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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Balneologische Gesellschaft

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Balneologische Gesellschaft (12. Versammlung, Berlin 1890).

andrer Muskelbewegungen auf den Stoffwechsel. Der Mensch braucht bei Bewegungen in der Horizontalen etwa die Hälfte Sauerstoff weniger als das Pferd, bei Steigbewegungen dagegen ist der Verbrauch der gleiche: beim Gehen arbeiten wir ökonomischer als bei andern Leistungen. So ergibt z. B. Arbeit am Ergostaten im Vergleich zur Geharbeit bei gleicher kilogrammetrischer Leistung, daß jene 0,33 mehr Sauerstoff erfordert als diese. Unter Berücksichtigung der Konstitution der einzelnen Individuen ist es möglich, den Sauerstoffverbrauch, resp. die Kohlensäureausscheidung in Äquivalente: Fett, Fleisch, Stärke, Rohrzucker, umzuwandeln. Ist die Arbeitsleistung der betreffenden Konstitution angepaßt, so ergibt sich ein Gleichgewichtsverhältnis zwischen Verbrauch und Vorrat. Wird die Arbeitsanforderung aber zu hoch, so daß sich dyspnoische Zustände einstellen, so findet man entsprechend einen über die Vorräte des Körpers hinausgehenden Verfall stickstoffhaltiger Organe. Wie ausgezeichnet übrigens die menschliche Maschine eingerichtet ist, ergibt sich bei einem Vergleich mit der Dampfmaschine, welche etwa sechsmal soviel Brennmaterial als der Mensch für 1 Kilogrammeter Arbeit braucht. Hierauf sprach Haupt - Soden über die Bedeutung der Erblichkeit der Tuberkulose im Vergleich zu ihrer Verbreitung durch den Auswurf. Er sucht auf Grund eigner Beobachtungen, eigner und fremder Statistik zu beweisen, daß für die meisten Fälle von Tuberkulose Erblichkeit nachzuweisen sei, wie z. B. in Soden selbst trotz der vielen dort weilenden tuberkulösen Kurgäste unter der Bevölkerung selbst nur selten Tuberkulose vorkommt. Er bringt dann noch zahlreiche Belege aus der Litteratur für die Möglichkeit einer direkten Vererbung der Tuberkulose, die analog der vererbten Syphilis lange Zeit latent bleiben kann. In ähnlichem Sinne sprach sich Römpler - Görbersdorf aus. Die jetzt herrschende übertriebene Furcht vor der Ansteckungsfähigkeit der Tuberkulose suchten die Vortragenden zu dämpfen, die Ansteckung ist sicher anzunehmen, aber sie trifft vorzugsweise nur erblich Belastete.

In der zweiten Sitzung des Kongresses sprach Kisch - Marienbad über Hirnhämorrhagie und Fettleibigkeit. Es gibt eine plethorische Fettleibigkeit, welche durch erhöhten Blutdruck, vollen, gespannten Puls und rote Gesichtsfarbe charakterisiert ist. Diese liefert die Hirnhämorrhagien. Nicht allein der erhöhte Blutdruck, sondern auch die Hirnhyperämie und Herzaufregung spielen dabei eine Rolle. Die wahrnehmbaren Symptome derselben dienen als Warnung. In einem Vortrag über Neurasthenie und Herzkrankheiten bespricht Schott - Nauheim die Herzsymptome der Neurastheniker und erinnert daran, daß sie auch von Verdauungsstörungen herrühren. Eine gewisse Empfindlichkeit des Herzmuskels gestattet, durch Druck auf die Brustwand die Herzgrenzen zu bestimmen, auch konnte er an dem Einwärtsrücken der Herzspitze eine tetanoide Herzkontraktion konstatieren. Letztere wurde indes in der Diskussion auf zwei schnell aufeinander folgende Herzschläge zurückgeführt. Winternitz - Wien sprach über Wärmeregulierung und Pathogenese und suchte Traubes Fieberlehre zum Siege zu verhelfen. Marigliano hat mit Mossos' Plethysmographen konstatiert, daß dem Ansteigen der Temperatur eine Abnahme des Volumens der Glieder ebenso vorausgeht, wie das Anschwellen derselben dem Fieberanfall zuvorkommt. Es ist nicht mehr zu zweifeln, daß die Vasomotoren das Fieber erzeugen. Es gelang, die Bedeutung derselben für die Wärmeabgabe mit dem Kastenthermometer nachzuweisen, und durch entsprechende Hautreize konnte die Wärmeabgabe bis auf 70 Proz. gesteigert oder vermindert werden. Zuntz - Berlin führte hierzu aus, daß auch er an eine andre Steigerung der Wärmeproduktion beim Fieber nicht mehr glaube als an die, welche bei Abkühlung der Haut reflektorisch durch unwillkürliche und willkürliche Muskelspannungen hervorgebracht wird. Marcus hielt einen Vortrag über Behandlung der Bleichsucht. Er warnt vor allem das gefährliche Alter vor Seebädern, dem Schwimmen im Süßwasser und dem Umherklettern in den Bergen; er bezeichnet die Behauptung, daß das Eisen den Magen verderbe, als übertrieben. Trotz Salzsäure und andrer Tonica sei es unentbehrlich. Auch Weißenberg - Kolberg bestätigte durch genaue vergleichende Beobachtungen die Schädlichkeit des Seebades. Ebenso sprach sich Jacob - Cudova aus, nach welchem die Wärme und zwar das sehr warme Moorhalbbad besonders durch Hebung der Dyspepsie wirksam sind.

