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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Deutsch-Ostafrika

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Deutsch-Ostafrika (Geschichte 1890).

und die ungeheuern Rüstungen dieser beiden Mächte D. in der That gefährdet war und alle seine Kräfte anspannen mußte, um seinen Nachbarn die Lust zu einem Angriffskrieg zu benehmen. Die Lage der Dinge war seit 1884 und 1885, als D. seinen Kolonialbesitz zu erwerben begann, erheblich verschlechtert, und so konnte es als ein Gewinn angesehen werden, wenn einiges vom Kolonialbesitz geopfert, das übrige aber so gesichert wurde, daß nun die wirtschaftliche Thätigkeit einen kräftigen Aufschwung nehmen konnte. Die Bedeutung Helgolands für die deutsche Kriegsflotte, besonders für die Benutzung des Nordostseekanals, wurde nachdrücklich betont. Die Insel wurde 9. Aug. von den deutschen Behörden in Besitz genommen.

Das Sozialistengesetz trat 1. Okt. 1890 außer Kraft, ohne daß irgend welche Störung der öffentlichen Ruhe eintrat. Die sozialdemokratische Partei hielt sofort in Halle einen internationalen Parteitag, auf welchem sie sich aber großer Mäßigung und Zurückhaltung befleißigte, wenn sie auch die Entlassung Bismarcks und die Aufhebung jenes Gesetzes als ihre Siege feierte. Der Reichstag trat im November wieder zusammen, nachdem kurz zuvor der Kriegsminister v. Verdy zurückgetreten und durch den General v. Kaltenborn-Stachau ersetzt worden war. Da die Kommission die Beratung des Arbeiterschutzgesetzes noch nicht beendet hatte, so beschäftigte sich der Reichstag mit der Beratung des Reichshaushaltsetats für 1891/92, der nach dem Regierungsentwurf in Einnahme und Ausgabe mit 1,130,645,880 Mk. abschloß. Die fortdauernden Ausgaben des Reichsheers zeigten einen Mehrbedarf von 25¾ Mill.

Die Verhandlungen über den Reichshaushaltsetat wurden mit einer längern Unterbrechung durch die Weihnachtsferien bis Mitte Februar 1891 fortgesetzt und schlossen mit einer eingehenden mehrtägigen Erörterung der Kolonialfrage. Der Vertrag mit England vom 1. Juli 1890 fand im allgemeinen Billigung, und die Geldforderungen der Reichsregierung für die Entwickelung der Kolonien wurden von allen Parteien des Reichstags mit Ausnahme der Deutschfreisinnigen und der Sozialdemokraten genehmigt, da die Pläne der Regierung sich als maßvoll und besonnen erwiesen. Der Reichskanzler v. Caprivi konnte sich darauf berufen, daß auch sein Vorgänger die Rücksicht auf das gute Verhältnis zu England stets besonders betont habe. Ein deutschfreisinniger Antrag auf Ermäßigung der zum Schutz der Landwirtschaft eingeführten Zölle wurde im Januar vom Reichstag abgelehnt. Mitte Februar begann die Beratung der Novelle zur Gewerbeordnung (des Arbeiterschutzgesetzes), welche die Kommission endlich durchberaten hatte, und nahm wegen der widerstreitenden Interessen und der deshalb zahlreich eingebrachten Anträge viel Zeit in Anspruch.

Zur Litteratur: Hoyns, Geschichte des deutschen Volkes in Staat, Religion, Litteratur- und Kunst (Leipz. 1884 ff.); Kämmel, Deutsche Geschichte (Dresd. 1889); v. Sybel, Die Begründung des Deutschen Reichs durch Wilhelm I. (Münch. 1889 ff., 7 Bde.); Lamprecht, Deutsche Geschichte (in 7 Bänden, Berl. 1890 ff.); G. Dittmar, Geschichte des deutschen Volkes (in 3 Bänden, Heidelb. 1890 ff.); Trieps, Das Deutsche Reich und die deutschen Bundesstaaten in ihren rechtlichen Beziehungen (Berl. 1890).

