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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Bezold; Bibesco; Bienenlinie; Bigha; Bilbao

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Bezold - Bilbao.

lich der psychischen Thätigkeit eigen; in der Außenwelt sind alle Größen entweder raum-zeitlich getrennt, oder untrennbar und ununterscheidbar zu einer Einheit verschmolzen, physikalisch bilden also Verschiedenheit und Einheit kontradiktorische Gegensätze. Diese Thatsache, daß innere Zuständlichkeiten unvermischt in die unteilbare Handlung der Vergleichung eingehen, bildet die Grundlage der Kontinuität unsers Bewußtseins; sie ermöglicht ferner, daß aus einer Anzahl von Sinnesempfindungen die Wahrnehmung eines dinglichen Objekts entsteht; sie bringt es endlich zuwege, daß aus Einzelvorstellungen, Einzelgefühlen, Einzeltrieben in ansteigendem und sich verjüngendem Aufbau die immer voller und lebendiger werdenden höhern Zuständlichkeiten des Bewußtseins entstehen, ohne daß doch die genannten Elemente als Elemente (etwa wie die Faktoren im Produkt) verschwanden. Jedoch läßt sich aus der so festgestellten Einheit des Bewußtseins der Schluß auf einen substantialen Träger derselben, d. h. auf eine unteilbare, immaterielle und damit auch unsterbliche Seele, nicht ableiten.

Selbstbewußtsein bezeichnet das Innewerden der psychischen Akte als einer zusammengehörigen Kette und die Beziehung dieser Kette auf ein Zentrum, das Ich. Das erste Merkmal des Selbstbewußtseins findet sich bereits bei dem Neugebornen, denn es ist die Vorbedingung aller persönlichen Erfahrung; das zweite Merkmal jedoch entwickelt sich erst allmählich im Kinde, bis es etwa im vierten Lebensjahr zum Selbstbewußtsein wird. Hierbei sind folgende Punkte von Wichtigkeit. 1) Da Sinnes- und Bewegungsempfindungen vom Beginn des Lebens an im Menschen thätig sind, da insbesondere immer einzelne Muskeln in Spannung verharren, so fehlt niemals in unserm B. eine bald unklare, bald klarere Vorstellung von den Stellungen oder Bewegungen unsers Körpers, und es entsteht eine permanente Vorstellungsgruppe, die eine mit der Umgrenzung des Körpers gegebene Neigung zur Zentralisation besitzt und hierdurch wie durch den Umstand, daß Bewegungen unmittelbar, Empfindungen mittelbar von dem Einen kontinuierlichen Willen abhängig sind, zu dem Selbstbewußtsein hinführt. 2) Die Abhängigkeit des Individuums von Reizen, die als Fremdes empfunden werden, und der Widerstand, auf den seine Bewegungen häufig treffen, läßt das Individuum die Sphäre seiner Machtherrschaft von einer Außenwelt scheiden. Je mehr nun psychische Inhalte verschmelzen und zu einer Kontinuität sich zusammenschließen, desto mehr wird die Identität des innern Daseins erfaßt und im Selbstbewußtsein dargestellt. Freilich ist zunächst das Selbstbewußtsein weit von dem abstrakten Ichbegriff entfernt und gleicht mehr einem Lebensgefühl, aber indem die Sinne auch den eignen Körper und damit die Grenzen der direkten Machtsphäre wahrnehmen, geben sie dem primitiven Selbstgefühl eine feste Vorstellungsgliederung, welche die Einsicht eines einheitlichen Ich unabweisbar nahe legt. 3) Die dargelegte Auffassung wird unterstützt durch die gewöhnlichen Erfahrungen einer Beeinträchtigung des Selbstbewußtseins bei Krankheit und Schmerz sowie vornehmlich durch die pathologischen Thatsachen, daß Empfindungslosigkeit und Hirnkrankheiten das Selbstbewußtsein trüben oder in zwei und mehr Persönlichkeiten auflösen. Vgl. Wolff, Das B. und sein Objekt (Berl. 1890); Franz Müller, Psychopathologie des Bewußtseins (Leipz. 1889); Dessoir, Das Doppel-Ich (das. 1890).

