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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Italien - Italienisch-Ostafrika

Posten und Telegraphen. Es wurde beschlossen, die Bestände der Pensionskasse zur Umwandlung der schwebenden Schuld zu verwenden, den Fehlbetrag im Budget aber durch Änderungen im Erhebungsverfahren bestehender Auflagen und durch Ersparnisse in den öffentlichen Bauten zu beseitigen. Dies Programm wurde zwar nicht vom Budgetausschuß, aber von der Kammer gebilligt, weswegen der Ausschuß neu gewählt wurde.

In Abessinien fanden auch 1888 keine kriegerischen Ereignisse statt. Der Negus Johannes rückte im Anfang des Jahrs gegen die italienischen Stellungen vor, wagte aber den von den Italienern sehr gewünschten Angriff nicht, sondern zog sich im März mit seinem Heer in das Innere zurück, worauf der General San Marzano mit einem Teil der Truppen nach I. zurückkehrte. Johannes erklärte sich zwar in einem Brief an den König Humbert zum Abschluß eines Friedens bereit, verweigerte aber die von I. gestellten Bedingungen, nämlich die Abtretung von Saati und Ouaah und den Abschluß eines Freundschafts- und Handelsvertrags. Die Lage der Italiener in Massaua blieb daher unsicher, und die Niederlage von einheimischen Truppen derselben bei Saganeiti (8. Aug. 1888), welche durch den Verrat der mit I. verbündeten Assaortiner herbeigeführt wurde, vermehrte die Unzufriedenheit mit der Situation in Massaua. Gleichwohl konnte I. nicht zurück, sondern mußte vielmehr danach streben, das besetzte Gebiet auszudehnen, wie denn im August 1888 der Hafen Zulah in Besitz genommen wurde. Vor einem Feldzug ins Innere Abessiniens scheute man aber zurück, weil derselbe großen Kostenaufwand erfordert hätte und doch keine sichere Aussicht auf Erfolg bot. Das Glück war indes den Italienern günstig, indem der Negus mit seinem Heer im März 1889 im Kampf mit den Derwischen unterging und keinen allgemein anerkannten Nachfolger auf dem Thron von Abessinien hinterließ. Jetzt war der Augenblick gekommen, zuzugreifen. Die Regierung ließ sich von den Kammern 3 Mill. bewilligen und besetzte 2. Juni 1889 den wichtigen Punkt Keren, der, auf dem abessinischen Hochland gelegen, einen günstigen Aufenthaltsort in der heißen Zeit bot. Die Grenzen des italienischen Gebiets wurden darauf bis Asmara vorgeschoben. König Menelek von Schoa, der sich im November 1889 zum Kaiser von Abessinien krönte, schickte eine Gesandtschaft nach I., welche 2. Mai einen Schutzvertrag zwischen Abessinien und I. abschloß. In diesem verpflichtete sich der König Menelek, sich in allen Verhandlungen mit andern Mächten der Vermittelung Italiens zu bedienen. Um Menelek bei der Unterwerfung seiner Gegner behilflich zu sein, unternahmen die Italiener Anfang 1890 einen Zug nach Adua, der glücklich und wirksam verlief.

