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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Zureichender Grund; Zürgelstrauch; Zürich

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Zureichender Grund - Zürich (Kanton).

keit frei. Das österreichische Strafgesetzbuch setzt hier das vollendete 14., das deutsche Strafgesetzbuch das 12. Lebensjahr als Altersgrenze fest. Der Lebensabschnitt zwischen dem vollendeten 12. und dem vollendeten 18. Lebensjahr aber bildet nach dem deutschen Strafgesetzbuch insofern eine Zwischenstufe, als der Angeschuldigte in diesem Alter freizusprechen ist, wenn er bei Begehung der That die zur Erkenntnis ihrer Strafbarkeit erforderliche Einsicht nicht besaß. Im entgegengesetzten Fall ist das jugendliche Alter ein Strafmilderungsgrund. Endlich erklärt das Strafgesetzbuch auch Taubstumme dann für straffrei, wenn sie die zur Erkenntnis der Strafbarkeit einer von ihnen begangenen Handlung erforderliche Einsicht nicht besitzen. Dagegen hat das deutsche Strafgesetzbuch den Standpunkt der gemeinrechtlichen Doktrin verlassen, welche den Zustand des höchsten Affekts für ein Moment der Unzurechnungsfähigkeit erachtete. Der Affekt kann wohl unter Umständen, wie z. B. beim Totschlag, ein Strafminderungsgrund sein; aber einen selbständigen Grund zur Ausschließung der Zurechnungsfähigkeit kann er nicht abgeben, da die Beherrschung der Leidenschaften als eine sittliche Pflicht aufzufassen ist. Ausschluß der Zurechenbarkeit, also Straflosigkeit einer zurechnungsfähigen Person wegen einer an sich strafbaren Handlung, tritt dann ein, wenn der Thäter durch unwiderstehliche Gewalt oder durch eine Drohung, welche mit einer gegenwärtigen, auf andre Weise nicht abwendbaren Gefahr für Leib oder Leben seiner selbst oder eines Angehörigen verbunden war, zu der Handlung genötigt worden ist (s. Zwang), und ebenso, wenn er sich im Zustand der Notwehr (s. d.) oder des Notstandes (s. d.) befunden hat. Endlich kann auch ein thatsächlicher Irrtum oder ein Nichtwissen einen Strafausschließungsgrund abgeben, insofern nämlich, als, wenn jemand bei Begehung einer strafbaren Handlung das Vorhandensein von Thatumständen nicht kannte, welche zum gesetzlichen Thatbestand gehören oder die Strafbarkeit erhöhen, ihm diese Umstände nicht zuzurechnen sind. So ist z. B. die Beleidigung des Landesherrn mit strenger Strafe bedroht. Beleidigt nun jemand den Landesherrn, ohne zu wissen, daß es der Landesherr ist, so kann er nur wegen Beleidigung, nicht aber wegen Beleidigung des Landesherrn bestraft werden. Unkenntnis des Strafgesetzes (Rechtsirrtum) ist dagegen kein Strafausschließungsgrund. Vgl. Casper, Handbuch der gerichtlichen Medizin (7. Aufl. von Liman, Berl. 1881); Krafft-Ebing, Grundzüge der Kriminalpsychologie (2. Aufl., Stuttg. 1882); Derselbe, Lehrbuch der gerichtlichen Psychopathologie (2. Aufl., das. 1882); Hoppe, Die Zurechnungsfähigkeit (Würzb. 1877); Liman, Zweifelhafte Geisteszustände vor Gericht (Berl. 1869); Legrand du Saulle, La folie devant les tribunaux (Par. 1864); Clark, An analysis of criminal liability (Cambr. 1880); Lucas, Die subjektive Verschuldung im heutigen deutschen Strafrecht (Berl. 1883).

Zureichender Grund (Ratio sufficiens) heißt ein solcher, der seine Folge vollständig und mit Notwendigkeit bestimmt, daher das Denkgesetz, daß nichts ohne Grund geschehe, von Leibniz als »Satz des zureichenden Grundes« bezeichnet worden ist.

Zürgelstrauch, s. Celtis.

