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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Auskunftswesen

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Auskunftswesen (geschäftsfreundliche u. berufsmäßige Auskunftserteilung).

die Auskunft. Er muß nämlich, wenn er sich an die Filiale wendet, eine höhere Gebühr entrichten. Dem gegenüber kann der Kaufmann von seinem Geschäftsfreund, welcher über die Verhältnisse des Kreditnehmers genau unterrichtet ist, wenn er ihn zur Eile anspornt, womöglich umgehend Antwort erhalten.

Ebenso wichtig aber als die schleunige Erledigung ist dem Kaufmann die Zuverlässigkeit der erhaltenen Auskunft. Auch in dieser Hinsicht verdient die geschäftsfreundliche Auskunft vor der Auskunft eines organisierten Büreaus den Vorzug. Die Bedeutung des letztern hängt wesentlich und entscheidend von der Tüchtigkeit und Zuverlässigkeit der Korrespondenten (d. h. der Berichterstatter an den einzelnen Plätzen) ab. Erst in zweiter Reihe kommt das Archivmaterial, dessen Wert ja vorzugsweise auf der Erfahrung der Korrespondenten beruht, und endlich in dritter Reihe der Beamtenkörper des Instituts in Betracht. Nun ist es aber erfahrungsgemäß sehr schwer, an kleinen Plätzen einen unparteiischen und unbeteiligten Korrespondenten zu finden, der in jeder Beziehung die genügenden Kautelen für die Übertragung eines so verantwortungsvollen und wichtigen Postens bietet. In mittlern Handelsplätzen ist es schon leichter, geeignete Berichterstatter heranzuziehen. Ein gut organisiertes Auskunftsbüreau hat an einem bedeutendern Platze nicht einen, sondern mehrere Korrespondenten. So ist ein Korrespondent nur dazu da, um fortgesetzt Einsicht in das Handelsregister zu nehmen. Er ermittelt die Inhaber der betreffenden Firmen und teilt etwanige Veränderungen sofort dem Büreau mit. Ein andrer Vertrauensmann beschäftigt sich fortlaufend mit den Eheregistern und berichtet dem Büreau über Kaufleute, welche die Gütergemeinschaft ausschließen. Der eigentliche Hauptkorrespondent berichtet über die Kreditfähigkeit der ihm bezeichneten Firmen. Diese letztern Angaben sind natürlich entscheidend. Nur in seltenen Fällen wird es aber einem Auskunftsbüreau gelingen, hervorragende Kaufleute zur Berichterstattung über Kreditverhältnisse heranzuziehen. Gerade das Prinzip der Entgeltlichkeit hat zur Folge, daß die vorzüglichsten Kräfte sich nicht zu Berichterstattern für Auskunftsbüreaus hergeben. Würden unsre Auskunftsbüreaus in Ausnahmefällen dieses für die Regel richtige Prinzip verlassen, so würde sich ihnen die Möglichkeit eröffnen, mit den bestrenommierten Bankhäusern Verträge auf gegenseitige unentgeltliche Auskunftserteilung abzuschließen. Die geringe Bezahlung mit 50 Pf. für die reguläre Auskunft ist für einen gut situierten Kaufmann nicht verlockend. Dagegen ist er dem Büreau gern gefällig, wenn er auf Gegendienste rechnen kann. Übrigens hat das größte Bankinstitut Deutschlands, welchem sich wohl kein europäisches Auskunftsbüreau an Bedeutung und Geschäftsumfang zur Seite stellen wird, das oben ausgesprochene Prinzip der gegenseitigen unentgeltlichen Auskunftserteilung bereits mit bestem Erfolg durchgeführt. Den Haupt- und Nebenstellen der Deutschen Reichsbank ist es streng untersagt, sich bei Einziehung von Auskünften irgend eines Auskunftsbüreaus zu bedienen. Alle Informationen werden im Wege der geschäftsfreundlichen Auskunft von hervorragenden Kaufleuten eingezogen, der beste Beweis dafür, einen wie hohen Wert die Reichsbank der geschäftsfreundlichen gegenüber der berufsmäßigen Auskunft beilegt. Die Reichsbank erteilt nun auch ihrerseits ihren Berichterstattern auf deren Wunsch (allerdings nur mündlich) unentgeltlich Auskünfte.