Diese Erfolge kamen der Regierung bei der Wiedereröffnung des Parlaments im November 1889 sehr zu statten. Überdies hatten sich die Finanzen durch Vermehrung der Einnahmen gebessert. Der Fehlbetrag im Budget für 1890/91 betrug bloß noch 32 Mill. Auf neue Steuern konnte die Regierung unter diesen Umständen verzichten; auch die Unterscheidungszölle gegen Frankreich ließ sie fallen. Dagegen kündigte die Thronrede mit den königlichen Worten: »Ich will, daß der Ruhm meiner Herrschaft hauptsächlich in dem Wohlergehen der kleinen keilte bestehe!« eine Reihe von Vorlagen an, welche das Wohl der arbeitenden Masse und der Armee fördern sollten: die Lebens- und Unfallversicherung der Arbeiter, die Verbesserung des Volksunterrichts und die Reform der Wohlthätigkeitsanstalten (opere pie). Die letztern, 9000 an der Zahl, wurden von der Geistlichkeit so verwaltet, daß von ihrem Einkommen, 9 Mill., kaum 1/4 zu Wohlthätigkeitszwecken, 3/4 für Verwaltungskosten, Messen und Kerzen verwendet wurde. Der Gesetzentwurf der Regierung schloß die Geistlichkeit überhaupt von der Verwaltung aus und bestimmte, daß die Einkünfte ihrem Zweck zurückgegeben würden. Er wurde zwar von dem Klerus und der Kurie bitter getadelt als eine neue Beleidigung der Kirche, aber von den Kammern angenommen. Die Regierung verzichtete darauf, mit der Kurie ein äußerlich friedliches Verhältnis herzustellen, seitdem dieselbe die Agitation für die weltliche Macht des Papsttums wieder aufgenommen hatte. Wenn auch die Reste der konservativen Partei mit den Klerikalen Fühlung suchten, so war die Regierung bei ihrer Haltung gegen die Kurie der weit überwiegenden Mehrheit des Volkes sicher. Die Beteiligung der Klerikalen an den politischen Wahlen würde die geringe Zahl ihrer Anhänger kundthun, und aus diesem Grund erlaubt auch die Kurie die Beteiligung noch immer nicht. Der Anschluß an Deutschland und Österreich sichert aber I. vor jedem Eingreifen einer auswärtigen Macht in seine innern Angelegenheiten, und diese Erkenntnis bewirkt, daß die auswärtige Politik des Königs und Crispis mehr und mehr von der Nation gewürdigt wird. Die Demonstrationen franzosenfreundlicher Republikaner und der Irredentisten haben unter diesen Umständen nichts zu bedeuten.

Zur Litteratur: Ghiron, Annali d’Italia in continuazione al Muratori e al Coppi (Mail.1888 ff.); Stefanoni, Storia d’Italia contemporanea narrata al popolo (Rom 1886 ff.); Savelli, Gli Italiani in Africa (das. 1886, 3 Bde.); Bulle, Geschichte des zweiten Kaiserreichs und des Königreichs I. (Berl. 1889 ff.); Lazzi, Bibliografia istorica dell’ antica e nuova Italia (Imola 1886 ff.).

*Italienisch-Ostafrika. Die Besitzungen Italiens an der ostafrikanischen Küste sind teils direkt in Besitz genommen und stehen unter italienischer Verwaltung, teils sind sie unter italienische Schutzherrschaft gestellt. Zur ersten Kategorie gehören die Insel Massaua nebst dem gegenüberliegenden Küstenstrich, die Dahlakinseln und Assab; zur zweiten der Küstenstrich zwischen der Halbinsel Buri (exklusive) und der Nordgrenze von Assab sowie die Territorien von Raheita und Obbi nebst dem an letzteres grenzenden nördlichen Gebiet. Die Bevölkerung des Gebiets am Roten Meer, das sich in wechselnder Breite nach W. bis 38° östl. L. v. Gr. erstreckt, wird auf 229,600 Seelen geschätzt.

Das Gebiet von Massaua umfaßt außer dieser Insel noch die Nebeninseln Hurmil, Isratu, Harat, von denen keine bewohnt ist, und eine Menge von Koralleninselchen und Klippen, auf dem Festland aber die Küste, Samhara genannt, von Ras Kasar unter 18° 2' nördl. Br. bis zur Halbinsel Buri (inklusive) mit etwa 63,000 Einw. Hier haben die Italiener Forts bei Hotumlu und Monkullu sowie ein großes Fort im NW. von Massaua angelegt. Sie haben endlich auch 1889 die von den Abessiniern unter Ras Alula bei Saati erlittene Schlappe, bei welcher eine Abteilung italienischer Soldaten niedergemacht wurde, wieder ausgewetzt durch die Besetzung der auf den ersten Stufen des abessinischen Hochlandes gelegenen Dörfer Keren und Asmara. Durch die Besitznahme dieser beiden hoch und gesund gelegenen Posten hat Italien die wichtige Erwerbung von zwei Gesundheitsstationen gemacht, welche es nun gestattet, die italienischen Truppen aus dem gefährlichen Klima von Massaua periodisch in das ge-^[folgende Seite]