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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Zoroaster

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Zoroaster.

dargebracht wurde, um sich damit zu berauschen; die Fravashi oder Seelen der Abgestorbenen, deren uralter Gottesdienst sich auch bei den Römern in dem bekannten Manenkultus noch erhalten hat; die Wolkenschlange Aschi (Ahi), welche von dem Gotte des Lichts mit seiner Blitzwaffe gezwungen wird, das befruchtende Wasser des Regens, das sie entführt hat, zurückzugeben. Diese und andre sinnlich-realistische Gottheiten der Urzeit machten jedoch ihre Rechte wieder geltend in dem spätern Parsismus, wie er in den jüngern Teilen des Zendavesta und den Angaben der Griechen über die Religion der Perser vorliegt, indem die Priesterschaft es vorteilhaft fand, dem mit den ererbten derbern Vorstellungen angefüllten Volksgeist zu schmeicheln. Auch Personifikationen der reinen Elemente, vor allen des Feuers, das in verschiedenen Formen verehrt wird, und des Wassers, das sich in der später mit der vorderasiatischen Mylitta vermischten Ardvisura Anahita verkörpert, spielen in dem reichbevölkerten Götterhimmel des spätern Parsismus eine hervorragende Rolle. Kaum minder zahlreich sind die bösen Geister, welche Daeva, Drudsch, Pairikas (Peri) genannt und teils als Unholdinnen gedacht wurden, die mit bösen Menschen in fleischlichem Verkehr stehen und die guten zu verführen trachten, teils als tückische Dämonen, welche Trockenheit, Mißwachs, Seuchen und andre Plagen über die Welt verhängen. Eine systematisierende Richtung, welche in den Schulen der Priester aufkam, führte zu einer vollkommenen Verteilung der Schöpfung bis auf die Tiere herab unter die beiden Oberhäupter der guten und der bösen Schöpfung. Daher gilt es für eine der wichtigsten Pflichten namentlich der Priester, die zu diesem Zweck mit einem besondern Instrument versehen waren, die Tiere des bösen Geistes, Schlangen, Mäuse, Ameisen, zu vertilgen, während dagegen die absichtliche oder unabsichtliche Tötung von Tieren des guten Geistes, wie Biber, Hunde u. dgl., mit schweren Bußen gesühnt werden mußte. Die ganze Weltgeschichte besteht nach der Lehre der Parsen, von der schon Plutarch unterrichtet war, in einem großen Kampf zwischen Ahuramazda und Anramainyu, der im ganzen 12,000 Jahre dauern soll. In den ersten 3000 Jahren hat Ahuramazda die reinen Wesen des Himmels, die Erde und die Pflanzen, in dem zweiten Cyklus von 3000 Jahren den Urmenschen und den Urstier geschaffen. Dann ist der Einbruch des Anramainyu erfolgt, welcher den Urmenschen und den Urstier tötet und eine Periode des Kampfes eröffnet, die ihr Ende erst mit der Geburt des Zarathustra erreicht. Dieses Ereignis fällt in das 31. Jahr der Regierung des Königs Vîstaspa, und von da an werden wieder 3000 Jahre vergehen, bis der Heiland Saoschjant geboren wird, welcher die bösen Geister vernichten und eine neue, unvergängliche Welt herbeiführen wird; auch die Toten sollen dann auferstehen. Statt des einen Messias werden an andern Stellen deren drei genannt, wodurch sich also diese Lehre von der entsprechenden des Alten Testaments unterscheidet. Dagegen stimmt die Lehre von der Auferstehung sogar in Details mit der christlichen überein, so daß die Annahme einer Entlehnung der letztern aus der Religion der den Hebräern benachbarten Parsen eine nicht unbedeutende Wahrscheinlichkeit für sich hat. Die Ethik des Parsismus scheint ursprünglich von großer Reinheit gewesen zu sein, abgesehen von der allen alten Religionen anhaftenden Intoleranz gegen Andersgläubige: