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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Wiener Grün; Wiener Kongreß

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Wiener Grün - Wiener Kongreß.

nischen Bourbonen abgetreten werden sollten, wogegen Frankreich die Pragmatische Sanktion und August III. von Sachsen als König von Polen anerkannte. - 2) Der Friede zwischen Kaiser Franz II. und Napoleon vom 14. Okt. 1809, in dem Österreich Salzburg, seine adriatischen Besitzungen und einen Teil der polnischen abtrat. - 3) Der Friede vom 30. Okt. 1864 zwischen Österreich und Preußen einerseits und Dänemark anderseits, wonach dieses die Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg an die verbündeten deutschen Mächte abtrat. - 4) Der Friede vom 3. Okt. 1866 zwischen Österreich und Italien, in welchem ersteres Venetien abtrat.

Wiener Grün, s. v. w. Schweinfurter Grün.

Wiener Kongreß. Der Schlußartikel des ersten Pariser Friedens vom 30. Mai 1814 enthielt die Bestimmung, daß alle Mächte, welche an dem Kriege gegen Napoleon I. beteiligt gewesen, zur Ordnung der Verhältnisse Europas Abgesandte nach Wien schicken sollten. Der Anfang des Kongresses wurde wegen der Reisen der Monarchen erst nach England, dann in ihre Heimat bis zum September 1814 verschoben. Anwesend waren die Monarchen von Rußland, Preußen, Bayern und Württemberg; die Hauptabgeordneten der Staaten waren für Österreich Fürst Metternich, für Rußland Graf Nesselrode, für England Lord Castlereagh, später Wellington, für Preußen Fürst Hardenberg, für Frankreich Fürst Talleyrand. Auch die übrigen deutschen Höfe, die vormals souveränen Städte, die Schweiz, viele mediatisierte Häuser hatten ihre Abgesandten geschickt, so daß sich die Zahl der diplomatischen Personen auf 450 belief. Glänzende Feste, dramatische und militärische Schauspiele u. dgl. trugen dazu bei, die große Zahl von Personen der höchsten Gesellschaft zu unterhalten, und drohten mehr und mehr, die eigentliche Aufgabe der Versammlung in den Hintergrund zu drängen. Zwei Hauptaufgaben lagen dem W. K. ob, 1) der Wiederaufbau eines europäischen Staatensystems mit Herstellung des politischen Gleichgewichts und 2) die Neuordnung der innern Verhältnisse Deutschlands. Am 22. Sept. eröffneten daher die Bevollmächtigten der vier verbündeten Großmächte, Österreich, Rußland, Preußen und England, den Kongreß mit dem Beschluß, daß für die Kongreßarbeiten zwei Ausschüsse, der eine für die Konstituierung des Deutschen Bundes, der andre für die europäischen Angelegenheiten, errichtet werden sollten und kraft des Pariser Friedens, welcher Frankreich ausschloß, letzterer nur aus den Bevollmächtigten der vier Verbündeten bestehen sollte; Talleyrand setzte jedoch die Berufung des sogen. Generalausschusses der Acht durch, in welchen außer den vier Mächten auch Spanien, Portugal, Schweden und Frankreich eintraten. Jedes Ausschußmitglied sollte gleiches Recht und eine Stimme haben; an die Stelle der Rangordnung sollte das französische Alphabet treten und demnach Österreich (Autriche) in der Person Metternichs den Vorsitz führen. Am 8. Okt. erließ der so organisierte Ausschuß die Erklärung, daß er alle Fragen insoweit ordnen werde, bis dieselben zur Verhandlung mit den einzelnen Beteiligten reif wären. Die neue Länderverteilung und Grenzbestimmung in Europa war zum größten Teil bereits durch den Pariser Frieden geregelt. Schwierigkeiten bereitete besonders die polnische Frage, mit welcher, da Preußen sein früheres Gebiet in Polen nur gegen die Erwerbung ganz Sachsens aufgeben wollte, auch die sächsische und damit die deutsche Frage verbunden war. Der Kaiser Alexander I. forderte das Herzogtum Warschau, um daraus ein Königreich Polen unter russischem Protektorat zu gründen, wogegen England und Österreich sich erklärten. Die Hartnäckigkeit, womit die Parteien sich in der polnischen und sächsischen Frage entgegentraten, schien im Dezember 1814 Europa mit einem neuen Krieg zu bedrohen. Talleyrand hetzte nach Kräften, um die Allianz der Mächte zu sprengen, und brachte 3. Jan. 1815 ein geheimes Bündnis zwischen England, Österreich und Frankreich zu stande, um die polnisch-sächsischen Pläne Preußens und Rußlands zu bekämpfen. Schon entwarf man die militärischen Operationen. Metternich arbeitete aber unermüdet an einer friedlichen Lösung der Verwickelung, und Preußen ließ sich endlich zu der Zustimmung bereit finden, daß Sachsen geteilt werden und Preußen den nördlichen, dünner bevölkerten Teil (850,000 Einw.) mit den Elbfestungen Torgau und Wittenberg erhalten, der Rest aber als Königreich unter den Wettinern fortbestehen sollte. Der Vertrag kam wegen der hartnäckigen Weigerung Friedrich Augusts erst 18. Mai 1815 zu stande. Das Herzogtum Warschau ward geteilt, indem Kaiser Alexander den westlichen Teil (Großpolen) mit Thorn an Preußen abtrat und für den Rest den Titel eines Königs von Polen annahm. Am 3. Mai 1815 erfolgte die Unterzeichnung von drei Verträgen zwischen Rußland, Österreich und Preußen, welche die getroffene Teilung Polens sicherten und die Verhältnisse des Freistaats Krakau bestimmten.

