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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Wienbarg; Wiener Becken; Wiener Blau; Wiener Friedensschlüsse

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Wienbarg - Wiener Friedensschlüsse.

deutschen Kaiser. In den Türkenkriegen wurde die Stadt zum erstenmal vom 22. Sept. bis 15. Okt. 1529 vom Sultan Soliman mit 120,000 Mann belagert, aber von 16,000 Mann Soldaten und 5000 Bürgern unter Nikolaus von Salm tapfer verteidigt, bis Soliman abzog. Graf Matthias von Thurn, von den Protestanten zu Hilfe gerufen, belagerte 1619 den Erzherzog Ferdinand in W., sah sich aber genötigt, die Belagerung aufzuheben. 1640 erschienen die Schweden vor W., um es durch Handstreich zu nehmen, zogen aber unverrichteter Sache wieder ab. 1679 sowie früher schon 1370, 1381, 1541 und 1564 ward die Stadt von der Pest heimgesucht. In dem von den ungarischen Grafen Tököly veranlaßten neuen Türkenkrieg wurde W. vom 14. Juli bis 12. Sept. 1683 von 200,000 Türken unter Kara Mustafa belagert, aber von 13,000 Mann Soldaten und 7000 Bürgern unter Rüdiger von Starhemberg verteidigt, bis der Herzog von Lothringen mit der Reichsarmee und Johann Sobieski von Polen die Stadt entsetzten. 1704 wurden die bei der Belagerung niedergebrannten, seitdem aber wieder aufgebauten Vorstädte gegen die bis nahe an W. streifenden ungarischen Insurgenten unter Rákóczy mit den noch erhaltenen Linien umgeben, welche im März und Juni d. J. die Vorstädte wirklich vor der Zerstörung schützten. 1718 wütete wiederum die Pest, doch milder als früher. 1722 erhob der Papst das Bistum W. zu einem Erzbistum. Am 13. Nov. 1805 ward W. von französischen Truppen besetzt, die aber 12. Jan. 1806 infolge des Preßburger Friedens wieder abzogen. In dem neuen Krieg mit Frankreich langten die französischen Vortruppen 10. Mai 1809 vor W. an und bombardierten in der Nacht des 12. von den Vorstädten aus die innere Stadt, worauf diese 13. Mai kapitulierte. W. war nun der Mittelpunkt der französischen Kriegsmacht bis zum zweiten Wiener Frieden (s. d.) 14. Okt. 1809. Bei ihrem Abzug nahmen die Franzosen die vorzüglichsten Kunstgegenstände mit sich u. sprengten die Wälle vom Kärntner Thor bis zur Elendbastei. Zwar wurden dieselben wiederhergestellt; dessen ungeachtet hörte jedoch später W. auf, Festung zu sein, und die Werke wurden in Spaziergänge verwandelt. 1815 fand in den Mauern Wiens der berühmte Wiener Kongreß (s. d.) und 1819 ein Ministerkongreß statt. 1831 wütete zum erstenmal die Cholera auf verheerende Weise in der Kaiserstadt. Im März 1848 brachen Unruhen in W. aus, die den Sturz Metternichs (13. Mai) und den Erlaß einer Verfassung sowie die Berufung volkstümlicher Minister zur Folge hatten. Doch kam es im Mai zu einer neuen Erhebung der Studenten (Aula) und 6. Okt. zu einer förmlichen Revolution, so daß W. von den Truppen unter Windischgrätz förmlich erobert werden mußte (vgl. Österreich-Ungarn, S. 517-518). Am 24. Jan. 1857 wurde hier die für den größten Teil von Deutschland gültige Münzkonvention geschlossen. 1858 wurde mit der Beseitigung der alten innern Befestigung der Anfang gemacht und auf dem durch die Niederlegung derselben gewonnenen Boden die großartige Ringstraße angelegt, welche die innere Stadt umgibt, und an der sich eine bedeutende Zahl neuer öffentlicher und privater Prachtgebäude erheben. Nach dem am 3. Juli 1866 von den Preußen bei Königgrätz erfochtenen Sieg rückte die Avantgarde derselben bis in die Nähe von W. vor. 1873 fand in W. eine Weltausstellung statt.

