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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Wedântasystem

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Weda - Wedântasystem.

schatz, den die Inder aus ihren Stammsitzen am Indus mitbrachten, und dessen älteste Hymnen bis ins 15. Jahrh. v. Chr. hinaufreichen. Sie ist eingeteilt in 10 Mandala (Kreise) mit 1017 Hymnen (Sûkta) in 10,580 Versen (Ritsch); die einzelnen Mandala werden verschiedenen Verfassern zugeschrieben, nur das 1. und 10. enthalten Lieder von Sängern (Rischi) verschiedener Geschlechter; innerhalb der einzelnen Mandala sind die Hymnen nach den Gottheiten geordnet, an die sie gerichtet sind, zuerst Agni, dann Indra etc.; das 9. Buch enthält nur Hymnen an Soma. Die Lieder des Rigweda enthalten die ältesten Nachrichten über die historischen und sozialen Verhältnisse der Inder, wie auch ihre Sprache an Altertümlichkeit das spätere Sanskrit bedeutend überragt; dagegen ist die Bedeutung der Lieder für die vergleichende indogermanische Mythologie überschätzt worden. Ein wertvoller Kommentar ist uns aus dem 14. Jahrh. n. Chr. von Sâjana erhalten (Ausgaben von M. Müller, Lond. 1849-75, 6 Bde.; kleinere Ausgabe, 2. Aufl. 1878; von Aufrecht, 2. Aufl., Bonn 1877, 2 Bde.; von Oldenberg, Berl. 1888 ff.; Übersetzungen von H. Graßmann, Leipz. 1876-77, 2 Bde.; von A. Ludwig, Prag 1875-88, 6 Bde.; K. Geldner u. A. Kägi, 70 Lieder des Rigveda übersetzt, Tübing. 1875). Zum Rik gehören: das Aitareja-Brâhmana (hrsg. mit Übersetzung von M. Haug, Bombay 1863, 2 Bde.) und das Çânkhâjana-Brâhmana, von Sûtren das Âçvalâjana Sûtra (hrsg. in der »Bibliotheca indica«, Kalk. 1864-74) und das Cânkhâjana-Sûtra, ferner ein sehr wichtiges Prâtiçâkhja-Sûtra von Çaunaka (hrsg. von A. Regnier, Par. 1857-58; von M. Müller, Leipz. 1856-69). Die Samhitâ des Sâmaweda ist eine Anthologie aus der des Rigweda, die Verse derselben umfassend, welche beim Somaopfer gesungen werden sollen. Sâman bedeutet einen musikalisch modulierten Vers, jeder Ritsch kann in eine unbestimmte Anzahl von Sâman verwandelt werden. Von den 1810 Versen des Sâmaweda sind nur 78 nicht in der Rik-Samhitâ nachgewiesen; die Überlieferung der Verse im Sâmaweda ist nicht selten altertümlicher als im Rigweda (Ausg. von Th. Benfey, mit Übersetzung und Glossar, Leipz. 1848, 2 Bde.). Zum Sâmaweda gehören: das Tândja-Brâhmana, auch Pantschawinça genannt, das Schadwinça-Brâhmana, das Tschhândogja-Brâhmana, ferner Sûtren von Maçaka, Lâtjâjana, Drâhjâjana, das Anupadasûtra, Nidânasûtra, Puschpasûtra u. a. Der Jadschurweda (Jadschus, s. v. w. Opfer) enthält poetische und prosaische Sprüche für das gesamte Opferzeremoniell und zerfällt in den schwarzen Jadschurweda, auch Taittirîja-Samhitâ genannt (hrsg. von A. Weber in »Indische Studien«, Bd. 11 u. 12, 1871 bis 1872), und den weißen Jadschurweda, auch Vâdschasaneja-Samhitâ (hrsg. von A. Weber, Berl. 1849-52). Höchst wichtig ist das Çatapatha-Brâhmana zum weißen Jadschus, durch Umfang und Inhalt das bedeutendste von allen Brâhmana, besonders interessant durch seine Beziehungen zur spätern epischen Poesie der Inder wie zu den Legenden der Buddhisten und der Sânkhjaphilosophie (Ausg. von A. Weber, Berl. 1852-55). Die Samhitâ des Atharwaweda enthält in 20 Büchern (Kânda) etwa 760 Hymnen mit gegen 6000 Versen, wovon etwa ein Fünftel aus der Riksamhitâ stammt, meist Zauberformeln, Verwünschungen, Beschwörungen böser Geister, Sprüche für allerlei Vorkommnisse des täglichen Lebens (Ausg. von Roth und Whitney 1855-56; hundert Lieder, übersetzt von Grill, 2. Aufl., Stuttg. 1888). Das dazu gehörige Prâtiçâkhja hat Whitney im »Journal of the American Oriental Society« 1862 herausgegeben; für die Geschichte der indischen Philosophie sind die Upanischads des Atharwan besonders wichtig. Das ganze ungeheure Korpus der Wedalitteratur, das im großen Ganzen wohl im 6. Jahrh. abgeschlossen war, ist ohne Zweifel sehr lange Zeit nur mündlich fortgepflanzt worden. Wann die schriftliche Diaskeuase stattgefunden hat, läßt sich gegenwärtig noch nicht mit Sicherheit bestimmen; sie scheint aber von der Zeit ihrer Feststellung an bis auf die unsrige ganz unverändert bewahrt worden zu sein. Noch heute gibt es Brahmanen, die einen ganzen W. (Samhitâ, Brâhmana und Sûtra) auswendig wissen und so gewissermaßen eine lebendige Bibliothek bilden. Auch die Vortragsweise ist bis in die minutiösesten Details treu überliefert; neben dem Vortrag nach den Regeln, wie sich die Wörter eines Satzes zu einer Einheit verschlingen, dem Samhitâtext, gab es eine für alle vier Sammlungen auf uns gekommene Vortrags-, jetzt Schreibweise, den Padatext, in welcher die Verschlingungen alle aufgehoben sind und die Wörter in der Gestalt erscheinen, die sie außerhalb des Satzes haben. Vgl. Roth, Zur Litteratur und Geschichte des W. (Stuttg. 1846); M. Müller, History of ancient Sanscrit literature (2. Aufl., Lond. 1860); Muir, Original Sanscrit texts (1858 bis 1872, 5 Bde.; teilweise in 3. Aufl.); Whitney, The Vedas (in »Oriental and linguistic studies«, Bd. 1, New York 1873); A. Kägi, Der Rigveda (2. Aufl., Leipz. 1881); Ludwig, Die philosophischen und religiösen Anschauungen der W. (Prag 1875); H. Zimmer, Altindisches Leben (Berl. 1879).

