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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Vögel

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Vögel (Verbreitung, Einteilung).

Stoffe mit ihrem klebrigen Speichel zusammen, und die Salangane verwendet zu ihrem Neste das klebrige Sekret der Speicheldrüsen. Wahre Kunstwerke erzeugen die Webervögel, indem sie feine Fasern zu komplizierten Nestern verflechten. Meist nisten die V. einsam, selten in kleinern oder größern Gesellschaften auf gemeinsamen Brutplätzen auf dem Erdboden oder auf Bäumen. Manche kunstreiche V. bauen noch besondere Nester, die nicht zum Brüten benutzt werden, sondern, auf zierlichste Weise ausgeschmückt, zur Belustigung zu dienen scheinen (Laubenvögel). In der Regel baut nur das Weibchen, während das Männchen Material herbeischafft; ebenso brütet meist nur jenes und wird von diesem mit Nahrung versorgt. Bei andern Vögeln lösen sich die Geschlechter regelmäßig ab, und beim Strauß brütet vorzugsweise das Männchen. Einige Kuckucksarten legen ihre Eier in fremde Nester und überlassen die Brutpflege deren Besitzern. Pflege und Auffütterung der Jungen fällt fast ausschließlich oder vorwiegend dem Weibchen zu, während an der Verteidigung des Nestes und der Brut beide Eltern gleichen Anteil nehmen. Im Spätsommer und Herbst beginnen die meisten V. ihre Wanderungen (s. d.). Nur wenige finden im Winter an demselben Ort noch auskömmliche Nahrung, halten also aus (Standvögel); manche streichen in kleinern oder größern Kreisen umher (Strichvögel) oder unternehmen je nach der Strenge des Winters weite Wanderungen, ohne einen regelmäßigen Zug zu haben; viel zahlreichere Arten aber begeben sich noch vor Eintritt der kalten, nahrungsarmen Jahreszeit auf die Reise (Zugvögel) und ziehen in südlichere Gegenden, die Bewohner Europas meist in die Küstenländer des Mittelmeers bis ins Innere Afrikas. Die Zugvögel der westlichen Halbkugel wandern südostwärts. Vor dem Zug sammeln sich die meisten zu Scharen und ziehen dann gesellig davon, bisweilen, wie die Kraniche, in Anordnung eines Keils. Selten fliegen männliche und weibliche Scharen getrennt; manche V. wandern vereinzelt oder paarweise. Den Zugvögeln unsrer Breiten rücken nördlichere Formen nach. Viele V., besonders die guten Flieger, ziehen am Tag mit Unterbrechung der Mittagstunden; andre, wie die Eulen und schwache, schutzbedürftige Tagvögel, benutzen die Nacht; Schwimmvögel legen wohl einen Teil der Reise schwimmend, gute Läufer laufend zurück. Zu Anfang des Frühlings kehren die V. aus ihrer Winterherberge, in welcher sie niemals brüten, in die Heimat zurück, und zwar stellen sich diejenigen, welche im Herbst am längsten aushalten, zuerst wieder ein. Mitunter eilen die Männchen den Weibchen um Tage voraus. Es ist festgestellt, daß die zurückkehrenden V. ihre alten Wohnplätze und Brutorte wiederfinden und nicht selten von ihrem vorjährigen Nest wieder von neuem Besitz nehmen. Winterschlaf ist niemals bei Vögeln beobachtet worden. Vgl. Palmén, Die Zugstraßen der V. (Leipz. 1877); Weismann, Über das Wandern der V. (Berl. 1877).