An den eigentlichen Filialplätzen (s. oben) haben die Auskunftsbüreaus außer ihrem angestellten Personal keine besondern Berichterstatter. Daraus folgt, daß die Zuverlässigkeit der in diesen Plätzen eingezogenen Kreditauskünfte (es handelt sich hier um Städte von 2-300,000 oder noch mehr Einwohnern, in welchen die Krediterkundigung häufig überaus schwierig ist) von der Tüchtigkeit und dem Geschick des Vorstehers wesentlich abhängt. Dieser setzt sich mit angesehenen Kaufleuten, welche mit den Kreditverhältnissen der Geschäftswelt vertraut sind, in Verbindung, erkundigt sich auch nicht selten direkt bei denjenigen Personen, über welche Anfragen eingelaufen sind. Die auf diesem Weg eingezogenen Auskünfte können leicht recht unzuverlässig sein. In derartig großen Städten sollte ein wohlorganisiertes Auskunftsbüreau sich nicht auf einen wenn auch noch so gut geschulten Angestellten und dessen Untergebene verlassen, es müßte vielmehr jede wichtigere Branche von bewährten und mit dem Geschäftszweig vertrauten Kaufleuten bedient werden.

Bei der geschäftsfreundlichen Auskunft kennt der anfragende Kaufmann die Gewissenhaftigkeit und geschäftliche Routine seines Gewährsmannes und kann auf die von diesem erteilte Auskunft weit mehr bauen als auf das Urteil eines ihm unbekannten Korrespondenten des Auskunftsbüreaus. Wir wollen übrigens nicht unerwähnt lassen, daß zwei weniger bedeutende deutsche Auskunftsbüreaus eine Einrichtung getroffen haben, durch welche diesen und andern Mißständen des modernen Auskunftswesens wirksam entgegengetreten wird. Diese Auskunftsbüreaus lassen nämlich ihre Abonnenten in direkten Verkehr mit den Korrespondenten treten, indem sie die Namen der letztern ihren Kunden auf deren Verlangen in einer Liste auf die Zeit des Abonnements zustellen, eine Einrichtung, welche einen Fortschritt auf dem Gebiet des Auskunftswesens bedeutet. Namentlich wird dadurch eine schleunigere Erledigung der Auskunft möglich. Aber das Moment des persönlichen Vertrauens, welches bei der geschäftsfreundlichen Auskunft so sehr in den Vordergrund tritt, ist auch bei dieser Art der Auskunftserteilung nicht in gleichem Maße vorhanden. Denn der Anfragende kennt mit dem Namen des Auskunftsgebers noch nicht dessen Person. Ein andrer Einwand, welcher von den großen Auskunftsbüreaus gegen dieses System erhoben wird, geht dahin, die Auskünfte könnten leicht in schlechter Stilisierung dem Abonnenten zugehen, und darunter dürfte das Ansehen des Auskunftsbüreaus dem Publikum gegenüber leiden. Doch dem Kaufmann liegt nichts an der schönen Redaktion, er versteht auch eine weniger gut redigierte Auskunft zu lesen. Schwerer wiegt das Bedenken, daß bei dieser Art der Auskunftserteilung das bei großen Instituten sehr wertvolle Archivmaterial dem Anfragenden nicht oder doch nur auf Umwegen zu statten kommt.

Der Private kann auch hervorragende Kaufleute, welche den Posten als Korrespondenten eines Auskunftsbüreaus unter den gegenwärtigen Verhältnissen kaum annehmen würden (s. oben), mit Erfolg anfragen. Bei den mannigfaltigen Vorzügen der geschäftsfreundlichen Auskunft ist es denn auch sehr erklärlich, daß dieselbe, wie selbst von ihren Gegnern zugegeben wird, im Verkehrsleben die erste Rolle spielt. Sollte übrigens in besondern Fällen eine Entlohnung des Geschäftsfreundes für die aufgewandte Mühe am Platze sein, so steht nichts im Wege, daß der Private seinen Gewährsmann in angemesse-^[folgende Seite]