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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Auskunftswesen

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Auskunftswesen (Geschäftsumfang, Gebühren, Haftbarkeit).

»Verläßlichkeit in Beziehung auf das betreffende Gewerbe« (§ 23 des österreichischen Gesetzes vom 15. März 1883, betreffend die Abänderung und Ergänzung der Gewerbeordnung) zu prüfen. In welcher Art vollends soll sich die Behörde von der im Gesetz geforderten »besondern Befähigung« ein Bild verschaffen? Am Ende trifft aber die Staatsverwaltung eine schwere Verantwortung, wenn sie nicht würdigen oder weniger fähigen Unternehmern die Konzession verleiht und dadurch das Publikum veranlaßt, dem betreffenden Auskunftsbüreau, welchem man andernfalls mit der größten Vorsicht entgegengetreten wäre, von vornherein vertrauensvoll zu begegnen.

Hiernach wäre auf diesem Gebiet an dem Grundsatz der Gewerbefreiheit festzuhalten; denn die solide Geschäftswelt, welche den Ruf der Auskunftsbüreaus begründet und verbürgt, wird nur mit ehrenhaften und gut fundierten Häusern verkehren, Schwindelunternehmungen, welche allerdings gerade auf dem Gebiet des Auskunftswesens sich breit machen, werden daher stets doch nur ein kurzes Dasein fristen.

Geschäftsumfang. Das größte Auskunftsbüreau in Deutschland ist das von W. Schimmelpfeng in Berlin, welcher bis zur Begründung seines Büreaus im J. 1872 Leiter der Filiale von Lesser u. Liman in Frankfurt a. M. war. Die folgenden Zahlen veranschaulichen die Entwickelung dieses Büreaus im Laufe der letzten neun Jahre:

Geschäftsjahr Personal Abonnenten Schriftliche Auskünfte Kostenfreie Nachtragsberichte

1881 - - 217628 ¹ -

1882 106 12441 257399 ¹ -

1883 144 15245 354766 -

1884 155 15685 410896 -

1885 164 16497 450651 39185

1886 223 18442 507239 40000

1887 242 21058 579402 50000

1888 272 22307 614974 60000

1889 283 23796 750000 55566 ¹

¹ Nur vom Zentralbüreau in Berlin.

Andre bedeutendere Auskunftsbüreaus sind die von Lesser u. Liman in Berlin, Wm. Schmeißer u. Komp. in Frankfurt a. M. und Wyß, Müller u. Komp. in Berlin. Die Höhe der Auskunftsgebühr beträgt in Deutschland:

Ein Abonnement von Zetteln Bei Schimmelpfeng Deutschland u. Österreich-Ungarn Bei Lesser u. Liman über Firmen in Bei Wyß, Müller u. Komp. Deutschland u. Österreich-Ungarn

Domizilplätzen des Büreaus sonstigen Orten Deutschlands und Österreich-Ungarns

Mark Mark Mark Mark

500 460 - - -

400 370 - - -

300 280 - - -

200 190 120 225 -

100 100 70 120 105

50 55 40 65 60

25 30 22 35 33

10 15 10 15 14

6 10 - - -

Die Auskünfte über das Ausland werden gegen größere oder kleinere Zuschlagssummen erteilt. Weit höhere Gebühren berechnen die beiden größten amerikanischen Büreaus, The Mercantile Agency of America und The Bradstreet Company. Dieselben verlangen von ihren Abonnenten für fortlaufende Informationen über 100 Firmen eine Gebühr von 400 Mk., über 75 Firmen 325 Mk., über 25 Firmen 150 Mk., über 10 Firmen 100 Mk., über eine Firma 20 Mk. Außerdem kosten die in Amerika üblichen Referenzbücher der Mercantile Agency in einer Auflage 100 Mk., in zwei Auflagen 150 Mk., in vier Auflagen 275 Mk.

Juristische Haftbarkeit der Auskunftsbüreaus. Betrachten wir zunächst die Stellung, welche der Inhaber eines Auskunftsbüreaus im Privatrechtsverkehr einnimmt. Es ist eine vielumstrittene Frage, ob der Leiter eines Auskunftsbüreaus als »Kaufmann« im Sinne des Art. 4 des allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches zu gelten habe. Das Reichsoberhandelsgericht hat diese Frage in einer Entscheidung vom 3. Dez. 1877 bejaht, jedoch nur im Hinblick darauf, daß der Auskunftserteilende aus andern Gründen (infolge des Betriebs von Inkassogeschäften) bereits Kaufmann war. Demnach hätte der Leiter eines lediglich zur Erstattung von Auskünften bestimmten Büreaus nach der Ansicht des höchsten Gerichtshofs die Kaufmannseigenschaft nicht. Übrigens ist diese theoretisch sehr interessante Frage von nur geringer praktischer Bedeutung, da alle einschlägigen Rechtsfragen nach den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts (nicht des Handelsrechts) zur Entscheidung gelangen.

Von hervorragendem Interesse ist zunächst die rechtliche Stellung des Auskunftsbüreaus gegenüber dem Anfragenden. Das Rechtsverhältnis, welches zwischen den beiden Kontrahenten besteht, ist nach der juristischen Terminologie ein Werkvertrag (locatio conductio operis). Daraus folgt, daß beide Teile, wenn eine anderweitige Verabredung nicht getroffen ist, kraft Gesetzes sich gegenseitig für jede noch so geringe Fahrlässigkeit verantwortlich sind (Haftung für culpa levis). Dem Abonnenten erwächst erst dann ein Anspruch auf Schadenersatz, wenn er nachzuweisen vermag, daß die fahrlässigerweise gegebene Auskunft Ursache eines Vermögensschadens war (Nachweis des Kausalzusammenhanges). Nun wird aber von den Auskunftsbüreaus, welche eine so schwere Haftung ohne die größte Gefährdung nicht auf sich nehmen können, durch besondere (meist gedruckte) Vertragsklauseln »jede Verantwortlichkeit« für unrichtig erteilte Auskünfte von vornherein abgelehnt. Die Gültigkeit solcher Abmachungen steht juristisch außer Zweifel. Nur wegen Arglist (dolus) haften die Büreaus stets. Denn eine Vereinbarung, durch welche die Haftung für Arglist ausgeschlossen wird, ist, da sie gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Dagegen liegt in der oben genannten Klausel die nach richtiger Ansicht rechtlich zulässige Ablehnung der Verantwortung für eine noch so weitgehende Fahrlässigkeit (culpa lata).

Was die Höhe des zu leistenden Schadenersatzes betrifft, so haftet das Auskunftsbüreau dem Anfragenden nicht nur für den effektiven Schaden, sondern auch für den entgangenen Gewinn.

Sehr häufig wird in den Vertragsklauseln (s. oben) dem Anfragenden die Verpflichtung auferlegt, die Auskunft der Büreaus »diskret« zu benutzen. Für den Fall der Indiskretion müsse der Anfragende für jeweden ^[richtig: jedweden] Schaden haften, welchen das Büreau hierdurch erleide. Daneben wird nicht selten das Recht der Einziehung des noch laufenden Abonnements als Konventionalstrafe ausbedungen. Auch diese Abmachungen sind rechtlich verpflichtend. Nur für den Fall, daß das Büreau sich durch die Auskunft einer strafbaren Handlung schuldig gemacht hat (s. unten), besteht für den Abonnenten keine Pflicht zur Diskretion,