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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Zucker

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Zucker (Verarbeitung der Runkelrüben).

schen 2,6 und 4,6 Proz.; im allgemeinen enthält die Rübe 96 Proz. Saft und 4 Proz. Mark. Technisch wichtig ist vor allem das Verhältnis des Zuckers zu den übrigen Saftbestandteilen (die unter dem Namen Nichtzucker zusammengefaßt werden), da diese die Kristallisation des Zuckers hindern, also die Ausbeute schmälern. Ein Saft, der 14 Proz. Z. und 16 Proz. an der aräometrischen Spindel hat, enthält also 2 Proz. fremde Stoffe (Nichtzucker), und seine Reinheit (bezogen auf 100 Teile Trockensubstanz) beträgt 87,5. Die Reinheit des Safts wechselt zwischen 70 und 90; doch eignen sich Rüben von weniger als 75 Proz. nicht mehr zur Verarbeitung, und solche von mehr als 85 Proz. kommen selten vor. Den Gehalt der Rüben an nähern Bestandteilen zeigt folgende Tabelle:

Gewicht der Rübe Wasser Rohrzucker Proteinstoffe Fett Holzfaser Mineralstoffe

Kilogr. Proz. Proz. Proz. Proz. Proz. Proz.

1,76 83,95 10,56 1,92 0,11 1,81 0,95

1,00 83,29 11,04 0,88 0,10 1,54 0,90

0,37 81,88 12,58 0,81 0,09 1,30 0,83

Der Zuckergehalt des Safts schwankt aber zwischen 9 und 17,5 Proz., der des Nichtzuckers zwischen 0,3 und 3,5, der der Trockensubstanz der Rüben zwischen 13 und 21,5 Proz.

In der Fabrik werden die Rüben zunächst in einer rotierenden, zum Teil in Wasser tauchenden, ein wenig geneigt liegenden Lattentrommel gewaschen, dann von allen schadhaften Stellen befreit (»geputzt«), in der Regel »geköpft«, weil die Verarbeitung des Kopfes infolge hohen Gehalts an Nichtzucker meist nicht lohnt, und dann behufs der Besteuerung in eisernen Wagen, welche 5 Ztr. fassen, gewogen. Die Gewinnung des Safts geschieht nach zwei Methoden, von denen die eine durch Zerreiben der Rüben vollständige Öffnung der Zellen bezweckt, während die andre die Zellen geschlossen läßt und den Inhalt derselben durch dialytische Prozesse zu gewinnen sucht. Zum Zerreiben benutzt man Trommeln, welche mit abwechselnden Säge- und Holzblättchen bekleidet sind und 800-1000 Umdrehungen in der Minute machen. Während der Arbeit läßt man Wasser (30-40 Proz. vom Gewicht der Rüben) auf die Reibe fließen, um durch Verdünnung eine leichtere Abscheidung des Safts zu bewirken, die nicht zerrissenen Zellen zu extrahieren und weniger Z. in den später sich ergebenden Rückständen zu belassen. Aus dem Brei, welcher sich schnell bräunlichviolett färbt, wird der Saft durch hydraulische Pressen abgeschieden, indem man denselben in kleinen Portionen in wollene Säcke füllt und diese mit eisernen Blechen in der Presse schichtet. Bei Zusatz von 30-40 Proz. Wasser erhält man von den 96 Proz. Saft der Rübe 83-85 Proz., und die Rückstände betragen 17-15 Proz. Statt der Pressen, welche namentlich viel Handarbeit erfordern, werden auch kontinuierlich wirkende Walzen angewandt. In beiden Fällen zerkleinert man die Preßkuchen, rührt sie mit Wasser und preßt sie abermals. Den erhaltenen Saft läßt man statt des Wassers auf die ersten Pressen fließen. Die Preßrückstände (Preßlinge) enthalten etwa 2 Proz. Proteinstoffe, 18 Proz. stickstofffreie Extraktivstoffe, 6 Proz. Pflanzenfaser, 0,2 Proz. Fett, 3,4 Proz. Asche und dienen als Viehfutter, zur Bereitung von Branntwein, Essig, Papier und Leuchtgas. In Frankreich und Belgien hat man, um den Transport der Rüben zu ersparen, inmitten der Rübenfelder Anstalten zur Saftgewinnung angelegt und die mit Kalk vermischten Säfte mittels einer Druckpumpe durch kilometerlange eiserne Röhren in die Zuckerfabrik geleitet.

