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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Zephyr - Zeremoniell.

1859-73, 2 Bde.) sowie »Kristallographische Wandtafeln« (Prag 1877).

Zephyr, ein kühler, sanfter West- oder Abendwind; daher zephyrisch, sanft wehend oder säuselnd (vgl. Zephyros).

Zephyr, Zeug, s. Musselin.

Zephyrgarne, vielfädige, locker gezwirnte, weiche Kammgarne, dienen in allen Farben zur Stickerei.

Zephyros, der Westwind, in der griech. Mythologie der Sohn des Äolos oder des Asträos und der Eos, entführte seine Geliebte Chloris und gab ihr die Herrschaft über das ganze Blumenreich. Sie gebar ihm den Karpos, der von Zeus zum Vorsteher aller Früchte eingesetzt ward. Von der Harpyie Podarge war er der Vater der schnellen Rosse des Achilleus (Xanthos und Balios) und von einer andern des Arion. Verschmäht von Hyakinthos, war er Ursache seines Todes, indem er des Apollon Wurfscheibe nach dessen Kopfe fliegen ließ. Bei den Römern war Z. unter dem Namen Favonius Schutzgott der Blumen und Erdfrüchte. Ein Relief am Turm der Winde in Athen (s. Tafel »Baukunst IV«, Fig. 10) bildet ihn nackt, im Bausch seines Mantels Blumen tragend.

Zéphyrs (spr. sefīr), volkstümliche Bezeichnung der drei Bataillone leichter afrikanischer Infanterie der französischen Armee, in welche Soldaten eingestellt werden, die mit mindestens drei Monaten Gefängnis bestraft sind und wenigstens noch ein Jahr zu dienen haben.

Zepter (Scepter, griech. skeptron, »Stab«), ursprünglich ein langer, mannshoher Stab, der als Stütze diente, dann aber vorzugsweise der kürzere Stab meist von Elfenbein oder Gold, welchen Könige und andre Große als Zeichen ihrer Herrschaft zu führen pflegten. Die römischen Könige entlehnten dieses Z. aus Etrurien, und von diesen ging es auf die Konsuln, ferner auf die triumphierenden Feldherren und die Kaiser über, bei welchen beiden letztern es auf der Spitze mit einem Adler verziert war; auch wurde es von den Römern nicht selten verbündeten auswärtigen Fürsten zur Auszeichnung und als Zeichen der Freundschaft geschenkt. Im Mittelalter war das Neigen des Zepters das Zeichen der gewährten königlichen Gnade, das Küssen desselben Zeichen der Unterwürfigkeit.

Zerbi, Insel, s. Dscherba.