[Verbreitung. Einteilung.] Man kennt etwa 1600 Gattungen mit gegen 10,000 Arten, doch schwankt wohl nirgends in der zoologischen Systematik der Artbegriff so sehr wie hier, so daß die angegebenen Zahlen keinen großen Wert besitzen. Für die geographische Verbreitung gelten die allgemeinen Gesetze, daß die Zahl der Gattungen und Arten nach den Polen hin abnimmt, daß die zirkumpolaren Meere und Länder mehrere Arten miteinander gemein haben, und daß die Formen, je näher man dem Äquator rückt, desto verschiedener werden. Kosmopolitische Arten kennt man nicht, doch sind einzelne sehr weit verbreitet. Dagegen kommen einige Gattungen in allen Weltteilen vor. Von Familien sind überall zu finden die Krähen und Schwalben, Tauben, Falken, Eulen, Enten etc. In den kalten Regionen treten nur spärlich Landvögel, vorzugsweise Körnerfresser, auf; dagegen herrschen die Schwimmvögel in großer Masse vor. In der heißen Zone ist die Zahl der Körner- und Insektenfresser am größten; Raubvögel finden sich überall, Aasfresser dagegen fast ausschließlich in den wärmern und heißen Klimaten. Für die geologische Geschichte der V. liegt nur ein sehr spärliches Material vor, doch weist alles auf die Verwandtschaft mit den Reptilien hin. Als die älteste Form ist bis jetzt der Archaeopteryx (s. d.) aus dem Jura bekannt, der einen langen Schwanz und einen Schnabel voll Zähne besaß. Letzteres Merkmal trifft auch für die in Nordamerika (Kansas) gefundenen fossilen V. zu, für welche daher die Klasse der Odontornithes geschaffen wurde; ihnen fehlt jedoch schon der lange Schwanz. Interessant ist Hesperornis, der ein schwimmender Strauß mit verkümmerten Flügeln gewesen zu sein scheint. Aus der Kreide stammen im übrigen Schwimm- und Sumpfvögel. In der Tertiärzeit sind die Reste häufiger, aber schwer bestimmbar. Dagegen treten im Diluvium zahlreiche Typen jetzt lebender Nesthocker sowie merkwürdige Riesenformen auf, von denen einzelne nachweisbar in historischer Zeit ausgestorben sind.

Die Systematik bietet infolge des sehr gleichmäßigen Körperbaues aller V. besondere Schwierigkeiten. Linné unterschied sechs Ordnungen: Raubvögel, Raben, Schwimmvögel, Laufvögel, Hühner, Sperlingsvögel, während Cuvier die Raben zu der Ordnung der Klettervögel erweiterte. Später hat ziemlich jeder der zahlreichen Ornithologen ein eignes System aufgestellt, doch entbehren die meisten derartigen Versuche aller wissenschaftlichen Begründung. Neuerdings sind die anatomischen Gesichtspunkte mit Recht mehr zu Ansehen gekommen; nach der ziemlich allgemein adoptierten Einteilung Huxleys unterscheidet man nach der Beschaffenheit des Skeletts folgende Hauptgruppen:

A. Schwanz länger als der Körper: Saururae. Archäopteryx.

B. Schwanz kürzer als der Körper.

I. Brustbein ohne Kiel: Ratitae oder Straußvögel, früher als Unterabteilung der Laufvögel betrachtet.

II. Brustbein mit Kiel: Carinatae. Für die weitere Ordnung dieser die große Mehrzahl der V. umfassenden Gruppe fehlen auch jetzt noch durchgreifende Charaktere, so daß ohne Kenntnis ihrer Verwandtschaftsbeziehungen die einzelnen Ordnungen nur provisorisch aneinander gereiht werden können. Neuerdings sieht man auch in den Pinguinen eine den Carinatae gleichwertige Gruppe.

1) Taubenvögel (Columbae). Schnabel schwach, weichhäutig; Flügel mittellang; Spaltfüße mit aufliegender Hinterzehe.

2) Hühnervögel (Gallinae) oder Scharrvögel (Rasores). Schnabel stark; Flügel kurz; Sitzfüße kräftig.

3) Raubvögel (Rapaces). Schnabel stark, gekrümmt, Oberschnabel hakig übergreifend; Sitzfüße mit starken Krallen.

4) Watvögel (Grallae) oder Stelzvögel. Schnabel und Hals lang; Flügel mittellang; Watbeine.

5) Schwimmvögel (Natatores). Schnabel und Beine kurz; Flügel sehr verschieden lang; Schwimm- oder Ruderfüße.

6) Klettervögel (Scansores) oder spechtähnliche Vögel (Picariae). Schnabel kräftig; Flügel kurz; Kletterfüße.

7) Segler (Macrochires). Schnabel verschieden lang; Vorderarm und Hand viel länger als Oberarm; Füße schwach.

8) Papageien (Psittaci). Schnabel stark, gekrümmt; Flügel lang; Kletterfüße.

9) Sperlingsvögel (Passeres). Schnabel und Flügel verschieden lang; ersterer stets ohne Wachshaut; Wandel-, Schreit- oder Klammerfüße.