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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Meeresfauna (Küstentiere, Tiefseetiere)
tersuchungen folgt nun aber unzweifelhaft, daß die Schwerestörungen auf den Kontinenten positiv sind, während sie auf dem M. negativ sind. Dies theoretische Resultat steht aber in Widerspruch mit der Erfahrung, nach welcher I? << I. Solange nun Beobachtungen der Schwerkraft auf dem offenen M. noch nicht angestellt sind, hält es Helmert für das Natürlichste, von der Annahme, daß die Kontinente Störungsmassen sind, ganz abzusehen, anstatt dessen aber anzunehmen, daß die Wirkung der Kontinentalmassen mehr oder weniger kompensiert wird durch eine Verminderung der Dichtigkeit der Erdkruste unterhalb der Kontinentalmassen. - Über die Tierwelt des Meers s. den folgenden Artkeil.
Meeresfauna. In der Tierwelt des Meers, die an Zahl und Mannigfaltigkeit der Formen die Tierwelt des Landes und des süßen Wassers bei weitem übertrifft, lassen sich nach den neuesten Untersuchungen drei große Gruppen unterscheiden: die Kü st enfauna, die Tiefseefauna und die pelagische Fauna.
Zu jeder dieser drei Gruppen gehören die verschiedenartigsten Tiere, die aber, durch die physikalischen Verhältnisse ihres Aufenthaltsortes bedingt, im allgemeinen vielfach gleiche biologische Charaktere zeigen.
I. Die K ü st enfauna besiedelt die Küsten des Festlandes und der Inseln bis zu einer gewissen Tiefe hinab; sie besteht zum großen Teil aus festsitzenden oder kriechenden Formen, wie Schwämmen, Aktinien, Polypenstöckchen, Echinodermen, Würmern, Muscheln, Nacktschnecken und beschälten Schnecken, Moostierchen und Seescheiden; hierzu kommen von frei schwimmenden Tieren viele Fische, höhere Krebse, bestimmte Tintenfische und gewisse Quallen sowie Urtiere, die sich alle in der Nähe der Küste aufhalten und zum Teil auch, wie Krebse und Tintenfische, nur zeitweilig schwimmen. Zur Küstenfauna gehören auch die riesigen Bänke verschiedener Muschelarten, wie Austern, Miesmuscheln, Herzmuscheln, sowie die Korallenbänke mit der ganzen reichen, ihnen eigentümlichen Tierwelt. Die Küstentiere sind im allgemeinen kräftig gebaut und durch große Widerstandsfähigkeit gegen die Unbilden der Witterung und der Gewalt der Wogen ausgezeichnet. Da die Verbreitung der Küstentiere nach der Tiefe zu eine sehr verschiedene ist, wird die Küstenfauna in mehrere Zonen zerlegt. Die Litoralzone liegt innerhalb des Ebbegebiets; der Laminarienzone, so genannt nach einer für sie charakteristischen, in großer Masse auftretenden Alge und das Gebiet von 1l) bis 20 Faden umfassend, gehören die Muschel- und Korallenbänke an. Mit der ebenfalls nach Algen benannten Korallin enzone schließt in der ungefähren Tiefe von 50 Faden die Küstenfauna ab. ^n^n den kältern Zonen begmnt hier die Tiefenfauna, und es tritt eine teilweise Vermischung ein, während in den wärmern Meeren die Tiefenfauna erst in größerer Tiefe beginnt, so daß zwischen den Grenzen beider Gruppen eine ziemlich sterile Zone liegt. Die vertikale Verbreitung der Küstenfauna ist nicht, wie früher vermutet, von Temperaturuertiältnifsen abhängig, da sonst die untere Grenze derselben nicht, wie es thatsächlich der Fall ist, in kalten und warmen Meeren die gleiche sein könnte, sondern von dem Eindringen des Lichts, dessen Strahlen bei zunehmender Tiefe rasch absorbiert werden. Die Küstenfauna ist somit die Fauna des Lichts.
