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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Wladīmir; Wladīmir Alexandrowitsch; Wladīmirbai; Wladīmir-Orden; Wladislaw

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Wladimir - Wladislaw.

rei (16,2), Flachsspinnerei (4), Leinweberei (3,7), Glasindustrie (1,9), Kupferindustrie (1,2 Mill. Rub.). Die Mannigfaltigkeit der Hausindustrien ist groß und erstreckt sich auf Baumwollweberei, Seidenspulerei, Spielwarenindustrie, Handschuhstrickerei, Schuhwarenindustrie, Wollweberei, Schreinerei, Filzstiefelfabrikation, Böttcherei, Kürschnerei u. a. m. Besonders die Verfertigung von Heiligenbildern ist seit alter Zeit in dieser Gegend mit Vorliebe betrieben worden; auch viele Holzschneider, Vergolder, Ziselierer gibt es, welche die Einfassung der Bilder und Kirchenaltäre (Ikonostase) verfertigen. Der Handel ist sehr bedeutend (wichtig die Jahrmärkte zu Schuja, Murom und Kowrow). Zur Ausfuhr kommen Manufakturwaren, Heiligenbilder, Strümpfe, Handschuhe, Glas, Holz- und Metallgegenstände, Flachs und Leinwand; zur Einfuhr Getreide und Rohmaterialien für die Fabriken. An Unterrichtsanstalten hat W. (1885) 649 Elementarschulen mit 34,883 Schülern, 17 Mittelschulen mit 3055 Schülern und 3 Fachschulen mit 834 Schülern. Das Gouvernement ist in 13 Kreise eingeteilt: Alexandrow, Gorochowez, Jurgew, Kowrow, Melenki, Murom, Perejaszlawl-Saleski, Pokrow, Schuja, Sudogda, Susdal, Wjasniki und W. - Das Land, welches das jetzige Gouvernement W. bildet, hieß früher Susdal. 1170 wählte der Fürst Andrei Bogoljubski von Susdal die Stadt W. zu seiner Residenz und nahm den Titel eines »Großfürsten von W.« an. Von nun an war W. das Hauptland in ganz Rußland. Jaroslaw II. (1238-47) sah sich genötigt, 1242 das Land von dem Mongolenchan Batu als Lehen anzunehmen. Nach dem Tode des Großfürsten Andreas (1304) stritten der Fürst Michael von Twer und der Fürst Georg von Moskau um den Besitz des Großfürstentums; endlich siegte Georg 1319 und wurde nun auch vom Mongolenchan als Großfürst bestätigt. 1328 kam durch Johann von Moskau, den der Chan zum Großfürsten ernannte, der Sitz der Großfürsten nach Moskau. Vgl. Stellmacher, Beitrag zur Darstellung der Hausindustrie in Rußland (Riga 1886). - Die gleichnamige Hauptstadt, an der Kljäsma und an der Moskau-Nishnij Nowgoroder Bahn, hat 28 Kirchen (darunter die Kathedrale zu Mariä Himmelfahrt mit Gräbern der Großfürsten von W. und die Kathedrale des heil. Dmitrij im Kreml), einen uralten, teilweise zerfallenen Kreml, zu welchem man bei großen Feierlichkeiten durch die sogen. goldene Pforte (1158 von Andrei Bogoljubski erbaut) ging, schöne Gouvernementsgebäude, ein Priesterseminar, ein klassisches Gymnasium, ein Mädchengymnasium, einige Fabriken und (1885) 18,305 Einw. W. war einst die Residenz der Großfürsten von W. und gegenwärtig Sitz des Erzbischofs von W. und Susdal.

2) W.-Wolynsk, Kreisstadt im russ. Gouvernement Wolhynien, hat eine griechisch-russische und eine kath. Kirche, ein schönes Mönchskloster (seit 1755), eine Synagoge, unbedeutenden Handel und (1885) 8752 Einw. W. bestand schon im 9. Jahrh. unter dem Namen Ladomir, war dann die Hauptstadt eines selbständigen Fürstentums, wurde 1320 vom litauischen Fürsten Gedimin erobert, jedoch 1349 vom polnischen König Kasimir d. Gr. mit allen dazu gehörigen Ländern an Polen gebracht und kam 1795 unter russische Oberhoheit.

