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Armenwesen (Armenverwaltung in Österreich).
denjenigen in Frankreich übereinstimmen. Auch diese Spaltung des deutschen Armenpflegegebiets ist ein der Abhilfe bedürftiger Punkt. Dieser feinern Ausbildung eigentlicher Armenpflege gegenüber ist die Armenpolizei verhältnismäßig in den Hintergrund gedrängt worden und gipfelt zumeist in einigen Paragraphen der Strafgesetzbücher, welche sich mit Bettel, Landstreichertum, Verbot von Sammlungen u. dgl. befassen. Die materiell einschneidendste Maßregel vorbeugender Natur ist die Berechtigung der Gemeinden, die Erwerbung des Unterstützungswohnsitzes durch wirtschaftlich haltlose Personen zu verhindern. Die strafgesetzlichen Bestimmungen über Spiel, Trunk u. dgl. sind von minderer Bedeutung. Auf eine spezielle Gestaltung des Finanzwesens nimmt die Armenverwaltung so gut wie gar keinen Einfluß, denn die geringfügigen Bestimmungen über die Verwendungen von gewissen, luxussteuerartigen Charakter tragenden Abgaben (Hundesteuer etc.) sind für die Struktur des Budgets von wenig Belang.
Österreich. Die westlichen Länder Österreichs (ohne den Osten und Süden) tragen vom Standpunkt der Armenpflege aus übereinstimmenden Charakter, trotzdem deren gesetzliche Regelung in die Kompetenz der einzelnen Landtage fällt. Es ist eben die Nachwirkung der gleichmäßigen historischen Ausgestaltung, welche auf die zu Ende des vorigen Jahrhunderts unter Joseph II. nach Graf Bouquoys Beispiel allgemein errichteten Pfarrarmeninstitute zurückgeht. Mit Beginn der konstitutionellen Zeit, etwa zu Beginn der 70er Jahre, erschienen in fast allen Ländern Gesetze, welche diese Pfarrarmeninstitute aufhoben und die Armenpflege den Gemeinden unterstellten, und in der Gegenwart erfährt diese Gemeindearmenpflege durch zahlreiche Landesgesetze ihre in wesentlicher Übereinstimmung mit den deutschen Erfahrungen stehende Ausbildung. Im übrigen ist nur noch das Heimatsgesetz vom 3. Dez. 1863 als reichsgesetzliche Grundlage zu erwähnen. Die Fürsorgepflicht ist ebenso wie im Deutschen Reiche und in Fortsetzung derselben geschichtlichen Entwickelung gleichfalls eine für gewisse territoriale Verbände obligatorische. Diese Verbande sind in erster Linie die Gemeinden und nur in sehr zurücktretendem Maße die Länder oder Bezirke. Die Fürsorge steht ebenso wie auch in Bayern der Heimatsgemeinde zu, falls nicht Stiftungen u. dgl. in erster Linie in Betracht kommen; nur im Falle außerordentlichen und plötzlichen Bedürfnisses muß die Gemeinde die dringlichste Hilfe auch den Gemeindefremden angedeihen lassen, wofür sie dann bei der Heimatsgemeinde Kostenersatz beanspruchen kann. Wenn man nun bedenkt, daß besonders in größern Gemeinden der Prozentsatz der Zuständigen unter den Anwesenden ein geringer ist (⅓-½), und daß anderseits die Heimatsgemeinde den sozialen Zusammenhang mit ihren auswärts befindlichen Angehörigen zumeist ganz verloren hat, so ergibt sich diese Armenpflicht der Heimatsgemeinden als ein wesentlich reformbedürftiger Punkt. Die Bezirke üben nur in einigen Ländern und zwar meist nur eine fakultative Armenpflege aus, welche wenig erheblich genannt werden kann. Wichtiger ist dagegen die Stellung der Länder. In erster Linie sind die Lander (neben wenigen Beispielen von Bezirken) jene Verbande, von denen, wie dies auch im Deutschen Reiche vielfach der Fall ist, die größern und kostspieligern Anstalten, wie Siechen-, Blinden-, Taubstummen-, Heil-, Verpflegungs-, Besserungs-, Arbeits-, Rettungsanstalten, erhalten