Außer in der vertikalen Richtung ist auch die horizontale Verbreitung der Küstentiere eine verschiedene, indem die Küstenfauna der einzelnen Länder eine verschiedene Zusammensetzung zeigt, so daß man nach Analogie der zoogeographlschen Distrikte ozeano- oder
thalassographische Distrikte unterscheidet. Für die horizontale Verbreitung der Küstenfauna fällt die erste Rolle den Meeresströmungen zu; während nämlich die Küstentiere als erwachsene Tiere nicht im stände sind, über tiefe Meeresstrecken hinzuwandern, besitzen sie frei schwimmende Larvenformen, welche, von den Strömungen erfaßt, an andre Küsten geführt werden. Dauert diese Seereise zu lang, so daß während derselben die Verwandlung der Larven beginnt, so sinken sie zu Boden und geben zu Grunde.
Je größer daher der Reichtum eines Meers an Inseln ist, um so günstiger sind die Chancen für eine weite Verbreitung einer gleichartigen Küstenfauna, wie dies das in seiner großen Ausdehnung die gleiche Küstenfauna zeigende Indopacificgebiet beweist, das sich von der Ostküste Afrikas bis nach Polynesien erstreckt. Nächst den Meeresströmungen spielen selbstverständlich bei der horizontalen Verbreitung der Küstenfauna noch andre physikalische Verhältnisse, besonders die Temperatur und der Salzgehalt, eine Rolle, wie z. V. die Beschränkung der Riffkorallen auf einen vom 30" S. und 30" N. begrenzten Gürtel und das Fehlen der Auster in der salzarmen Ostsee
beweist.
II. Die Tiefenfauna oder Tiefseefauna besteht ebenfalls überwiegend aus festsitzenden oder kriechenden Tierformen, die gleicherweise den verschiedensten großen Abteilungen des Tierreichs angehören; zu ihnen mögen noch solche Tiere, wie etwa Fische, gerechnet werden, welche die nächste über den: Meeresboden gelagerte Wasserschicht schwimmend bevölkern, allein es ist nicht bekannt, ob diese gerade an diese Schicht gebunden sind und nicht auch höhere Wasserschichten durchstreifen. Als Folgen der allgemein in der Tiefsee gültigen physikalischen Verhältnisse zeigen auch die Tiefentiere mancherlei gleiche Charaktere; so ist es auf die in der Tiefe herrschende Ruhe zurückzuführen, daß die Schnecken und Muscheln im Gegensatz zu ihren Verwandten an der Küste sich durch zerbrechliche und dünne Schalen auszeichnen, und daß Formen mit langem, dünnem, zerbrechlichem Leib und Gliedmaßen, wie die Asselspinnen, eine ungewöhnliche Größe erreichen können. Von besonderm Interesse ist eine auf den Mangel des Lichts in der Tiefe zurückzuführende Anpassung einer großen Zahl der Tiefentiere, die in einer Reduktion des Sehorgans besteht; dieselbe ist zum Teil schrittweise zu verfolgen und geht bis zum vollständigen Schwund der Augen. An Stelle des Sehvermögens ist dann das Tastvermögen getreten, indem in großer Häufigkeit Borsten, Haare u. dgl. zur Ausbildung gelangen. Viele Tiefentiere, besonders Fische, besitzen allerdings sogar auffallend große Augen, allein denselben kommt zugleich Leuchtvermögen zu, so daß sich dadurch der Besitz der Augen erklärt; außer den Tiefenfischen leuchten hauptsächlich noch Hohltiere; bei den Alcuonarien ist das phosphorische Licht spektroskopisch untersucht und zeigt rote, gelbe und grüne Strahlen. Mit dem Mangel des Lichts hängt auch die Färbung der Tiefseetiere zusammen; teilö sind dieselben bleich, wie die ebenfalls des Lichts entbehrenden Höhlentiere, teils zwar lebhaft, aber in bestimmten Farben gefärbt. Es dominiert die Farbe Rot, die als Komplementärfarbe der in größern Tiefen höchstens noch wirksamen Lichtstrahlen daselbst eine Schutzfarbe ist, während andre Farben, besonders Blau, völlig fehlen. Die Tiefentiere sind Räuber, die kleinsten derselben finden ihre Nahrung, da in der Tiefe die mikroskopischen Algen, die Diatomeen, diese Urnahrung der Meerestiere, fehlen, wahrscheinlich in