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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Zeremonienmeister; Zerene; Zerknirschung; Zerkow; Zerlegen

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Zeremonienmeister - Zerlegen.

beobachtenden Förmlichkeiten und Gebräuche (Zeremonien). Dabei pflegt man zwischen Staats- und Hofzeremoniell zu unterscheiden. Ersteres teilt sich wieder in ein staatsrechtliches, welches die innerhalb des eignen Staats zu beobachtenden Zeremonien enthält, und ein völkerrechtliches, welches die Gebräuche und Formen reguliert, die im Verkehr verschiedener Staaten gegenseitig zu beobachten sind; dieses letztere bestimmt Rang und Titel der Fürsten, die Ehrenbezeigungen, die ihnen zukommen, das Salutieren der Schiffe zur See (s. Seezeremoniell), die Behandlung der Gesandten u. dgl. Ein solches Staatszeremoniell hat bis zu einem gewissen Grad seine Berechtigung, insofern wichtige Akte auch eine gewisse äußere Feierlichkeit erfordern. Indessen liegt die Gefahr nahe, daß ein solches Z. zur geschmacklosen Anhäufung bloßer Förmlichkeiten werden kann. Dies geschah namentlich früher am Hofe von Byzanz und im 17. und 18. Jahrh. überhaupt vielfach in Europa. Nicht selten gab eine noch so unbedeutende Verletzung des Zeremoniells Anlaß zu langen und verwickelten Verhandlungen und Streitigkeiten. Neuerdings ist dagegen die Strenge dieses Zeremoniells bedeutend gemildert worden. Das Z. ist namentlich für das Titelwesen von Wichtigkeit. »Majestät« ist im Lauf der Zeit der gemeinsame Titel der Kaiser und Könige geworden; »Königliche Hoheit« (Altesse royale) heißen außer den königlichen Kronprinzen und den Nachkommen in königlichen Häusern auch die deutschen Großherzöge und Erbgroßherzöge; »Hoheit« die regierenden Herzöge und Erbherzöge oder Erbprinzen; »Durchlaucht« die regierenden Fürsten und die Prinzen und Prinzessinnen herzoglicher und fürstlicher Häuser sowie die ehemals reichsständischen und die durch königliche Verleihung krëierten Fürsten; »Erlaucht« die ehemals reichsständischen Grafen.

Das Kanzleizeremoniell, der Inbegriff der Regeln, welche bei schriftlichen Verhandlungen beobachtet werden, betrifft die äußere Form, das Material, das Siegel, den Titel der Aufschrift und den Titel des Schreibenden, die Anrede-, Gruß- und Schlußformel. Man hat offene und versiegelte Briefe (lettres patentes und lettres closes), schreibt auf Papier und Pergament, z. B. in England bei allen inländischen Staatsurkunden und in der apostolischen Kanzlei zu Rom, führt große, mittlere, kleine Staatssiegel etc. Kaiser und Könige nennen sich gewöhnlich »Bruder«, Fürsten »Vettern«, wobei die wirklichen Verwandtschaftsverhältnisse nicht in Betracht kommen. Regenten korrespondieren durch Staats- und Kanzleischreiben (lettres de chancellerie), durch Kabinettsschreiben und durch Handschreiben. Im Verkehr der Staaten untereinander war früher die lateinische Sprache üblich, wenn es sich um Länder mit verschiedener Sprache handelte. Später war die französische Sprache die diplomatische Sprache. Jetzt schreibt man zumeist in der Landessprache. Namentlich erläßt die Regierung des Deutschen Reichs, wie schon früher die königliche preußische Regierung, ihre Noten nur in deutscher Sprache. Die Petersburger Kanzlei gibt den russischen Originalschreiben eine deutsche und französische Übersetzung bei. Staatsverträge werden gleichzeitig in den beiden Landessprachen redigiert, welche im gegebenen Fall in Betracht kommen.