Wladīmir der Große oder der Apostelgleiche, Großfürst von Rußland, war der Sohn Swjatoslaws und wurde 980 nach dem Tod seines Bruders Oleg und der Ermordung des andern Bruders, Jaropolk, Herr des ganzen russischen Reichs, das er durch Unterwerfung verschiedener benachbarter Völker so vergrößerte, daß es bereits unter ihm vom Dnjepr bis zum Ladogasee und bis an die Düna reichte. Auch im Innern des Reichs traf er manche gute Einrichtungen. Den Beinamen des Apostelgleichen erwarb er sich dadurch, daß er bei Gelegenheit seiner Vermählung mit der griechischen Prinzessin Anna 988 mit einem großen Teil seines Volkes zur christlichen Kirche übertrat und dann Priester aus Konstantinopel zur Ausbreitung des Christentums kommen ließ. Die Teilung des Reichs unter seine zwölf Söhne, die er bei seinem Tod 1015 vornahm, schwächte das Reich und führte später seinen gänzlichen Verfall herbei. W. zu Ehren ward der Wladimir-Orden gestiftet u. 1853 zu seinem Andenken in Kiew an dem hohen Dnjeprufer ein imposantes Denkmal errichtet.

Wladīmir Alexandrowitsch, Großfürst von Rußland, geb. 20. April 1847, Sohn des Zaren Alexander II. und jüngerer Bruder Alexanders III., trat in die Armee und wurde 1886 zum Kommandeur des Gardekorps und des Petersburger Militärbezirks ernannt. Er ist seit 20. Aug. 1874 mit der Großfürstin Marie (geb. 14. Mai 1854), Tochter des Großherzogs Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin, vermählt.

Wladīmirbai, Busen des Japanischen Meers im russ.-sibirischen Küstengebiet, hat drei Buchten, von denen die südlichste guten Schutz für die Schiffahrt bietet.

Wladīmir-Orden, russ. Zivilverdienstorden, 22. Sept. 1782 von Katharina II. zu Ehren des »heiligen, apostelgleichen Wladimir« in vier Klassen gestiftet. Die Dekoration besteht in einem goldenen, rot emaillierten Kreuz, auf dessen Mittelavers der gekrönte Hermelinmantel die Namenschiffer des Heiligen (L) trägt, und auf dessen Revers das Stiftungsjahr steht. Die erste Klasse trägt das Kreuz am dunkelroten, schwarz geränderten Band über die Schulter, die zweite am Hals, beide dazu einen Stern mit acht Silber- und Goldspitzen, in dessen Mittelschild sich ein Kreuz mit den Buchstaben »C. P. K. B.« in den Winkeln und die Devise: »Nutzen, Ehre, Ruhm« als Umschrift befinden. Die dritte Klasse trägt das Kreuz am Hals, die vierte im Knopfloch.

Wladislaw (Ladislaw, latinisiert Ladislaus): 1) König von Böhmen und Ungarn, Sohn des Königs Kasimir IV. von Polen aus dem Geschlecht der Jagellonen, geb. 1456, ward auf Betrieb Georg Podiebrads 1471 von den utraquistischen Ständen zum König von Böhmen erwählt, hatte mit Matthias Corvinus um die böhmische Krone zu kämpfen und mußte demselben im Olmützer Vertrag 1478 Schlesien, Mähren und die Lausitz abtreten. Er stellte durch den Religionsfrieden von Kuttenberg 1485 die Eintracht zwischen den religiösen Parteien her, sah sich jedoch den demütigendsten Anfeindungen ausgesetzt. 1490 wurde er auch zum König von Ungarn erwählt, förderte aber in beiden Reichen durch seine Schwäche (in Böhmen in der Wladislawschen Landordnung) die Übermacht des Adels, dessen Parteien sich um den herrschenden Einfluß auf den König stritten, bis Johann Zápolya, namentlich durch die Unterdrückung der Kuruzzen, allmächtig wurde, beobachtete den Türken gegenüber eine friedliche Politik und schloß 1515 mit Kaiser Maximilian I. einen Vertrag, wonach seine Kinder Anna und Ludwig mit Maximilians Enkelkindern Ferdinand und Maria vermählt werden und nach Ludwigs söhnelosem Tod beide Reiche an das Haus Habsburg fallen sollten; er starb 13. März 1516 in Ofen.

2) König von Neapel, Sohn Karls des Kleinen von Durazzo, geb. 1376, folgte nach Ermordung