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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Amerikanistenkongreß

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Amerikanistenkongreß (Paris 1890).

geführt und enthalten eine ganze Anzahl bemerkenswerter mythologischer Figuren und Symbole. Der Vortragende, welcher die Bilder kopiert hat, gedenkt sie in kurzem mit begleitendem Texte herauszugeben. Charnay wies in längerm Vortrag auf die Ähnlichkeiten hin, die er zwischen den zentralamerikanischen Bauwerken und denen Ostasiens, Chinas und Kambodschas gefunden haben will. Er folgert daraus, daß die amerikanische Rasse aus Asien eingewandert sei. Seler sprach dann abermals über altmexikanische Goldschmiedekunst, Steinschneiderei und Federarbeit. Leider ist von den Erzeugnissen dieser Arbeitszweige, die auf einer hohen Stufe der Vollendung standen, wenig übriggeblieben. Die Goldsachen wurden von den Spaniern eingeschmolzen, und die Federarbeiten haben die Motten gefressen. Nachdem aztekischen Texte des Geschichtswerks des P. Sahagun verwendeten die altmexikanischen Goldschmiede hauptsächlich Gold, das Silber nur zu Einlagen, zu einer Art Tauschierarbeit. Sie schnitzten ihre Modelle aus einem an der Sonne getrockneten Gemenge von feinem Thon und Holzkohlenpulver und überzogen dieselben mit einer dünnen Wachsschicht. Auch die Gußform wurde aus Thon und Holzkohle hergestellt. Das gegossene Stück machte man durch Erhitzen in einem Alaunbad und dann in einem Bade von mit Salz gemischtem Lehm glänzend. Neben den gegossenen wurden auch getriebene Schmuckgegenstände hergestellt. Die Federarbeit besteht zum Teil aus ganzen, mit Bambus versteiften und mittels Schnur und Bindfaden aneinander gefügten Federn. In dieser Weise sind die vielgestaltigen Devisen gefertigt, welche die mexikanischen Kriegshäuptlinge beim Tanze und auch in der Schlacht auf den Rücken geschnallt trugen. Zur Herstellung von Federmosaik zerschnitt man die Federn und klebte sie auf Papier. Auf einer Grundschicht aus gewöhnlichen billigern Federn wurde die eigentliche Malerei mit glänzenden, aus der Tierra Caliente eingeführten Federn ausgeführt. Im Museum für Völkerkunde in Berlin befindet sich ein derartiger schöner Federmantel. Zum Schluß legte de la Rada y Delgado alte, von der Expedition Ruiz y Pavon herrührende peruanische Geräte vor. Charakteristisch ist die Übereinstimmung der Form von Stein- und Bronzegeräten. Der Stiel einer Bronzeaxt, die genau die Form des in einem Holzstiel mit Schnur befestigten Steinbeils wiedergibt, zeichnet sich aus durch eine schöne Ornamentierung mit in die Bronze eingelegten Silberplättchen.

In der Nachmittagssitzung suchte de Nadaillac nachzuweisen, daß der Mensch schon zur Diluvialzeit Amerika bewohnt habe. Abbé Petitot hält gleich den amerikanischen Geologen die diluvialen Massen, denen Richthofen subaerische Bildung zuschreibt, für Ablagerungen großer Seebecken und zieht daraus den Schluß, daß Amerika zur Diluvialzeit unbewohnbar gewesen sei. Für die Eiszeit will Petitot die Existenz des Menschen in Amerika zugeben, da die kanadischen Indianer eine Tradition von einem Untergang der Welt durch Schnee besitzen. Der Vortragende sprach ferner über die Schöpfungssagen der Tschigliteskimo von der Mündung des Mackenzie und legte eine Anzahl Gebrauchsgegenstände der Mackenzie-River-Stämme und der westlichen Eskimo vor: Schaber, Nadelbüchsen, Harpunen, die in Form und Anordnung die auffallendste Ähnlichkeit zeigen. Diese Gegenstände scheinen den in oben erwähnter Tradition bezeugten gemeinsamen Ursprung der beiden zur Zeit weit entfernt voneinander wohnenden Zweige des Eskimostammes zu bestätigen.

