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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Banken (die deutschen Privatnotenbanken)

nimmt und ihren Schuldnern gerade durch die langen, bis auf drei und vier Dezennien sicherstreckenden Termine zur Abstattung ihrer Schuld einen wesentlichen Dienst leistet. Für die Zwecke des Hypothekargeschäfts, daher nicht nur für Darlehen, sondern auch für den Ankauf von Pfandbriefen, kann auch nicht ein Gulden aus der Notenemission verwendet werden. Die Österreichisch-Ungarische Bank kann nur aus dem Kapital ihres Reservefonds und allenfalls aus jenem Reste des Aktienkapitals, der nicht in dem Darlehen an den Staat, in den Bankgebäuden oder ähnlichen Anlagen gebunden ist, Pfandbriefe erwerben. Nicht die Notenbank als solche, sondern ein Pfandbriefinstitut ist es, das unter der Firma der Notenbank Hypothekargeschäfte betreibt, und nicht das Notenprivilegium, sondern ausschließlich sein eignes Kapital und der Kredit seiner Pfandbriefe geben die Mittel, mit welchen dieser Geschäftszweig betrieben wird." Es muß hiernach an dem in der Theorie stets vertretenen Standpunkt festgehalten werden, daß die Aufgaben einer Zettelbank mit jenen einer Hypothekenbank unvereinbar sind. Vgl. Telschow, Der gesamte Geschäftsverkehr mit der Reichsbank (2. Aufl., Dresd. 1889).

6) Statistisches. Nach dem Verwaltungsbericht der Reichsbank für 1888 war der Bankzinsfuß:

vom 1. Januar bis 16. September 1888: 3 Proz.

vom 17. September bis 5. Dezember 1888: 4 Proz.

vom 6. Dezember bis Jahresschluß 1888: 5 Proz.

An Banknoten waren im Umlauf:

als niedrigste Summe am 23. Febr. 1888: 812177000 Mk.

als höchste Summe = 31. Dez. 1888: 1093441000 Mk.

Der Metallbestand betrug:

als niedrigste Summe am 7. Jan. 1888: 779576000 Mk.

als höchste Summe am 23. Juni 1888: 1011957000 Mk.

Die umlaufenden Banknoten waren im Durchschnitt des ganzen Jahrs mit 96,82 Proz. durch Metall gedeckt. Die täglich fälligen Verbindlichkeiten erreichten ihren Höhepunkt am 7. Juni mit 505,238,000 Mk., die niedrigste Ziffer fällt auf den 7. Nov. mit 254,541,000 Mk. Durch Giroüberweisungen wurden vereinnahmt 10,201,206,760 Mk., verausgabt 10,144,658,460 Mk. Am 31. Dez. 1888 war der Bestand an Platz-Diskontwechseln 236,393,000 Mk., an Inkassawechseln 278,455,000 Mk., an Lombardforderungen 93,074,000 Mk. Der Gesamtgewinn der Reichsbank betrug im J. 1888: 16,615,541 Mk., die Betriebskosten 8,510,872 Mk., demnach der Reingewinn 8,104,668 Mk. Hiervon flossen zum Reservefonds 540,933 Mk., an die Reichskasse 1,081,867 Mk. und der Rest von 6,481,867 Mk. an die Aktionäre.

II. Die Privatnotenbanken.

Auf Grund des §44 des Bankgesetzes wird sich die deutsche Gesetzgebung binnen kurzem noch mit einer andern wichtigen Frage zu beschäftigen haben, bezüglich welcher übrigens dem Bundesrat allein die Entscheidung zusteht. Zum Zweck weiterer einheitlicher Regelung des Notenbankwesens kann nämlich der Bundesrat verfügen, daß die Privatnotenbanken ihr Notenprivileg einbüßen sollen. Ein gleiches Kündigungsrecht kommt zur nämlichen Zeit den Landesregierungen zu. Es handelt sich also darum, ob neben der Reichsbank die sonstigen Zettelbanken in Deutschland fortbestehen sollen. Nur die Braunschweigische Bank ist ausgenommen, weil sie sich dem §44 des Bankgesetzes nicht unterwarf. Sie hat übrigens nur für ihr engeres Vaterland und sel^[Hinweis]vst hier nur eine untergeordnete Bedeutung.