Deutsch-Ostafrika. Nach dem Untergang des gefährlichen Rebellenführers Buschiri behauptete sich noch Bana Heri, der frühere Wali von Saadani, im Süden von Mkwadja. Hier wurde er bei einer Rekognoszierung von Leutnant Schmidt bei Mlembule entdeckt und 4. Jan. 1890 vom Major Wißmann, der bei Saadani mit 500 Mann gelandet war, in einer stark befestigten Stellung angegriffen. Nach einem gleichzeitigen Angriff in der Fronte und der rechten Flanke wurden die feindlichen Verschanzungen erstürmt, aber Bana Heri entkam und setzte sich südwestlich davon bei Palamaka in einer hügeligen und bewaldeten Gegend fest. Hier wurde er vom Freiherrn von Gravenreuth aufgespürt und 9. und 10. März von Wißmann wieder angegriffen. Der Feind hatte sich in mehrere Abteilungen aufgelöst und verschwand, nachdem er einen vergeblichen Sturm auf das deutsche Lager versucht hatte. Da den Aufständischen infolge der Blockade der Küste zwischen Bagamoyo und Mkwadja die Lebensmittel bald ausgingen, unterwarf sich Bana Heri 6. April dem Freiherrn v. Gravenreuth in Saadani, nachdem ihm Begnadigung und Rückgabe seiner Besitzungen zugesichert war. Weniger Schwierigkeiten machte die Unterwerfung des südlichen Küstengebiets. Die Hauptmacht der Aufständischen hatte sich, 5-7000 Mann stark, in der Stadt Kilwa Kivindje festgesetzt, die an der Seeseite durch Bastionen und Palissadenreihen geschützt war. Wißmann erschien mit den Kriegsschiffen Carola und Schwalbe und mehreren andern Dampfern 2. Mai vor der Stadt, landete und umging sie von Norden. Als er sie 4. Mai an der Südwestseite angriff, zeigte es sich, daß sie auf der Landseite keine Befestigungen hatte und inzwischen vom Feinde geräumt war. Wenige Tage später wurde Lindi erobert, und Mikindani (südlich davon) unterwarf sich. Damit durfte der Aufstand als unterdrückt gelten. Als dann Ende Mai Major Wißmann seine Urlaubsreise nach Deutschland antrat, wurde Dr. Schmidt mit seiner Vertretung betraut. Dieser unternahm im Juli einen Zug gegen die Mafiti nach dem Kingani, im Oktober einen andern nach dem Rovuma (an der Südgrenze) und hatte kleine Gefechte mit den Eingebornen, darunter mit Machemba, dem Häuptling der Jao. Es kam hier zu keiner Entscheidung, ebensowenig bei einer Expedition, welche Chef Ramsay mit vier Kompanien im Dezember gegen Machemba unternahm; nach erheblichen Verlusten mußte sich jener aus Mangel an Munition und Lebensmitteln nach Lindi zurückziehen.

Inzwischen war 1. Juli 1890 zwischen dem Deutschen Reiche und Großbritannien ein Vertrag abgeschlossen worden, durch welchen die beiderseitigen Interessengebiete in Afrika abgegrenzt wurden. Durch dieses deutsch-englische Abkommen erhielt D. folgende Grenzen: im N. wurde bis zum Victoria Nyanza die frühere Grenze im wesentlichen beibehalten (s. Britisch-Ostafrika), auf der Westseite des Sees wurde sie bis zur Grenze des Congostaats weitergeführt, wobei jedoch der Mfumbiroberg den Engländern überlassen wurde. Die Südgrenze folgt dem Rovuma bis zur Mündung des Msinjeflusses, wendet sich dann zum Nyassasee, dessen Ost-, Nord- und Westufer sie bis zur Mündung des Songweflusses begleitet. Sie geht dann diesen Fluß aufwärts bis zum 32.° östl. L. v. Gr. und führt weiter längs des Kilambo zum Tanganjikasee. Die Westgrenze wird durch letztern See und das sich nördlich daran anschließende Gebiet des Congostaats gebildet. Der beiderseitige Güterverkehr soll von jedem Durchgangszoll befreit sein zwischen dem Nyassasee und Congostaat, zwischen dem Niassa- und dem Tanganjikasee, auf letzterm und zwischen ihm und der Nordgrenze der beiderseitigen Besitzungen. Groß-^[folgende Seite]