Zerbst, Kreisstadt im Herzogtum Anhalt, ehemals Hauptstadt des Fürstentums Anhalt-Z., an der Nuthe, Knotenpunkt der Linien Z.-Bitterfeld und Z.-Biederitz der Preußischen Staatsbahn, 66 m ü. M., hat 4 Vorstädte, 5 Thore, 4 evang. Kirchen (darunter die schöne Nikolaikirche), eine kath. Kapelle, eine Synagoge, ein großherzogliches Schloß mit Park, ein stattliches altes Rathaus (davor die Rolands- und die Butterjungfersäule) u. (1885) mit der Garnison (ein Füsilierbataillon Nr. 93) 15,069 meist evang. Einwohner, welche Eisengießerei, Maschinen-, Seifen-, Stärke-, Stock-, Leder-, Handschuh-, Gold- und Silbertressen-, Wagen-, chemische Produkten-, Zigarren-, Schirm- und Essigfabrikation, Bierbrauerei, Branntweinbrennerei, bedeutenden Garten- und Gemüsebau etc. betreiben. Z. ist Sitz eines Amtsgerichts und hat ein Gymnasium, eine Taubstummenanstalt, ein Waisenhaus und ein großes Hospital. Das Rathaus verwahrt als Merkwürdigkeit eine auf Pergament gedruckte Bibel, deren Holzschnitte von Lukas Cranach ausgemalt sind. - Z. (ursprünglich Zirwisti) wird schon 1007 als Stadt im Gau Zerbisti erwähnt und ist offenbar slawischen Ursprungs. Es kam 1253 unter die Lehnshoheit der Markgrafen von Brandenburg, stand aber bis 1264 unter der Herrschaft der edlen Herren von Z., welche die Stadt damals an die Herren von Barby verkauften. 1307 erst erwarb sie Fürst Albrecht I. von Anhalt, und auch die Lehnshoheit Brandenburgs erlosch nach dem Aussterben der Askanier in der Mark. Trotz vielfacher Streitigkeiten mit den Fürsten von Anhalt schwang sich die Stadt zu erheblicher Macht empor. 1506 wurde durch einen Brand fast ein Drittel der Stadt zerstört, und eine Seuche raffte 1566 und während des Dreißigjährigen Kriegs mehrfach einen großen Teil der Bevölkerung dahin; wenn auch Wallenstein 1626 auf Bitten der Fürstin Agnes die Stadt verschonte, so hatte sie in jenen Kriegsjahren doch viel zu leiden. Das Schloß stammt in seinen ältesten Teilen noch vom Fürsten Karl Wilhelm her, der 1681 den Bau begann; doch wurde er erst von seinem Neffen Christian August (gest. 1747) vollendet. Bis 1793 war die Stadt Residenz der Fürsten von Anhalt-Z. Vgl. »Urkundensammlung zur Geschichte von Anhalt«, Einleitung: Peter Beckers Zerbster Chronik (Dessau 1858).

^[Abb.: Wappen von Zerbst.]

Zerda, s. Fenek.

Zerduscht, s. v. w. Zoroaster.

Zeremoniāl, s. Zeremoniell.

Zeremonialgesetz, die Summe der jüdischen Gesetze und Verordnungen, welche ohne unmittelbar sittlichen oder sozialen Zweck religiöse Gedanken in bestimmter Form (durch Zeremonie) zum Ausdruck bringen sollen, um dadurch zu belehren oder die Gottesverehrung zu beleben. Das Z. regelt das Gottesdienstliche, früher auch das Opferwesen, bestimmt die Zeremonien für Feier- und Fasttage, die Aufnahme in den Religionsbund (s. Beschneidung), die Gebetriemen (s. Thefillin), die Schaufäden (s. Zizit), die Aufschrift an den Thürpfosten (s. Mesusa), das Auslösen des erstgebornen Sohns (s. Erstgeburt), die Trauergebräuche u. a.

Zeremonialĭen (lat.), Angelegenheiten des Zeremoniells.

Zeremonīe (lat., richtiger Cärimonie), äußere Förmlichkeit symbolischer Art, dazu bestimmt, den Gehalt und Zweck einer Handlung zu versinnlichen. Wichtige Akte im privaten und öffentlichen Leben sind meist von Zeremonien begleitet; namentlich fehlen dieselben bei keiner religiösen Handlung und haben im Kultus (s. d.) nicht selten einen so breiten Raum eingenommen, daß dadurch die innere Bedeutung der Handlung in den Hintergrund gedrängt ward. Die Reformatoren erklärten die Zeremonien für unwesentliche Bestandteile des Gottesdienstes. Während aber Zwingli alles radikal beseitigte, was sich nicht geradezu auf göttliche Einsetzung in der Schrift berufen kann, duldete Luther vieles, was sich auch ohne Schwierigkeit beseitigen ließ, behielt selbst Gebräuche bei, die auf unevangelischem Grund ruhen, und befleißigte sich überhaupt in dieser Richtung einer zu weit getriebenen Schonung. In der Theorie aber steht beiderseits fest, daß in Bezug auf die Formen des Kultus eine durch Zweckmäßigkeitsrücksichten ermäßigte Freiheit, Varietät innerhalb einer gewissen Uniformität, herrschen soll.

Zeremonĭell (Zeremoniel, Zeremonial, franz., v. lat. caerimonia), der Inbegriff der im öffentlichen Leben bei gewissen feierlichen Handlungen zu