Ob das Reich von seinem Recht vollständig Gebrauch machen solle und werde, darüber sind die Meinungen zur Zeit noch sehr geteilt. Am ehesten gelangt man zu einem zuverlässigen Ergebnis, wenn man den Geschäftskreis der B. prüft, deren Beseitigung in Frage steht. Daneben ist zu untersuchen, welche Aussichten sich dafür bieten, daß die Reichsbank die durch Beseitigung der Privatnotenbanken entstehende Lücke werde ausfüllen können. Es läßt sich nicht gerade sagen, daß alle kleinern Zettelbanken unentbehrlich seien. Erst vor kurzer Zeit haben sich zwei sehr bedeutende norddeutsche Institute dahin erklärt, daß sie der Aufhebung ihres Privilegs zuversichtlich entgegensehen; ja, sie versprachen sich von der Entziehung desselben einen erfreulichen Aufschwung ihres Geschäfts. Man darf nicht vergessen, daß das Recht der Notenausgabe auch Pflichten nach sich zieht. Eine Bank, welche Zettel aufgibt, ist nämlich durch die Bestimmungen des Bankgesetzes in ihrem Geschäftsumfang sehr eingeschränkt. Andre europäische Staaten haben sich ausnahmslos der Zentralisation zugewendet. In erster Reihe ist Frankreich zu nennen, welches schon im J. 1848 seine Banknotenemission in den Händen der Banque de France monopolisierte. England verfuhr zwar nicht so radikal. Aber der Reformator auf dem Gebiet des englischen Bankwesens, Robert Peel, steuerte schon in seiner Bankakte vom J. 1844 mit vollem Bewußtsein auf dasselbe Ziel hin und hat es, ohne wohlerworbene Rechte zu verletzen, schließlich erreicht. In Österreich, Belgien und den Niederlanden ist die Banknotenausgabe monopolisiert, und Italien hat sich dasselbe Ziel gesteckt. In Deutschland macht sich eine entschiedene Neigung zur Zentralisierung der Banknotenausgabe bemerklich. Mehr als die Hälfte der Zettelbanken, welche bei Erlaß des Bankgesetzes von 1875 bestanden, ist mit der Zentralbank verschmolzen worden. Eine rationelle Bankpolitik muß stets auf kritische Zeiten besondere Rücksicht nehmen. In solchen aber braucht man eine kräftige Zentralbank; störend hingegen ist eine große Zahl von Privatbanken, welche erfahrungsmäßig mit dem Eintritt des Geldbedarfs ihre Barvorräte verschanzen und die Diskontierung einstellen, so daß nun der Andrang zur Zentralbank einen um so größern Umfang annimmt. Wenn man übrigens auch die Monopolisierung der Banknotenausgabe grundsätzlich für erstrebenswert hält, so wäre doch ihre vollständige Durchführung im Hinblick auf die wirtschaftlichen Bedürfnisse des Reichs zur Zeit als verfrüht zu bezeichnen. - Zur Litteratur: Lotz, Geschichte und Kritik des deutschen Bankgesetzes vom 14. März 1875 (Leipz. 1888).

Übersicht über die deutschen Privatnotenbanken.

Stand vom 25. Mai 1889 (in Tausenden Mark).

Banken Banknotenumlauf Metallbestand Wechsel Lombard

1) Bayrische Notenbank 63234 33047 43681 1565

2) Braunschweigische Notenbank 2147 832 7936 2593

3) Danziger Privataktienbank 2547 913 3228 2784

4) Magdeburger Bank 2368 802 4679 825

5) Hannoversche Bank 2720 1217 14198 733

6) Leipziger Kassenverein 2892 1196 4044 972

7) Bremer Bank 4835 1819 24725 10206

8) Chemnitzer Stadtbank 490 587 3150 245

9) Frankfurter Bank 8921 4033 23314 6914

10) Bank für Süddeutschland 13023 5205 17651 741

11) Badische Bank 11625 4118 17103 733

12) Provinzialaktienbank Posen 1514 556 3812 828

13) Württembergische Notenbank 21286 9053 18251 879

14) Sächsische Bank zu Dresden 39607 18577 56279 3305