrechtspflege nimmt bei der Bestrafung von widernatürlicher Unzucht, welche zwischen Personen männlichen Geschlechts begangen wird, auf solche krankhafte Neigungen keine Rücksicht, wofern der Betreffende im übrigen zurechnungsfähig ist.

Urocerĭdae (Holzwespen), Familie aus der Ordnung der Hautflügler, s. Holzwespen.

Urocystis Rabenh., s. Brandpilze (III).

Urogenitālsystem, die Gesamtheit derjenigen Organe des Körpers, welche der Ab- und Ausscheidung des Harns sowie den Funktionen der Fortpflanzung vorstehen, also die Nieren und Hoden, resp. Eierstöcke nebst ihren Ausführungsgängen (Harn-, Samen-, Eileiter, Harnblase, Uterus etc.). Beim Menschen liegen sie alle in der Beckenhöhle. In gewisser Beziehung gehören zum U. auch die Milchdrüsen (Brüste) der Säugetiere.

Urolithiăsis (griech.), Harnsteinbildung.

Uromyces Lév., s. Rostpilze 2).

Uropoetisch (griech.), auf die Harnerzeugung bezüglich.

Uroskopīe (griech.), Harnuntersuchung.

Urphede (Urfehde, Urfede), ehedem die eidliche Versicherung eines Verurteilten, sich wegen der gegen ihn geführten Untersuchung und zu vollstreckenden Strafe nicht rächen zu wollen; insbesondere der Eid eines entlassenen und verwiesenen Verhafteten, das Land, aus welchem er verwiesen worden, nicht wieder zu betreten, noch sich an dessen Bewohnern zu rächen.

Urproduktion, die Erzeugung von Rohstoffen (z. B. Landwirtschaft, Bergbau).

Urquhart (Urqhart, spr. örkert), David, engl. Politiker, geb. 1805 zu Braelangwell in Schottland, studierte zu Oxford, ging 1827 mit Lord Cochrane nach Griechenland, wohnte dem Angriff auf Salona bei und kehrte 1829 über Konstantinopel nach England zurück. In seinem Reisewerk »Observations on European Turkey« suchte er darzuthun, daß die oriental. Politik Rußlands die Interessen Englands gefährde. Nach neuen Reisen in den Orient versuchte er in seinem Werk »Turkey and its resources« (1834) sowie in mehreren kleinern Broschüren nachzuweisen, daß die Erhaltung des türkischen Reichs im Interesse der Westmächte und besonders der englischen Handelsbeziehungen liege. 1835 von Lord Palmerston zum Gesandtschaftssekretär in Konstantinopel ernannt, deckte er in dem mysteriösen »Portfolio« (s. d.) angeblich die geheimsten Pläne Rußlands auf. Schon 1836 aber kehrte er nach England zurück, wo er eine rastlose Agitation gegen das politische System Palmerstons begann, unter anderm in der »Exposition of the affairs of Central Asia« (Lond. 1840), der »Exposition of the boundary differences between Great Britain and the United States« (Glasg. 1840) sowie von Paris aus in seiner Schrift »La crise, ou la France devant les quatre puissances« (Par. 1840). Von 1847 bis 1852 war U. Mitglied des Unterhauses, wo er seine Angriffe gegen Palmerston fortsetzte. 1852 wurde er nicht wieder gewählt, entfaltete dagegen während der neuen Verwickelungen, zu welchen die orientalische Frage 1853 Anlaß gab, sowohl in der Presse als in öffentlichen Meetings eine außerordentliche Thätigkeit, die aber bei der Leidenschaftlichkeit seiner oft ganz abgeschmackten Angriffe gegen die Regierung wenig Beifall fand, so daß seine Kandidatur für die Parlamentswahlen von 1854 er-^[folgende Seite]