In der Nachmittagssitzung des dritten Kongreßtags wurde eine Abhandlung von Frau Nuttall vorgelegt, welche sich mit dem von Hochstetter in der Ambraser Sammlung aufgefundenen altmexikanischen Federschmuck des Wiener Hofmuseums beschäftigt. Baron de Baye sprach über Pfeilspitzen aus einem Mound in der Nähe der Missourimündung, Ehrenreich demonstrierte Photographien der Indianerstämme, die er als Begleiter von den Steinens und auf seiner Fahrt den Araguay abwärts aufgenommen hatte. Er hob hervor, daß die mongoloiden Eigentümlichkeiten, welche verschiedene Reisende bei den Botokuden und bei den Stämmen des Innern haben wahrnehmen wollen, in Wirklichkeit nicht bestehen. Deniker sprach über die Resultate der mehrjährigen wissenschaftlichen Expedition nach dem Kap Horn, bei welcher die drei Stämme, die auf Feuerland leben, in Bezug auf ihre physischen Eigentümlichkeiten und ihre ethnographischen Besonderheiten untersucht wurden. Es sind Photographien aufgenommen, Leichen präpariert und mit zerlegten Hütten und ansehnlichen Sammlungen von Gebrauchsgegenständen etc. nach Paris geschafft worden. Auch der Linguistik hat man gebührende Aufmerksamkeit zugewendet. Das betreffende Werk über diese Expedition soll demnächst erscheinen. Im Anschluß an diesen Vortrag berichtete Marcel über wenig bekannte Reisen von Franzosen nach dem Feuerland. Erwähnenswert ist besonders der Bericht eines Flibustiers, Jouan de la Guilbaudière, der 1695 in der Magelhaensstraße scheiterte und 11 Monate unter den Eingebornen zubrachte. Er hat ein Vokabular von mehr als 300 Worten gesammelt, welches um so interessanter ist, als die ältesten Wortsammlungen des Feuerlandes aus dem Ende des 18. Jahrh. stammen. De la Rada y Delgado sprach hierauf über die beiden Mayahandschriften des Madrider Museums, den Kodex Tro und den Kodex Cortez, und wies nach, daß sie die beiden Hälften einer und derselben Originalhandschrift sind, welche ineinander gefügt ein Ganzes bilden. Raynaud hob hervor, daß auch die Maya, die später die Tageszeichenzählung mit dem vierten Tageszeichen der mexikanischen Zählung begannen, ursprünglich die Zählung mit dem ersten Tageszeichen der mexikanischen, chiapanekischen und guatemaltekischen Zählung begannen. Er will danach zwei Kulturepochen unterscheiden: eine ursprünglichere, allgemein mexikanische und eine spätere, höhere, im engsten Sinne yukatekische Kultur. Villanova y Piera berichtete über ein von Carles im Gebiet des La Plata-Stroms in tiefen Schichten aufgefundenes Skelett mit stark abgenutzten Zähnen, die auf vorwiegende Körnernahrung hindeuten. Zum Schluß legte Borsari die Statuten der neugegründeten italienischen amerikanischen Gesellschaft vor und bat um Mitwirkung der Kongreßmitglieder namentlich behufs Herstellung eines möglichst vollständigen Litteraturnachweises.

In der Sitzung des vierten Kongreßtags sprach Raoul de la Grasserie über die Bauivasprache, die zu der großen Familie der Maypuresprachen gehört. In nahezu 50 Sprachen dieser Familie, für welche das nu als Präfix der ersten Person so charakteristisch ist, daß von den Steinen dieselbe als Nu-Sprachen bezeichnet, hat Adam nicht die Spur eines Artikels gefunden, u. er hält für zweifelhaft, ob es eine einzige amerikanische Sprache gebe, die einen wirklichen Artikel ausgebildet habe. Adam beleuchtete dann gewisse Eigentümlichkeiten der Sprache der Mosquito-Indianer, für welche Maisonneuve demnächst eine Grammatik publizieren werde, und Seler machte Mitteilungen