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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Vatikanischer Kodex; Vatikanisches Konzil; Vatke; Vatn; Va tout; Vattel

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Vatikanischer Kodex - Vattel.

aus dem Alten, 4 aus dem Neuen Testament) bemalt und mit reichen Ornamenten versehen ist. Im dritten Stockwerk gelangt man zur vatikanischen Gemäldesammlung, von Pius VII. begründet, welche unter anderm Domenichinos Kommunion des heil. Hieronymus und Raffaels Madonna von Foligno, Verklärung Christi und Krönung Mariä enthält. Ein zweiter Zugang zum V., um das Chor der Peterskirche herum, führt zu dem berühmten Antikenmuseum, welches das Museo Pio-Clementino, das Museo Chiaramonti und den Braccio Nuovo mit der Sammlung meist antiker Statuen (darunter der Zeus von Otricoli, der zitherspielende Apollon, der Apollon Sauroktonos, die Kaiserbüsten, die schlafende Ariadne, der Hermes, die Laokoongruppe, der Apoll von Belvedere, der Perseus von Canova, der Torso des Herkules, die Augustusstatue, der Apoxyomenos etc.), ferner das ägyptische Museum, die Tapeten Raffaels (nach den von ihm 1515 angefertigten farbigen Kartons ausgeführt), das etruskische Museum (mit Vasen, Terrakotten, Bronzearbeiten, Goldschmuck etc.) und die vatikanische Bibliothek, wegen der Wichtigkeit und Seltenheit der Handschriften die bedeutendste Sammlung in Europa, hauptsächlich von Sixtus IV. begründet, mit 25,600 Manuskripten, 200,000 Bänden und einer Münzsammlung, umfaßt. In den Räumen der Bibliothek befindet sich unter anderm das antike Wandgemälde der Aldobrandinischen Hochzeit und (im sogen. Appartamento Borgia) Fresken von Pinturicchio. Der V. enthält ferner prächtige Audienzzimmer und die päpstliche Mosaikfabrik. An den Palast schließen sich die vatikanischen Gärten an. Vgl. Letarouilly, Le Vatican et la basilique de Saint-Pierre de Rome (mit 264 Tafeln, Par. 1878).

Vatikanischer Kodex (Codex Vaticanus) s. Bibel, S. 882.