In der dritten Sitzung empfahl Rosenbaum - Berlin die subkutane Anwendung von Silbersalzen gegen Rückenmarksschwindsucht. Er hat dabei alle wesentlichen Symptome schwinden sehen; freilich sei das Verfahren schmerzhaft, so daß die Kranken sich demselben gern entziehen. Jacob - Cudova rühmte ebenfalls die Anwendung der Silbersalze, doch zieht er kohlensaure Bäder vor. Winternitz - Wien warnt vor einer Verwechselung von arzneilicher Besserung mit Stillstand und freiwilligem Besserwerden und bemerkt, daß es Fälle gebe, welche bei jeder Behandlung sich rasch bessern. Groedel - Nauheim hielt darauf einen Vortrag über nervöses Herzklopfen und sonstige, auf Innervationsstörung beruhende Herzaffektionen. Er gibt die Möglichkeit zu, verschiedene Unterarten des nervösen Herzklopfens zu unterscheiden, je nachdem sich die Erscheinungen mehr im Sinn einer Erregung des Sympathikus oder einer Lähmung des Vagus mit oder ohne Beteiligung der Vasomotoren zeigen. Im allgemeinen aber sei ein mehr einheitlicher Standpunkt richtiger, indem es sich um eine durch psychische Eindrücke abnorm leichte Störung des für gewöhnlich bestehenden Gleichgewichts der entgegengesetzten Innervationsfaktoren für die Herzbewegung handelt und um eine nicht normal rasche Rückkehr in den Gleichgewichtszustand, wenn derselbe gestört sei. Bei der Tachycardie dagegen müssen tiefere funktionelle Verletzungen vorliegen, da die Störung des Gleichgewichtsverhältnisses oft ohne äußere Veranlassung eintritt und viel länger dauert, mitunter tagelang, ja mehrere Jahre permanent fortbestehen und selbst zum Tode führen kann. Jacob - Cudova sprach hierauf über die Symptomatologie und Pathogenese der Neuralgien. Er schildert einen stationären schmerzhaften Zustand der gesamten Haut und Muskulatur, welcher teils in Druckschmerz, teils in spontanen Schmerzen besteht und auf krampfhafter Anämie beruht; ein ganz ähnlicher Zustand ist auf die Fußsohle beschränkt. Dann gehört hierher Ischias, welche auf Ödem der Fußsohle, bez. des ganzen Beins beruht; ferner eine anfallsweise auftretende, mit Hyperämie einhergehende Gelenkneuralgie; eine Hysteralgie, welche auf Ödem des Uterus beruht, und eine solche, welche mit Hyperämie und Hypertrophie verbunden ist und wehenartig auftritt; endlich eine Angina pectoris, welcher ein heftiger Angiospasmus des linken Armes und der linken Brusthälfte vorausgeht, und der mit heftigem Schmerz in den angiospastischen Regionen verknüpft ist. Die hyperämischen Neuralgien beruhen auf voraufgegan-^[folgende Seite]