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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Wärme

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Wärme (mechanische Wärmetheorie).

und Mineraliensammlung), ein Theater, ein Militärkurhaus, eine große Dampfbrauerei, Glas- und Steinschleiferei, Glas- und Steinschneiderei, Elfenbeinschnitzerei, Spielwarenfabrikation und (1885) 3412 Einw. Berühmt ist W. wegen seiner Thermen, vier schwach alkalisch-salinischer Schwefelquellen von 35-36° C. Temperatur. Sie werden zu Trink- und Badekuren benutzt und in letzterer Form namentlich bei Gicht-, Gelenk- und Muskelrheumatismen, Residuen nach äußern Verletzungen, Neuralgien etc., als Getränk besonders bei alten Bronchial-, Magen- und Darmkatarrhen, Unterleibsplethora etc. empfohlen. Auch für Molkenkur sowie für Douche-, Regen- und Dampfbäder sind Veranstaltungen getroffen. Die Zahl der Kurgäste betrug 1885: 2326. In der reizenden Umgebung sind besonders Hirschberg, Hermsdorf, die Ruine Kynast, Petersdorf, Schreiberhau, der Zacken- und der Kochelfall etc. zu nennen. Vgl. Knoblauch, W. und seine Heilquellen (Warmbr. 1876).

Wärme, die physische Ursache jener Zustände der Körper, die wir mit heiß, warm, kalt etc. bezeichnen. Einen sehr niedrigen Grad der Erwärmung nennen wir Kälte, einen sehr hohen Hitze. Zur Erklärung der Wärmeerscheinungen nahm man früher einen eigentümlichen unwägbaren Wärmestoff an, welcher, indem er in die Körper in größerer oder geringerer Menge eindringe, ihre verschiedenen Erwärmungsgrade, ihre Ausdehnung, das Schmelzen und Verdampfen etc. hervorbringen sollte. Diese »Wärmestofftheorie« vermochte jedoch weder von den Erscheinungen der Wärmestrahlung noch von der Thatsache, daß durch Reibung oder überhaupt durch mechanische Arbeit W. erzeugt werden kann, befriedigende Rechenschaft zu geben. Die gegenwärtig allgemein anerkannte mechanische Wärmetheorie dagegen nimmt an, daß die W. in einer Bewegung der kleinsten Körperteilchen (Moleküle) besteht, welche zwar wegen der Kleinheit dieser Teilchen unserm Auge nicht sichtbar ist, auf unsern Gefühlssinn aber denjenigen Eindruck hervorbringt, welchen wir »W.« nennen. Um zu erläutern, wie sich die Erzeugung von W. durch mechanische Arbeit nach dieser Vorstellung erklärt, betrachten wir einen Schmied, der ein Stück Eisen hämmert. Indem er den Hammer emporhebt, leistet er Arbeit, vermöge welcher der Hammer beim Herabfallen die Wucht erlangt, die ihn zur Bearbeitung des Eisens befähigt. Der niederfallende Hammer kommt nun, nachdem er das auf dem Amboß liegende Eisen berührt hat, zur Ruhe, seine fortschreitende Bewegung wird plötzlich gehemmt; die Wucht aber, die ihm innewohnte, ist keineswegs spurlos verschwunden, sondern sie ist in die getroffenen Körper übergegangen, indem sie in denselben schwingende Bewegungen wachrief, in welchen sich die anscheinend verschwundene Wucht des Hammers ungeschmälert wiederfindet. Der Amboß gerät in heftige Erzitterungen, ähnlich denjenigen einer angeschlagenen Glocke, und sendet lauten Klang zu unserm Ohr. Im gehämmerten Eisen aber werden Schwingungen seiner Moleküle erregt, die wir als W. empfinden; das Eisen erwärmt sich und kann durch fortgesetztes Hämmern sogar zum Glühen gebracht werben. Die Arbeit, welche der Schmied bei jedem Hammerschlag leistet, ist um so größer, je schwerer sein Hammer ist, und je höher er ihn hebt. Wiegt der Hammer 1 kg, und wird er 1 m hoch gehoben, so nennt man die hierzu erforderliche Arbeitsgröße »ein Meterkilogramm«; durch dieselbe Größe wird die Wucht (Bewegungsenergie) gemessen, mit welcher der Hammer auf den Amboß trifft. Dieser Wucht entspricht nun genau die Menge W., welche in dem gehämmerten Eisen entwickelt wird. Um Wärmemengen nach einem bestimmten Maß zu messen, vergleicht man sie mit derjenigen Wärmemenge, welche erforderlich ist, um 1 kg (oder 1 Lit.) Wasser um 1° C. zu erwärmen, d. h. man hat diese Wärmemenge als Wärmeeinheit ebenso wie das Meterkilogramm als Arbeitseinheit festgesetzt. Durch Versuche über die Reibung von Gußeisen mit Wasser, bei welchen einerseits die aufgewendete Arbeit, anderseits die entwickelte Wärmemenge genau bestimmt wurde, hat man gefunden, daß eine Arbeit von 424 Meterkilogrammen verbraucht wird, um 1 kg Wasser um 1° C. zu erwärmen. Der Schmied müßte also 424 Hammerschläge mit der Wucht von je 1 Meterkilogramm führen, um das Stück Eisen so weit zu erhitzen, daß es, in 1 Lit. Wasser geworfen, dieses um 1° C. erwärmen könnte. Die Zahl von 424 Meterkilogrammen nennt man das mechanische Äquivalent der Wärmeeinheit; sie drückt das unabänderliche Verhältnis zwischen Arbeit und W. aus, nach welchem die eine in die andre sich umsetzt. Daß nämlich nicht nur Arbeit in W., sondern auch umgekehrt W. in Arbeit umgesetzt werden kann, zeigt uns ja jede Dampfmaschine; die Energie der Bewegung, mit welcher ein Bahnzug dahinrollt, entsteht offenbar aus der W. des Feuers, welches unter dem Dampfkessel der Lokomotive unterhalten wird; und zwar verschwindet für je 424 Meterkilogramme Arbeit, welche die Maschine durch Fortbewegung des Bahnzugs leistet, eine Wärmeeinheit, indem sie sich aus der Form unsichtbarer molekularer Bewegung in die Wucht sichtbar bewegter Massen umwandelt.