werden, wobei die Gemeinden für ihre untergebrachten Zuständigen zu Beiträgen verpflichtet sind. Daneben besteht noch eine, jedoch verschiedenartig angeordnete Verpflichtung der Länder zur Bestreitung von gewissen uneinbringlichen Krankenverpflegekosten ganz oder zum Teil, von uneinbringlichen Heilkosten der Ausländer und Heimatlosen, von Armenkosten für zwangsweise an Gemeinden heimatsrechtlich Zugewiesene etc. Überdies unterstützen die Länder und Bezirke häufig die Gemeinden bei Aufbringung der Mittel für die Armenpflege, wobei sich der Staat nur im Falle außerordentlicher, durch Elementarereignisse verursachter Massenverarmung durch größere Spenden beteiligt. Ein Landarmenverband nach deutschem Muster wurde mit Landesgesetz vom 1. Febr. 1885 in Niederösterreich errichtet und sorgt vornehmlich für die von der Heimatsgemeinde lange (10 Jahre) abwesenden, verarmten landesangehörigen Personen. Was die andern Gebiete Österreichs anbelangt, so stimmen die Verhältnisse in den südlichen Ländern im wesentlichen mit dem italienischen System der Armenverwaltung überein, und es mußte sich auch die Armengesetzgebung der Länder an die überkommenen Einrichtungen der Brüderschaften in Istrien und der Commissioni di pubblica beneficenza in Dalmatien anschließen, um wirkungsvoll sein zu können; insoweit sie dies nicht that, blieb sie meist nur auf dem Papier. In den östlichen Ländern fehlte es von jeher an indigenen Organisationen, namentlich ganz in der Bukowina, da die griechisch-orthodoxe Kirche der Verbindung mit der Armenpflege ganz entbehrt, aber auch in Galizien, wo die katholischen Einrichtungen einer Armenpflege aus verschiedenen Gründen, zumeist wegen der allgemeinen Armut des Landes und seines administrativen Verfalls, entweder ganz verfielen oder überhaupt nie Eingang gefunden hatten. In diesen Ländern bestehen daher auch gar keine Landesgesetze für Armenpflege, sondern gelten nur neben den alten, auf Grundlage des frühern Systems erschienenen Verordnungen die wenigen Bestimmungen der Gemeindeordnungen. Vom Standpunkt der Armenpolizei kommt sowohl die Reichs- als auch die Landesgesetzgebung in Betracht. Erstere, neben den auch in deutschem Rechte zu findenden allgemein strafgesetzlichen Bestimmungen, durch das sogen. Vagabundengesetz vom 24. Mai 1885. Die Zwangsarbeitsanstalten, welche durch dieses Gesetz in besonderer Weise erforderlich geworden sind, fallen in die Sphäre der Wirksamkeit der Länder, obgleich aus Staatsmitteln erhebliche Kostenbeiträge geleistet werden. Auch die Errichtung der Naturalverpflegestationen ist Sache der Länder, und zwar besteht eine derartige Institution nach preußischem Muster bereits in Niederösterreich (1886), Mähren (1888), Steiermark (1888), Oberösterreich (1889), Kärnten. Sonst existieren selbstverständlich noch polizeiliche Bestimmungen über Bettelei u. dgl. Bezüglich des Finanzwesens auf dem Gebiet der Armenverwaltung sind nur jene Bestimmungen zu erwähnen, welche schon seit langer Zeit rücksichtlich der Einnahmen der Pfarrarmeninstitute, resp. jetzt der Lokalarmenfonds gelten. Diese sind in erster Linie die Erträgnisse der lokalen Armenstiftungen und Zweckvermögen, dann, ähnlich wie in den deutschen Ländern, einige kleinere Abgaben (Bürgerrechtstaxen, Hundesteuer etc.), ferner leider die Einnahmen aus einer großen Menge von Geldstrafen etc. Im Vergleich zu dem Gesamterfordernis spielen aber auch hier die Spezialeinnahmen keine Rolle. Überhaupt müßte man entweder die gesamten Erfordernisse der Armenverwal-^[folgende Seite]