[Litteratur.] Vgl. Weiß, Topographie der Stadt W. (Wien 1876); »Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild«, Bd. 1: Wien (das. 1886); Waagen, Die vornehmsten Kunstdenkmäler in W. (das. 1866-67, 2 Bde.); Lützow, Wiener Monumentalbauten (das. 1878); Bodenstein, Hundert Jahre Kunstgeschichte Wiens 1788-1888 (das. 1888); die »Führer durch W.« von Förster (20. Aufl., das. 1888), Seis (1880), Bermann (5. Aufl. 1889), Maurer (1889) und Winkler, Technischer Führer durch W. (Wien 1874); über das Wiener Volksleben die Schriften von Spitzer, Schlögl u. a.; Hormayr, W., seine Geschichte und Denkwürdigkeiten (Wien 1824, 5 Bde.); Weiß, Geschichte der Stadt W. (2. Aufl., das. 1882); Bermann, Alt- und Neu-W., Geschichte der Kaiserstadt (das. 1880); »Wien 1848-88, Denkschrift des Gemeinderats« (das. 1888, 2 Bde.); Zapf, Wirtschaftsgeschichte Wiens 1848-88 (das. 1888); Munk, Die Steuerbelastung der Reichshauptstädte W. und Berlin (das. 1889); v. Renner, Wien im J. 1683 (das. 1883); Kink, Geschichte der Universität W. (das. 1824, 2 Bde.); Aschbach, Geschichte der Wiener Universität (das. 1865-85, 3 Bde.); »Geschichtsquellen der Stadt W.« (hrsg. von Tomaschek u. Weiß, das. 1877 ff.).

Wienbarg, Ludolf, Schriftsteller, geb. 25. Dez. 1802 zu Altona, studierte in Kiel und Bonn Theologie, dann Philosophie, hielt 1834 in Kiel Privatvorlesungen über Ästhetik und deutsche Litteratur und ging 1835 nach Frankfurt a. M., um mit Gutzkow die »Deutsche Revue« zu gründen; doch ward dieselbe bald unterdrückt. 1836 als zur Partei des »jungen Deutschland« gehörig vom Bundestag ausgewiesen, lebte W. eine Zeitlang am Rhein und dann zu Hamburg, wo er längere Zeit den kritischen Teil der »Börsenhalle«, dann nacheinander die Mitredaktion der »Hamburger neuen Zeitung«, des »Altonaer Merkur« und der »Litterarisch-kritischen Blätter« (bis 1847) besorgte. Am schleswig-holsteinischen Krieg 1848 nahm er als Stabsadjutant im Freikorps, 1849 als freiwilliger Jäger teil. Schon vorher nicht eigentlich produktiv, vermochte sich W. in den letzten Jahrzehnten seines Lebens immer weniger zur Thätigkeit aufzuraffen und starb ziemlich verschollen 2. Jan. 1872 in seiner Vaterstadt. Unter den jungdeutschen Autoren hatte er durch die starke Prätension seines Naturells und eine gewisse Reinheit des Stils eine Zeitlang Aufsehen und große Hoffnungen erregt. Doch behielt seine ganze litterarische Thätigkeit einen durchaus fragmentarischen und gleichsam zufälligen Charakter. Seine »Ästhetischen Feldzüge« (Hamb. 1834) vertraten die jungdeutschen Litteraturanschauungen, welche der spätere Entwickelungsgang der neuen deutschen Litteratur widerlegte. Als seine besten Leistungen gelten die aus persönlichen Erlebnissen erwachsenen Schriften: »Holland in den Jahren 1831 und 1832« (Hamb. 1833, 2 Bde.); »Tagebuch von Helgoland« (das. 1838) und »Darstellungen aus den schleswig-holsteinischen Feldzügen« (Kiel 1850-51, 2 Bde.). Später schrieb er noch: »Das Geheimnis des Worts« (Hamb. 1852) und eine »Geschichte Schleswigs« (das. 1862, 2 Bde.).

Wiener Becken, s. Tertiärformation, S. 602.

Wiener Blau, s. Kobaltblau.

Wiener Friedensschlüsse. Vier Friedensverträge wurden in Wien abgeschlossen: 1) Der vom 18. Nov. 1738 zwischen Kaiser Karl VI. und König Ludwig XV. von Frankreich und dessen Verbündeten nach dem polnischen Erbfolgekrieg, dessen Präliminarien schon 3. Okt. 1735 festgesetzt worden waren, wonach Lothringen und Bar an Stanislaus Leszczynski und nach dessen Tod an Frankreich fallen, Herzog Franz von Lothringen durch Toscana entschädigt und Sizilien und Neapel als Sekundogenitur an die spa-^[folgende Seite]