Statt Pressen und Walzen benutzt man zur Saftgewinnung auch Zentrifugalmaschinen, durch welche der Brei in einer sehr schnell rotierenden (1000 Umdrehungen in einer Minute), von einem Blechmantel umgebenen Siebtrommel vom größten Teil des Safts befreit und dann mit Wasser ausgewaschen wird. Die Gesamtverdünnung des Safts beträgt hier 100-120 Proz., und die Rückstände, welche 84 bis 86 Proz. Wasser enthalten, wiegen 30-33 Proz. der Rüben. Besondere Vorzüge des Zentrifugalverfahrens vor dem Pressen sind nicht nachweisbar. Eine vierte Methode der Saftgewinnung aus dem Brei, das Macerationsverfahren, besteht in systematischer Auswaschung des Breies in eigentümlichen, mit Rührvorrichtung versehenen Gefäßen und erfordert nur geringe Anlagekosten. Bei jeder Saftgewinnung aus Brei gehen in den Saft Fasern über, welche später die Verarbeitung erschweren, und man wendet deshalb Entfaserungsapparate an, in denen die Fasern durch ein Sieb von dem Saft getrennt werden.

In neuester Zeit ist man sehr allgemein zum Diffusionsverfahren übergegangen, nach welchem die Rüben, auf der Schnitzelmaschine in Streifen von 1 mm Dicke und 6-10 mm Breite zerschnitten, mit heißem Saft in Gefäße gefüllt, so daß die Mischung eine Mitteltemperatur von 50° erreicht, und dann mit immer weniger konzentrierten Säften, zuletzt mit Wasser, und bei abnehmender Temperatur erschöpft werden. Hier findet ein vollkommener Austritt der wertvollen Saftbestandteile aus den Zellen durch Diffusion statt, und man hat die Grenze der Erschöpfung völlig in der Hand. Fig. 1 u. 2 (Tafel I) zeigen eine Diffusionsbatterie; a ist die Rübenwaschmaschine, b der Rübenaufzug, c die Leitung zur Schnitzelmaschine d, aus welcher die Schnitzel in den Kippwagen e gelangen; f ist der Fülltrichter, durch welchen die zehn Diffusionsgefäße g gefüllt werden; h sind die Wärmpfannen für den Saft, durch k wird die Schnitzelmaschine betrieben, l ist die Rinne zum Fortschaffen der ausgelaugten Schnitzel, m die Rostfläche zur Entwässerung derselben, n die Grube für herabgefallene Rüben und abgelaufenes Wasser. Auf je 100 Teile Rüben verbraucht man 40 Teile Wasser, die in den Saft gelangen, und 230 Teile Wasser, die in den Rückständen bleiben. Man kann aber aus letztern 150 Teile durch Luftdruck entfernen, und der Wassergehalt der Schnitzel beträgt dann 94 Proz. Durch Auspressen auf einer kontinuierlich und selbstthätig wirkenden Presse wird ihr Gewicht auf die Hälfte reduziert.

Der Saft der Rüben enthält, wie erwähnt, verschiedene Substanzen, welche die Abscheidung des Zuckers durch Kristallisation erschweren und daher möglichst vollständig entfernt werden müssen. Dies geschieht durch Kalk und Kohlensäure (Scheidung und Saturation) und durch Knochenkohlefiltration. Die kupferne Scheidepfanne (Tafel I, Fig. 3), welche 1000-1200 Lit. faßt, besitzt einen doppelten Boden ab zur Einleitung von Dampf durch das Rohr c. Dabei entweicht die Luft durch f und später der abziehende Dampf durch d. Mittels des Hebers gg'h zieht man den geschiedenen Saft ab, und durch e fließt der Scheideschlamm ab. Der eingelassene Saft wird auf 85° erwärmt, mit Kalkmilch (1 Proz. Kalk vom Gewicht der Rüben) vermischt und sehr langsam bis zum Aufwallen erhitzt. Hierbei gerinnt das Eiweiß des Safts, der Kalk scheidet Phosphorsäure, organische Säuren, Magnesia, Eisenoxyd ab, und es entwickelt sich