Bezold, Wilhelm von, Meteorolog, geb. 21. Juni 1837 zu München, studierte daselbst und in Göttingen Mathematik und Physik, habilitierte sich 1861 als Privatdozent für Physik an der Universität München, wurde 1866 zum außerordentlichen Professor, 1868 zum Professor am Polytechnikum in München ernannt und folgte 1885 einem Ruf als Professor der Meteorologie und Direktor des Meteorologischen Instituts nach Berlin. Hier fiel ihm die Reorganisation des letztern zu, welche seit Doves Tod hinausgeschoben worden war und welche er nun in glücklicher Weise ausführte. Als Physiker hatte B. viele Untersuchungen auf dem Gebiet der Elektrizitätslehre, besonders über elektrische Staubfiguren und Entladung, sowie über physiologische Optik geliefert. Seine meteorologischen Arbeiten betreffen die Dämmerung, die Lehre vom Gewitter und besonders die Thermodynamik der Atmosphäre, welche durch ihn auf eine neue und sichere Grundlage gestellt wurde. Er schrieb: »Farbenlehre im Hinblick auf Kunst und Kunstgewerbe« (Braunschw. 1874, auch englisch und russisch); »Beobachtungen der meteorologischen Stationen im Königreich Bayern« (mit Lang, Münch. 1879-84, 6 Bde.); »Ergebnisse der meteorologischen Beobachtungen in Preußen« (Berl. 1887-89, 3 Bde.).

Bibesco, Fürst Georg, rumän. Schriftsteller, geb. 26. Mai 1834 zu Bukarest, Sohn des Georg B. 2), Hospodars der Walachei 1843-48, wurde in Frankreich erzogen, besuchte die Schule von St.-Cyr, trat in die französische Armee, machte den Krieg von Mexiko mit, diente dann in Algier und nahm 1868 als Eskadronschef seinen Abschied. 1870 wieder eingetreten, ward er bei Sedan verwundet und gefangen genommen, trat 1871 in den Ruhestand u. vermählte sich 1875 mit der Prinzessin Valentine de Beauffremont, gebornen Gräfin Caraman-Chimay, welche Ehe in Frankreich nicht anerkannt wurde, da die Scheidung der Prinzessin vom Fürsten Beauffremont rechtlich nicht gültig war. B. lebt in Bukarest. Er schrieb: »Le corps Lorencez devant Puebla, 5 mai 1862« (Par. 1872); »Campagne de 1870: Belfort, Reims, Sedan; le 7. corps de l'armée du Rhin« (das. 1872); »Histoire d'une frontière. La Roumanie sur la rive droite du Danube« (das. 1883); »Au Mexique 1862« (das. 1887); »Recueil: politique, religion, duel, combats et retraite de six mille« (das. 1888) u. a.

Bienenlinie, s. Orientierungssinn.

Bigha (in Kleinasien) ist seit einigen Jahren an Stelle von Tschanak-Kalessi (Kale-Sultanie) Hauptstadt des Sandschaks B. geworden, welches keinem Wali (Gouverneur eines Wilajets oder einer Provinz), sondern unmittelbar der Hohen Pforte unterstellt ist.

Bilbao. Der Hafen von B. wurde 1889 von 4183 Schiffen (darunter 3556 Dampfern) besucht, wovon 2021 Schiffe britischer, 1507 spanischer, 322 französischer und 111 deutscher Nationalität waren. Der Tonnengehalt dieser Schiffe belief sich auf 2,3 Mill. Ton. B. steht gegenwärtig mit seinem Schiffahrtsverkehr unter den spanischen Häfen in erster Reihe. Die Haupteinfuhrartikel waren Kohle und Koks (2,36, bez. 1,73 Mill. metr. Ztr.), Stockfisch (102,700 metr. Ztr.), Zement, Steine und Erden (74,350 metr. Ztr.), Maschinen (41,690 metr. Ztr.), Droguen (18,760 metr. Ztr.), Speck und Schmalz (17,390 metr. Ztr.), Alkohol (12,620 metr. Ztr.), Holz (67,2 Mill. cbm). Als Hauptausfuhrartikel figurierte wie immer Eisenerz, wovon zusammen 3,885,612 Ton., darunter 2,770,125 nach britischen, 640,261 nach niederländischen Häfen (hauptsächlich für Deutschland bestimmt), 378,347 nach französischen und 93,010 nach belgischen