Wahrhaftigkeit und Heiligkeit in Gedanken, Worten und Werken, insbesondere auch Heilighaltung des gegebenen Wortes, galten für die Hauptpflichten des Mazdayasna (Verehrer des Ahuramazda). Doch stellten die Priester, Athravan (»Feuerpriester«, in Persien Magier genannt), welche früh die Vorrechte eines privilegierten Standes erlangten, einen sehr komplizierten Kanon von Vorschriften über Reinhaltung auf, der eine Menge der abergläubischten Vorschriften enthielt und durch die Bußen, welche von den Priestern vorgeschrieben wurden, und die ihnen teilweise zu gute kamen, den Laienstand in Abhängigkeit von ihnen bringen mußte. Besonders bei Geburten und Todesfällen gehen die erforderlichen Reinigungen ins Endlose. Hiermit hängt auch die eigentümliche Art der Totenbestattung bei den Parsen zusammen, die sich noch heute erhalten hat. Da das Feuer und die Erde als reine Elemente durch die Berührung mit Leichnamen verunreinigt würden, so dürfen dieselben weder verbrannt noch begraben werden, sondern man setzt sie auf Türmen, die an einsamen Plätzen errichtet werden und Dakhmas heißen, den Vögeln zum Fraß aus. Der Kultus war einfach, ohne Bilder und Tempel; die üblichen Feueropfer wurden unter freiem Himmel, am liebsten auf Anhöhen, von den Priestern dargebracht, die sich dabei das Gesicht verhüllten, um das heilige Feuer nicht mit dem unreinen Hauch ihres Mundes zu berühren. Bei den Tieropfern wurde das Opfertier nicht verbrannt, sondern der Zweck war nur der, geweihtes Fleisch zu erhalten. Besonderes Gewicht wurde auf das Haomaopfer gelegt, wobei die Haomapflanze in einem Mörser gestoßen und der ausgepreßte Saft in einer Schale den Göttern dargebracht wurde, während die Priester, heilige Tamarindenzweige emporhaltend, ein langes Gebet aus dem Zendavesta absangen. In der spätesten Epoche des Parsismus bildeten sich mehrere Sekten, welche den Gegensatz zwischen Ormuzd und Ahriman in einer höhern Einheit aufzulösen suchten, indem sie als die gemeinsame Quelle beider die Zeit oder das Schicksal oder das Licht oder den Raum annahmen. Die bekannteste darunter ist die der Zrvaniten, deren Lehrmeinung, daß die Zeit (zrvan) das Urprinzip der Dinge sei, im 5. Jahrh. n. Chr. unter König Yezdegerd (Jesdegerd) die Staatsreligion des neupersischen Reichs wurde; die »unermeßliche Zeit« (zrvan akerene) wird schon im Zendavesta angerufen. Belege für den weitreichenden Einfluß des Parsismus auch auf die Religionen benachbarter Völker liefern der Mithrakultus, der sich über Vorderasien zur Zeit des römischen Reichs bis ins Abendland verbreitete, und die Religion des Manes (s. d.), der Manichäismus, der im 3. Jahrh. n. Chr. aus einer Verschmelzung der Zoroastrischen mit christlichen und buddhistischen Lehren entstand und eine Zeitlang von Italien bis nach Spanien und Südfrankreich verbreitet war. Die Erforschung der Zoroastrischen Religion hat in den letzten Jahrzehnten besonders durch die zahlreichen Arbeiten Spiegels und durch die Forschungen Haugs, der sich mit den Traditionen der indischen Parsen an Ort und Stelle bekannt machte, große Fortschritte gemacht; doch bleiben bei der Lückenhaftigkeit der Überlieferung noch viele dunkle Punkte übrig, die zu einer ganzen Reihe von gelehrten Kontroversen Anlaß gegeben haben. Vgl. Spiegel, Erân (Leipz. 1863); Derselbe, Erânische Altertumskunde (das. 1871-78, 3 Bde.); Derselbe, Die arische Periode (das. 1887); Haug, Die Gâthâs des Zarathustra (das. 1858-60, 2 Bde.); Derselbe, Essays on the sacred writings etc. of the Parsees (2. Aufl., Lond. 1878); Windischmann, Zoroastrische Studien (Leipz. 1863); Justi,