Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Zollvergehen; Zollverschluß

960

Zollvergehen - Zollverschluß.

Noch vor Ablauf der 1. Jan. 1866 endigenden dritten Vertragsperiode führte der Abschluß des deutsch-französischen Handelsvertrags zu einer heftigen Krisis. Nachdem Frankreich mit England und Belgien Handelsverträge abgeschlossen und solche mit der Schweiz und Italien eingeleitet hatte, durch welche es mit seinem bis dahin festgehaltenen System des hohen Zollschutzes, teilweise der Prohibition, brach, drohte Deutschland die Gefahr der Ausschließung vom französischen Markt, wenn es nicht einen ähnlichen Vertrag abschlösse. Preußen begann auf Grund einer Ermächtigung sämtlicher übriger Staaten Unterhandlungen mit Frankreich, die dahin führten, daß 29. März 1862 ein Vertrag paraphiert und 2. Aug. d. J. von den kontrahierenden Staaten vollzogen wurde. Gegen den Inhalt desselben erhob sich sofort eine starke Agitation. Man tadelte, daß Frankreich nicht ebenso bedeutende Zollermäßigungen bewilligt habe, als es für sich in Anspruch nahm. Den Hauptanstoß aber gab die Klausel der Meistbegünstigung, welche ein Hindernis für die begehrte Zolleinigung mit Österreich bildete. Auch Österreich protestierte gegen den Vertrag, erklärte sich dagegen zur gänzlichen Zolleinigung auf Grund des bisherigen Zollvereinstarifs bereit. Preußen antwortete jedoch ablehnend, während Österreich in dieser Frage Bundesgenossen an den Mittel- und Kleinstaaten fand. Außer Koburg-Gotha und Oldenburg trat nur Sachsen entschieden aus Preußens Seite; Bayern, Württemberg, Hessen-Darmstadt und Hannover lehnten dagegen den Handelsvertrag ab. Preußen erklärte hierauf, eine definitive Ablehnung als Kündigung des Zollvereins auffassen zu müssen, dessen Auflösung jedoch den Interessen der Vereinsstaaten widersprach. Eine neue Phase der Krisis trat mit dem Handels- und Schiffahrtsvertrag ein, den Preußen 28. März 1863 mit Belgien abschloß, sofern die in demselben den Waren zollvereinsländischen Ursprungs zugestandenen Begünstigungen eine Schutzwehr gegen den Zerfall des Zollvereins boten. Im November 1863 trat die Zollkonferenz in Berlin zusammen, auf welcher eine Verständigung dadurch ermöglicht wurde, daß Österreich infolge der Wendung, die gleichzeitig in der schleswig-holsteinischen Frage eintrat, seinen Einfluß auf die Mittelstaaten verlor. Sachsen einigte sich 10. Mai 1864 mit Preußen auf der Grundlage des französischen Handelsvertrags; dann folgten 3. Juni Frankfurt a. M., 28. Juni Baden, Kurhessen, die thüringischen Staaten und Braunschweig; 10. Juli Oldenburg und Hannover, das wenigstens einen Teil seines Präzipuums zu retten wußte; 12. Sept. Hessen-Darmstadt und zuletzt auch Württemberg, Nassau und Bayern, so daß auf der Zollkonferenz in Berlin 30. Sept. wieder alle Staaten vertreten waren. Am 14. Dez. verständigte sich Preußen hierauf den Wünschen der übrigen Zollvereinsstaaten gemäß mit Frankreich über einige Modifikationen des Handelsvertrags. Auf ähnlichen Grundlagen wurden alsdann auch Verträge mit Österreich, England und Italien abgeschlossen.

