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Englische Litteratur (Reisebilder und -Berichte).
Zur neuern und neuesten Zeit kehren wir zurück mit den beiden ersten Bänden von »The French revolution« von Justin Mc Carthy, dessen »History of our own times« vor einigen Jahren günstig aufgenommen wurde, bei dem aber ein deutscher Leser nicht aus den Augen verlieren darf, daß der Verfasser als ausgeprägter Parteimann zu den irischen Agitatoren zählt. Die »History of the Dominion of Canada«, von William Greswell verfaßt und vom Kolonialinstitut herausgegeben, gibt schätzenswertes Material, dessen Anordnung zu wünschen übrigläßt. »France and her republic: a record of things etc.« von W. H. Hurlbert richtet sich scharf gegen die Ergebnisse des herrschenden Systems. Der Verfasser hat auch ein »Ireland under coercion« geschrieben. Die Geschichte der irischen Wirren während der letzten zehn Jahre ist mit Klarheit und Verfassungstreue von dem Oxforder Professor Alexander Dicey in »The verdict« zusammengefaßt.
Dem Anekdotenartigen nähern sich: »Camp and studio« von dem Maler und Kriegskorrespondenten Irving Montagu; »Twixt old times and new« von Baron de Malortie; »Glances at great and little man« von Paladin, der vieles gesehen und verständig beobachtet hat; »The marriages of the Bourbons« von Hauptmann Bingham.
Auf dem Felde der Kulturgeschichte insbesondere bemerken wir zunächst »The King's book of sports; a history of the declarations of James I. and Charles I., as to the use of lawful sports on sundays; with .. a description of the sports etc.« von L. A. Govett. Hier haben wir ein Bild des »alten, lustigen England«, ehe der Puritanismus siegte. Diese berühmte Erklärung, deren wenig bekannter Text hier wieder ans Licht gezogen, ward von Jakob I. 1618 erlassen, als die Frucht einer Petition, die ihm in Lancashire auf seiner Durchreise von Schottland überreicht worden, unterschrieben von »Dienstleuten, Tagelöhnern, Handwerkern und andern gemeinen (vulgar) Leuten«, in welcher diese sich beschwerten, daß man sie verhindere, am Sonntag zu tanzen, spielen, trinken oder sich anderswie zu erholen, wie sie doch nach beendetem Gottesdienst zu thun gewohnt. Der König, der selbst das Vergnügen liebte und als Kronprinz genug von den schottischen Puritanern zu leiden gehabt hatte, lieh den Petenten ein wohlgeneigtes Ohr, erklärte feierlich und mit Gründen, welche Vergnügungen am Sonntag erlaubt sein sollten, und befahl, seinen Willen auch in andern Grafschaften zu verkünden. Auch unter Königin Anna kam das Buch vorübergehend nochmals zu Ehren.
Jakob Burkhardts große Arbeit, durch S. Middlemore als »The civilisation of the Renaissance« eingeführt, wurde mit großem Beifall aufgenommen. Hier sind noch »Studies in European history« zu erwähnen, von Margaret Warre aus Vorträgen Döllingers übertragen.
Die Schauspieler haben in »History of the London stage« von dem Geistlichen Fleay, der bereits ein Buch über Shakespeare geschrieben, ihren Chronisten gefunden, die Wundärzte alten Stils den ihrigen in »The annals of the barber-surgeons of London« von Sidney Young. John Ashton hat das »Social England under the Regency« beschrieben.
Die Volkskunde (folk-lore), welcher eine Gesellschaft und eine Zeitschrift sich widmen, zeigt unter anderm in »The golden bough« von J. G. ^[James George] Frazer eine Beschreibung der Mai- und Erntefeste in vielen Ländern und Zeitaltern. J. ^[Joseph] Jacobs hat »English fairy tales« gesammelt; W. B. Yeats: »Fairy and folk tales of the Irish peasantry«; Jeremiah Curtin: »Myths and folk-lore of Ireland«; Fräulein Courtney: »Cornish feasts and folk-lore«, Lady Wilde: »Ancient cures, charms and usages«. Lucy Garnett gibt »The women of Turkey and their folk-lore« heraus, wozu John Stuart Glennie eine phantastisch-pedantische Einleitung schrieb.
Hier sei auch eines gründlichen Werkes zweier gelehrter Damen gedacht: »Mythology and monuments of ancient Athens« von Margaret Verrall und Jane E. Harrison, von welchen jene eine Übersetzung des Pausanias geliefert, diese sich durch ihre Studien über Vasen Anerkennung erworben hat.
Reisebilder und -Berichte.
Der ausführliche Bericht, welchen H. M. Stanley über seine lange und letzte Afrikafahrt erstattet hat, nimmt natürlich die erste Stelle in der diesjährigen Reiselitteratur ein. »In darkest Africa: being the official publication recording the quest, rescue and retreat of Emin, governor of Equatoria« erregte großes Aufsehen und war ein bedeutender buchhändlerischer Erfolg, obwohl der Inhalt des Buches zum großen Teil durch Stanleys von Zeit zu Zeit veröffentlichte Briefe bekannt war. Ein kürzeres Werk über die letzte und frühere Unternehmungen desselben Reisenden ist »H. M. Stanley: his life, works and explorations« von dem Geistlichen Little. Andre Werke über das große Ereignis sind kürzlich von Jephson, einem der Gefährten Stanleys, und andern erschienen. Wie groß auch die ersten Ehrenbezeigungen waren, mit denen Stanley bei seiner Rückkehr empfangen wurde, so haben doch seither die Kritiken nicht gefehlt, und es ist eine bedeutende Ernüchterung eingetreten. Man verglich Stanleys Auftreten mit dem andrer berühmter Reisenden, z. B. mit dem Sir Richard Burtons, des Entdeckers des Tanganjikas, und dieser Vergleich fiel gerade nicht zu Stanleys gunsten aus. Auch richtete gegen ihn der Bruder des auf der Nachhut ermordeten Major Barttelot eine Streitschrift: »Major Barttelot's diaries and letters«, und eine ähnliche ging von Leutnant Troup aus: »With Stanley's rear-column«. Herbert Ward, der auch bei dieser Nachhut war, aber schon vorher lange unter den Eingebornen gelebt hat, veröffentlichte »Five years with the Congo cannibals«. In diesen Büchern entfaltet sich in gegenseitigen schweren Anklagen ein sehr düsteres Bild der Expedition, von der man geglaubt hatte, daß sie Zivilisation und Humanität fördere. Hier ist auch Keans sorgfältige Übersetzung von W. Junkers Reisewerk zu erwähnen, welche für England ein besonderes Interesse hat durch Junkers Mitteilungen über General Gordon. Über Afrika haben ferner berichtet: Sir Frederick Young in »A winter tour in South Africa«. Transvaal behandelnd; Hauptmann Sir John Willoughby in »East Africa and its big game«; Major A. B. Ellis in »West African stories«: Eugen Casalis, ein Missionar, in »My life in Basutoland«, ungünstig für die Buren in Bezug auf ihre Behandlung der Eingebornen; Walter Harris: »The land of on African Sultan: travels in Morocco, 1887/89«; Richard Wake in »Sketches and letters on sport and life in Morocco«; F. A. Bridgeman ^[richtig: Bridgman (= Frederick Arthur Bridgman, 1847-1928)] in »Winters in Algeria«; Harrison Smith in »Through Abyssinia: an envoy's visit to the King of Zion«.
Über Asien schreiben E. E. Oliver: »Across the border, or Pathan and Biloch«; Oberst Drury: »Reminiscences of life and sport in Southern India«, besonders eingehend in Bezug auf den »Musterstaat«