Fortan nahmen Angelegenheiten des Kongresses einen raschern und einmütigern Gang, zumal da durch Napoleons Rückkehr nach Frankreich Talleyrands verderblicher Einfluß bald beseitigt wurde. Der Ausschuß ernannte 8. Febr. 1815 eine Kommission, welche die Vorbereitungen zur weitern Länderteilung treffen sollte. Preußen erhielt außer Großpolen und dem sächsischen Landesteil als Entschädigung für die Abtretung Ostfrieslands, Hildesheims etc. an Hannover, Ansbachs und Baireuths an Bayern, Lauenburgs an Dänemark: Kleve, Berg, den größern Teil des linken Rheinufers bis an die Saar und Schwedisch-Pommern, so daß es im Vergleich mit dem Bestand von 1805: 33,000 qkm verlor und etwa ⅓ Mill. Seelen gewann. England bewirkte, um auf dem Festland einen Stützpunkt zu haben, die Vereinigung Hollands und Belgiens zu einem Königreich der Niederlande unter dem Zepter des Hauses Oranien, wofür es zugleich einen Teil der holländischen Kolonien in Beschlag nahm. Als Ersatz für die nassauischen Länder erhielt der neue König das Großherzogtum Luxemburg, wodurch er die Mitgliedschaft des Deutschen Bundes erlangte. England erhielt außerdem Malta und die Schutzherrschaft über die Ionischen Inseln. Dänemark, das 1813 an England Helgoland, an Schweden aber gegen die Zusicherung von Schwedisch-Pommern Norwegen abgetreten hatte, mußte Schwedisch-Pommern und Rügen für Lauenburg und 2 Mill. Thlr. an Preußen überlassen. Schweden erhielt als Entschädigung für Finnland und Schwedisch-Pommern die Anerkennung des Besitzes von Norwegen. In der Schweiz wurde die Mediationsakte von 1803 aufgehoben und ein Bund von 22 Kantonen gebildet, dessen Neutralität garantiert wurde. In Italien nahm der Erzherzog Ferdinand das Großherzogtum Toscana wieder in Besitz und erhielt dazu Piombino und Elba, trat jedoch Lucca dem spanischen Infanten Karl Ludwig ab, bis Parma erledigt wäre. Die Verbündeten hatten nämlich in dem Vertrag vom 11. April 1814, welcher den Besitzstand des Hauses Bonaparte regelte,