Zum Hofzeremoniell, auch Hofetikette genannt, gehört die Anordnung der verschiedenartigen Hoffeierlichkeiten und überhaupt aller am Hofe vor sich gehenden Handlungen; es betrifft besonders Vermählungen, Begräbnisse, Huldigungen, Audienzen u. dgl., bestimmt Tracht, Rang, Titel, Handlungen der einzelnen Mitglieder des Hofs und ist nicht selten sehr umfangreich und kompliziert. Die Leitung desselben hat der Oberhofmarschall oder Zeremonienmeister (s. Hof). Das Hofzeremoniell hat seinen Ursprung im Orient und ist von da aus nach dem Abendland gekommen, zunächst nach Rom; besonders ausgebildet wurde es am römischen Hof seit der Regierung Diokletians und am byzantinischen. Dann fand es im fränkischen Reich Eingang und wurde bereits von Karl d. Gr. mit Vorliebe gepflegt. Das Lehns- und Ritterwesen des Mittelalters begünstigte dieses Formelwesen, und in Deutschland erhielt es neue Pflege infolge der Vermählung Kaiser Ottos II. mit der griechischen Prinzessin Theophano. Geregelt ward das Z. besonders durch die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. Durch Karl V. kam sodann die steife Grandezza und das steife Z. des spanischen Hofs nach Deutschland. Dieses herrschte in Österreich bis auf Joseph II.; in Spanien galt es bis zum Sturz der dortigen Bourbonen. Die übrigen Höfe Europas nahmen das unter Ludwig XIV. herrschend gewordene französische Z. an, und dasselbe ist bis heute Muster geblieben. Die französische Revolution schien das steife Hofzeremoniell zu vernichten; Napoleon I. aber erneute es, die Restauration und das Julikönigtum adoptierten es, und Napoleon III. bildete es weiter aus. In Deutschland und dem germanischen Norden sind in neuester Zeit einige Höfe zu einfachern Formen des Zeremoniells übergegangen. Ein besonderes und eigentümliches Z. ist das Jagdzeremoniell. Vgl. König, Theatrum ceremoniale historico-politicum (Leipz. 1719-20, 2 Bde.); Rousset, Cérémonial diplomatique des cours de l'Europe (Amsterd. 1739, 3 Bde.; eine Fortsetzung von Dumonts »Corps universel diplomatique du droit des gens«, das. 1726 f., 8 Bde.); F. K. v. Moser, Deutsches Hofrecht (Frankf. 1754, 2 Bde.); »Zeremonialbuch für den königlich preußischen Hof« (von Graf Stillfried, Berl. 1871-77, 12 Tle.); v. Malortie, Der Hofmarschall (3. Aufl., Hannov. 1867, 2 Bde.).

Zeremonienmeister, s. Hof, S. 606.

Zerene, s. Spanner.

Zerknirschung, s. Kontrition.

Zerkow, Stadt im preuß. Regierungsbezirk Posen, Kreis Jarotschin, an der Linie Öls-Gnesen der Preußischen Staatsbahn, hat eine kath. Kirche und (1885) 1989 Einw.

Zerlegen (Zerwirken, Auswirken), das Abziehen der Haut und die Zerteilung der erlegten Hirsche, Rehe und Sauen in einzelne Koch- und Bratstücke. Der Hirsch wird auf den Rücken gestreckt und das Geweih zu beiden Seiten des Halses geschoben; dann schürft man die Decke vom Geäs ab über Hals und Brust auf, kreuzt diese demnächst etwa drei Finger breit über den Schalen und schürft sie längs der Vorderläufe übers Knie nach der Brust, längs des Hinterlaufs dagegen über die Heesen nach dem Weidloch auf. Alsdann wird der Hirsch auf die Seite gelegt und die Haut zuerst auf der rechten, dann auf der linken Seite abgewirkt, ohne jedoch den Wedel (Schwanz) zu entfernen. Nachdem der Kopf und das Geweih abgeschlagen sind, löst man den rechten und linken Vorderlauf mit dem Blatt aus und trennt erst die rechte, dann die linke Wamme in gerader Linie von der Keule bis zu der Stelle, wo die erste Rippe an den Halsknochen stößt, ab. Damit die Wammen in gleicher Breite ausfallen, zeichnet man sich vorher die Linie durch Vorstechen mit dem Messer; nachdem der Hirsch auf die Seite gelegt und beide Keulen ge-^[folgende Seite]