Durch den Krieg von 1866 wurde der Z. hinfällig. Zwischen den Staaten des Norddeutschen Bundes wurde eine besondere Einigung über das Zollwesen durch den Inhalt der Bundesverfassung überflüssig. Mit den vier süddeutschen Staaten aber schloß der Norddeutsche Bund Verträge, vermöge derer die bestehende Zolleinigung zunächst bis Ende 1877 verlängert werden sollte. Die frühere Generalzollkonferenz mit dem liberum veto der Einzelstaaten wurde durch den Zollbundesrat mit Majoritätsbeschluß ersetzt und für die Gesetzgebung über Zollwesen und innere Verbrauchssteuern eine eigne parlamentarische Vertretung (das Zollparlament, zusammengesetzt aus dem norddeutschen Reichstag und einer entsprechenden Anzahl süddeutscher Abgeordneten) gebildet. Aus jener Zeit stammt das noch jetzt gültige Vereinszollgesetz vom 1. Juli 1869. An Stelle dieser Einrichtungen und Bestimmungen sind seit 1871 diejenigen der Reichsverfassung getreten, welche die Gesetzgebung im Zollwesen ausschließlich dem Reich überwiesen hat. Mecklenburg, Schleswig-Holstein und Lauenburg waren bereits als Glieder des Norddeutschen Bundes in die Zollgrenze desselben eingetreten. Die drei Freien Städte erhielten die Befugnis, über ihren Eintritt in die Zollgrenze sich selbst schlüssig zu machen; Lübeck allein wählte den Anschluß. Inzwischen ist aber auch der Anschluß von Hamburg und Bremen mit Ausschluß entsprechender Freihafengebiete erfolgt. (Vgl. den Situationsplan zum Artikel »Hamburg«.) Die Tarifpolitik des Zollvereins ruhte auf der Grundlage des preußischen Tarifs von 1818. In der Zeit 1842 bis 1846 wurde derselbe mehr zu gunsten der protektionistischen Strömung umgestaltet. 1861 wurden nach langen Kämpfen die Durchgangsabgaben beseitigt. 1865 traten auf Grund der mit Frankreich, Österreich, England, Belgien, Italien abgeschlossenen Handelsverträge, deren Bestimmungen in den allgemeinen Tarif aufgenommen wurden, Reformen in freihändlerischem Sinn ein, welche 1873 ihren Abschluß fanden, in welchem Jahr die noch vorhandenen Ausfuhrzölle fielen und die Aufhebung der Eisenzölle (mit Ausnahme derjenigen auf feine Eisenwaren) teils erfolgte, teils unter stetiger Abminderung der Zölle bis 1877 bestimmt wurde. Inzwischen aber hatte sich die Lage der Eisenindustrie, wie überhaupt diejenige vieler Wirtschaftszweige, erheblich verschlechtert. Infolgedessen fand ein auch vom Reichskanzler gestützter und geförderter Umschwung der öffentlichen Meinung statt, welcher zu dem Tarif von 1879 führte. Derselbe charakterisiert sich dadurch, daß er die Idee des Schutzes verallgemeinerte, die Zölle für eine Reihe von Produkten erhöhte, für andre, insbesondere auch verschiedene Rohstoffe und Lebensmittel, neu einführte und, wenn er auch allgemein spezifische Zölle brachte, für Baumwollgarne Staffeltarife enthält. Vgl. Nebenius, Der Deutsche Z. (Karlsr. 1835); Junghanns, Der Fortschritt des Zollvereins (Leipz. 1848); Emminghaus, Entwickelung, Krisis und Zukunft des Deutschen Zollvereins (das. 1863); Ägidi, Aus der Vorzeit des Zollvereins (Hamb. 1865); Seelig, Schleswig-Holstein und der Z. (Kiel 1865); Weber, Der Deutsche Z. (2. Aufl., Leipz. 1872); v. Festenberg-Pakisch, Geschichte des Zollvereins (das. 1869); Matlekovits, Die Zollpolitik der österreichisch-ungarischen Monarchie von 1850 bis zur Gegenwart (Budapest 1877).

Zollvergehen, s. Zollstrafrecht.

Zollverschluß (Warenverschluß), die zur Verhütung von Zolldefraudationen vorgenommene amtliche Verschließung von Warensendungen, auf denen ein Zollanspruch haftet, und welche nicht sofort verzollt, sondern in Niederlagen oder mit Begleitschein nach Zollämtern im Innern des Landes verbracht werden, mittels Verschnürens, Plombierens, Versiegelns oder Verschließens. Der Warenverschluß ist ein Kolloverschluß, wenn die einzelne Ware, ein Wagenraumverschluß, wenn mehrere Stücke zusammen in einem Wagen verschlossen werden. Nur die Zollbehörde ist zur Abnahme des Verschlusses befugt.