Vatikanisches Konzil, die 20. ökumenische Kirchenversammlung, welche vom 8. Dez. 1869 bis 20. Okt. 1870 getagt und die katholische Lehrbildung durch Definierung der päpstlichen Unfehlbarkeit zum Abschluß gebracht hat. Seit dem Scheitern der großen Reformkonzile des 15. Jahrh. war die absolute Bedeutung des Papsttums auch auf dem Gebiet der Lehre thatsächlich entschieden. Sie auch kirchenrechtlich vollzogen zu sehen, gehörte schon lange zu den Lieblingsideen von Pius IX. Seit 1864 war der Entschluß in ihm gereift, zu diesem Zweck ein Konzil zu berufen. Das Einberufungsschreiben vom 29. Juni 1868 enthält ein ganz vages Programm, dessen unzweideutige Auslegung erst die Jesuiten in der »Civiltà cattolica« übernahmen. Die in jenem Schreiben erwähnte Heilung der allgemeinen Weltübel sollte durch Bestätigung des Syllabus vom 8. Dez. 1864, durch die Dogmatisierung der körperlichen Himmelfahrt Marias und vornehmlich der päpstlichen Unfehlbarkeit erfolgen. Daß dadurch das Verhältnis der Kirche zum Staat von dem modernen Rechtsboden wieder auf denjenigen der mittelalterlichen Theorie, wie sie Gregor VII., Innocenz III. und Bonifacius VIII. formuliert hatten, zurückgeführt werde, machte trotz des am 9. April 1869 erlassenen Rundschreibens des bayrischen Ministers v. Hohenlohe den Regierungen wenig Sorge. Aber die Zusammensetzung des Konzils wies gleich am Eröffnungstag ein wenig verheißungsvolles Gepräge auf. Die Griechen, Protestanten und anderweitige »Akatholiken«, welche der Papst aufgefordert hatte, zu erscheinen und bei dieser Gelegenheit in den »alleinigen Schafstall Petri« zurückzukehren, waren natürlich ausgeblieben. Von 1044 zur Mitgliedschaft berechtigten Prälaten waren 723 erschienen, die sich im Januar 1870 auf 744 vermehrten. Darunter waren aber 276 Italiener, dem Papst meist unbedingt ergeben; dasselbe galt von den 83 Asiaten, 14 Afrikanern, 13 Australiern. Deutsche Mitglieder waren nur 19, österreichisch-ungarische 48, französische vorhanden und auch unter diesen nicht wenige, die zur unbedingt päpstlichen Partei gehörten. Diese letztere setzte sofort eine Petition an den Papst in Umlauf, wodurch derselbe ersucht wurde, den römischen Stuhl für irrtumsfrei zu erklären. Es fanden sich hierfür 410 Unterschriften, für die Gegenadresse nur 137, und auch innerhalb dieser Minorität war man über den Standpunkt, von dem aus man die Unfehlbarkeit bekämpfte, keineswegs einverstanden. Die meisten wollten nicht das Prinzip, sondern bloß Opportunitätsrücksichten betont wissen. Unter solchen Umständen konnte der vollkommene Sieg der Infallibilisten nur noch eine Frage der Zeit sein, und schon 21. Jan. wagte man es, ein »Schema der dogmatischen Konstitution über die Kirche Christi« den Vätern mitzuteilen, welches über die letzten Absichten der Kurie keine Zweifel mehr ließ. Als dasselbe trotz aller Vorsichtsmaßregeln bekannt wurde, regten sich freilich die Regierungen; aber der im Sommer ausbrechende Krieg ließ es zu keinem energischen und gemeinsamen Vorgehen kommen. Die Kurie ihrerseits hatte den Gang der Verhandlungen durch eine neue, die Minorität lahm legende Geschäftsordnung beschleunigt und hierauf dem Konzil 6. März den betreffenden Zusatzartikel vorgelegt, daß der Papst in Sachen des Glaubens und der Moral nicht irren könne. Nach einigen Redaktionsmanövern wurde 24. April die Konstitution über den katholischen Glauben, 13. Juli die Konstitution über die Kirche Christi genehmigt, jene einstimmig, diese mit 451 unbedingten gegen 62 bedingte Placet und 88 Non placet. Mit dieser That war der Mut der Opposition erschöpft, das Schreckgespenst eines drohenden Schismas lähmte ihre letzten Kräfte. Die Opponenten verließen Rom, nicht etwa, um gegen die Vergewaltigung zu protestieren, sondern um sich in aller Form einer nach dem andern zu unterwerfen. So kam es, daß in der entscheidenden vierten öffentlichen Sitzung 18. Juli 552 Väter mit Placet, nur zwei mit Non placet stimmten, womit das neue Dogma fertig war. Vgl. Frommann, Geschichte und Kritik des vatikanischen Konzils (Gotha 1872); Friedberg, Sammlung der Aktenstücke zum ersten vatikanischen Konzil (Tüb. 1872); Lord Acton, Zur Geschichte des vatikanischen Konzils (deutsch, Münch. 1871); Friedrich, Documenta ad illustrandum concilium Vaticanum (Nördl. 1871); Derselbe, Tagebuch während des vatikanischen Konzils (2. Aufl., das. 1873) und Geschichte des vatikanischen Konzils (Bonn 1877-87, 3 Bde.); von ultramontaner Seite: Cecconi (deutsch, Regensb. 1873).

Vatke, Wilhelm, protest. Theolog, geb. 14. März 1806 zu Behndorf bei Magdeburg, habilitierte sich 1830 als Privatdozent der Theologie in Berlin und wurde 1837 außerordentlicher Professor; er starb 18. April 1882. Er schrieb: »Die Religion des Alten Testaments« (Berl. 1835); »Die menschliche Freiheit in ihrem Verhältnis zur Sünde und zur göttlichen Gnade« (das. 1841). Aus seinem Nachlaß erschien: »Historisch-kritische Einleitung in das Alte Testament« (Bonn 1886) und »Religionsphilosophie« (das. 1888).

Vatn (dän.), s. v. w. See.

Va tout (franz., spr. wa tuh), in Hasardspielen: »es gilt alles« auf das Spiel gesetzte Geld.

Vattel (spr. watell), Emrich von, namhafter Publizist, geb. 25. Aug. 1714 zu Couvet in Neuenburg,