Wedântasystem, eins der sechs (nach andern drei) Hauptsysteme der indischen Philosophie und zwar dasjenige, welches einerseits (im Unterschied von der Mimânsa) wirkliche Philosophie, anderseits (im Unterschied von beiden Sânk'hyas, der Nyâya- und der Waisêschika-Philosophie) auf den Inhalt der heiligen Bücher (Weden), statt auf unabhängiges Nachdenken gestützte Philosophie ist, woher auch sein Name: »Ziel (oder Ende) der Weden« abgeleitet wird. Dasselbe hat, wie alle (indische) Philosophie, mit der (indischen) Religion den (praktischen) Zweck, die Befreiung von der Qual des Wiedergeborenwerdenmüssens, gemein, unterscheidet sich aber von dieser, welche den genannten Zweck durch Opfer und äußere Zeremonien (Bußübungen u. dgl.) zu erreichen sucht, dadurch, daß ihr Befreiungsmittel nicht nur (wie dies auch bei den Sânk'hyas, der Nyâya und Waisêschika der Fall ist) ein geistiges, sondern (wie es bei den vorgenannten nicht der Fall ist) in erster Reihe (ähnlich wie bei der scholastischen Philosophie des Mittelalters in ihrem Verhältnis zur Offenbarung des Evangeliums) das Studium und die vertiefende Auslegung und wissenschaftliche Abrundung des Inhalts der Weden ist. Da nun den Weden zufolge ein Urwesen (Brâhma) existiert, das seiner Natur nach unveränderlich und wandellos, die Wandelbarkeit aber, als deren schärfster Ausdruck die Notwendigkeit des (in neuer Gestalt) Wiedergeborenwerdens erscheint, die Quelle unaufhörlicher Unseligkeit (der Qual des sich immer von neuem wiederholenden Sterbens) ist, so liegt die einzige dauernde Möglichkeit der Befreiung und die einzige Quelle dauernder Seligkeit in der Gewinnung der Einsicht, mit dem Urwesen eins und dadurch der Gefahr, dem Handel unterworfen, vom Tod entrafft und abermals geboren zu werden, auf ewig entrückt zu sein.