Zürich, einer der nordöstlichen Kantone der Schweiz, grenzt im O. an Thurgau und St. Gallen, im S. an Schwyz und Zug, im W. an Aargau, im N. an Baden und den Kanton Schaffhausen und hat eine Fläche von 1725 qkm (31,3 QM.). In der Schweizer Hochebene gelegen, lehnt er nur im SO. sich entschieden dem Bergland an; hier erreicht er das Maximum seiner Erhebung im Schnebelhorn (1295 m), während der tiefste Punkt bei Kaiserstuhl am Rhein liegt (332 m). Dem entsprechend, neigt sich das Land, wie die Fluß- und Thalrinnen zeigen, durchaus nach NW. zum Rhein, zu dessen Gebiet der ganze Kanton gehört. Der voralpine Südosten, inbegriffen seine Vorstufen, bildet das Oberland, und seine beiden Flüsse Töß und Aa (oder Glatt), am entschiedensten die letztere, treten nach NW. in die freiere Hochebene hinaus, wo das Ackerbau treibende Unter- oder Bauernland (um Bülach) sich ausdehnt. Dieselbe Richtung nehmen einerseits das Zürichsee-Limmatthal und das Knonauer Amt, d. h. das Halbthal der Reuß, welche, den Kanton bloß streifend, mit der Limmat zur Aare geht, anderseits die aus dem Thurgau kommende Thur, die quer durch das »Weinland« zieht und direkt den Rhein erreicht. Während das Thal der Glatt, eine breite, durchgehende Senke, wie eine Fortsetzung der March-Gasterebene erscheint, verhalten sich die die Töß begleitenden Höhenzüge wie eine Vorstufe der St. Gallen-Appenzeller Voralpenwelt, die das Thal von Zürichsee-Limmat einfassenden wie eine Vorstufe der Schwyzer Voralpen. Zu ersterer Gruppe gehören einerseits Schnebelhorn (1295 m), Hörnli (1135 m), Schauenberg (893 m), Irchel (696 m), anderseits Bachtel (1119 m), Allman (1083 m) u. a.; auf der rechten Seite des Zürichsees erhebt sich die Kette des Pfannenstiels (737 m), Zürichbergs (679 m) etc., auf der linken, durch das enge Sihlthal von den eigentlichen Uferhöhen getrennt, die Albiskette (918 m) mit dem Ütliberg (873 m). So bildet das Land sechs schmälere oder breitere Thalstreifen, die durch ebenso viele Hügelzüge geschieden sind. Der Kanton Z. zählt (1888) 339,014 Einw. fast ausschließlich deutscher Abstammung (nur 2024 mit französischer, 2112 mit italienischer und 225 mit romanischer Muttersprache) und fast ausschließlich protestantischer Konfession (über 30,000 Katholiken und 1000 Juden). Der Züricher Volksschlag gilt für arbeitsam, ordnungsliebend, sparsam, verständig, aber auch für anmaßend und gewaltthätig. Vorwiegend agrikol sind Bauernland, Weinland und Knonauer Amt. Am See, bei sehr dichter Bevölkerung auf den schmalen Uferstreifen, ist der Feldbau fast Gartenkultur, im Oberland durch die gebirgige Bodenbeschaffenheit beschränkt. Nicht die Hälfte des Getreidebedarfs wird gedeckt, Obst dagegen ziemlich ausreichend, Wein vorzüglich im Weinland (Neftenbacher), im See- und Limmatthal (auf 41,5 qkm) gebaut. Der Wald (521,7 qkm) erzeugt trotz sorgfältiger Pflege nicht genug Bau- und Brennholz, daher starke Holz- und Kohleneinfuhr. Die Viehzucht ist im Aufschwung begriffen; es gibt 88,531 Stück Rindvieh, 25,905 Schweine und 18,166 Ziegen. Etwas Bergbau findet in Käpfnach auf Pechkohle statt, während die Schieferkohle von Dürnten und Wetzikon erschöpft ist. Die beiden allgemeinen Industriezweige sind Baumwoll- und Seidenindustrie, jene am stärksten im Oberland, hauptsächlich im Töß- und Aathal, die Seidenweberei an den beiden Seeufern konzentriert. Gegenwärtig arbeiten mehr als 620,000 Spindeln (ein Drittel der Schweizer Gesamtzahl), etwa 7000 Webstühle für rohe und bunte Baumwollgewebe, zahlreiche Druckereien, Färbereien, Appreturen und Stickereien, und über 40,000 Menschen verdienen ihr Brot mit dieser Industrie. Die Züricher Seidenindustrie ist meist Handweberei, doch arbeiten auch mehrere Jacquardwebereien. Seit 300 Jahren hat