Betrachten wir nun die Erscheinungen, welche bei der Erwärmung eines festen Körpers eintreten, im Lichte der mechanischen Wärmetheorie. Ein fester Körper ist anzusehen als eine Anhäufung (ein »Aggregat«) von kleinsten Körperteilchen oder Molekülen, welche, ohne sich unmittelbar zu berühren, durch die zwischen ihnen thätige Anziehungskraft (die Kohäsion) zu einem Ganzen zusammengehalten werden. Jedem Molekül ist durch das Zusammenwirken der von seinen Nachbarmolekülen ausgeübten Kräfte eine bestimmte Gleichgewichtslage angewiesen, aus welcher es nur durch die Einwirkung äußerer Kräfte entfernt und in eine neue Gleichgewichtslage übergeführt werden kann; hören diese äußern Kräfte auf zu wirken, so wird es durch die Molekularkräfte wieder in die frühere Gleichgewichtslage zurückgetrieben; hieraus erklärt sich die den festen Körpern eigne Elastizität. Die Moleküle befinden sich aber in ihrer jeweiligen Gleichgewichtslage nicht in Ruhe, sondern sie vollführen sehr rasche Schwingungen um dieselbe; die Wucht, mit welcher die schwingenden Moleküle gegen den berührenden Finger anprallen, empfinden wir als W. Der Erwärmungsgrad oder die Temperatur eines Körpers ist demnach gleichbedeutend mit der Wucht der Bewegung seiner Moleküle. Einen festen Körper erwärmen heißt daher nichts andres, als die Moleküle in lebhaftere Schwingungen versetzen oder ihre Schwingungsweite vergrößern; indem sich aber jetzt die schwingenden Moleküle weiter als zuvor von ihren Gleichgewichtslagen entfernen, beanspruchen sie einen größern Spielraum für ihre Bewegungen und drängen sich gegenseitig auseinander in neue weiter voneinander entfernte Gleichgewichtslagen. Der Rauminhalt des Körpers wird daher beim Erwärmen vergrößert, der Körper dehnt sich aus. Dem Auseinanderweichen der Moleküle widersetzen sich aber die Molekularkräfte; zur Überwindung ihres Widerstandes wird eine gewisse