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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Fernsprecher

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Fernsprecher (Bautechnisches, Verwaltung).

ten, eine Legierung aus Kupfer, Zinn, Blei und geringen Mengen Eisen mit einem Zusatz von Silicium. Dieser Bronzedraht besitzt eine bedeutend größere absolute Festigkeit als Eisen- und ein größeres Leitungsvermögen als Gußstahldraht, und dieser letztere Umstand hat es ermöglicht, das gesprochene Wort auf viel weitere Entfernungen fortzupflanzen, er hat ferner gestattet, dünnern Leitungsdraht zu verwenden, und das hat wieder bewirkt, daß die Querträger wie Isolatoren in geringern Abmessungen hergestellt werden konnten. Infolge dieser Verminderung des Eisengewichts der Leitungen können nun auch an einem Gestänge gegen früher viel mehr Leitungen angebracht werden. Für Neuanlagen werden seit 1890 Bronzedrähte von folgenden Stärken verwendet: Draht von 3 mm Durchmesser für die größern Verbindungen von 150 km Länge und darüber, von 2 mm für alle andern Verbindungsanlagen und von 1,5 mm für die Anschlußleitungen in den Stadt-Fernsprecheinrichtungen und in den Bezirks-Fernsprechanlagen. An den einfachen, als Stützpunkte dienenden, gewöhnlich auf den Dächern der Häuser aufgestellten Rohrständern mit Querträgern zu 6 Isolatoren können nun bis zu 30 Leitungen (bis jetzt 12-16), an Doppelgestängen bei Querträgern zu 20 Isolatoren bis zu 200 Leitungen (bis jetzt nur 40-60) und an Dreigestängen bei Querträgern zu 30 Isolatoren bis zu 300 Leitungen (bis jetzt etwa nur 126) angebracht werden.

Die seit 1882 seitens der deutschen Telegraphenverwaltung angestellten Versuche mit Fernsprechkabeln sind 1888 abgeschlossen worden. Man hat sich für die Verwendung von Erdkabeln und Luftkabeln entschieden, die gewöhnlich unter der Bezeichnung Bleikabel zusammengefaßt werden. Die Erdkabel werden aus 28 isolierten Leitungen hergestellt, welche in 7 Gruppen zu je 4 Leitungen angeordnet sind. Jede Leitung besteht aus einem 1 mm starken Kupferdraht, erhält eine Isolierschicht aus dreifacher Bewickelung mit imprägniertem Baumwollgarn und wird demnächst mit Stanniol umhüllt. Der äußere Durchmesser jeder Ader, über der Stanniolhülle gemessen, beträgt 2,8 mm. Je 4 solcher Leitungen werden um einen blanken Kupferdraht von 1 mm Stärke zu einer Litze vereinigt, und 6 solcher Litzen werden um die siebente, als Kern dienende Litze zu einem Seile zusammengedreht. Das Seil wird mit imprägniertem Bande bewickelt und dann mit einem doppelten Bleimantel von je 1,2 mm Starke umpreßt. Auf den äußern Bleimantel kommt eine Umwickelung mit imprägniertem Bande, dann wird das Ganze mit 19 verzinkten Façoneisendrähten umgeben, welche einen trapezförmigen Querschnitt von etwa 4,7 mm zu 4,3 mm und 1,7 mm haben. Der äußere Durchmesser des Kabels beträgt etwa 32 mm und das Gewicht für das Meter ungefähr 4 kg. Die Luftkabel werden in der Regel mit 27 Leitungsadern verwendet. Jede Leitung besteht aus einem 0,8 mm starken Kupferdraht, isoliert durch eine doppelte Bewickelung mit imprägniertem Hanfgarn und mit Stanniol umhüllt. Sämtliche 27 Leitungen sind zusammen mit 3 je 1,2 mm starken Kupferdrähten, welche als Erdleitung dienen, verseilt. Die Lage dieser Erddrähte ist derart, daß eine möglichst innige Berührung derselben mit den Stanniolhüllen der einzelnen Adern hergestellt wird. Zu diesem Zwecke werden zunächst 3 Leitungsadern mit den 3 Erddrähten in der Weise verseilt, daß erst die zwischen je 2 anstoßenden Adern bleibende Rinne durch einen Kupferdraht ausgefüllt wird. Der hierdurch gebildete Kern wird zunächst mit 9, dann mit den übrigen 15 Leitungsadern umgeben. Das Ganze wird hierauf mit imprägniertem Garn umwickelt, mit 2 Bleimänteln von wenigstens je 0,9 mm Wandstärke umhüllt und schließlich noch mit einer mit Zinkweiß behandelten Bandlage versehen. Die Aufhängung der Luftkabel an den Stützpunkten erfolgt mit Hilfe einer besondern Traglitze, die aus 7 verzinkten Stahldrähten von je 2,3 mm Stärke besteht. Die Traglitze hat eine Bruchfestigkeit von wenigstens 120 kg für das Quadratmillimeter Querschnitt oder für jeden Draht von rund 500 kg.

Die beispiellose Ausdehnung des Fernsprechwesens läßt, namentlich in den größern Städten, die unterirdische Führung der Fernsprechleitungen als den einzigen Ausweg zu, den immer steigenden Anforderungen des Publikums gerecht zu werden. In Berlin ist 1890 zunächst der Anfang mit der Herstellung eines unterirdischen Leitungsnetzes gemacht worden. Zur Aufnahme der Erdkabel ist innerhalb der städtischen Straßenzüge ein Netz von gußeisernen Röhren hergestellt worden, dessen Länge vorerst auf 41,200 m bemessen ist. Die Weite der Röhren schwankt zwischen 20 und 40 cm mit einer Aufnahmefähigkeit von 20-90 Kabeln. Außerdem werden an besonders schwierigen Straßenkreuzungen etwa 100 m schmiedeeiserne Kasten in den Straßenkörper eingebettet und 165 m gemauerter Kanal hergestellt. Die zur Verwendung kommenden Kabel sind mit Eisendrähten bewehrt und enthalten 28 durch getränktes Baumwollgespinst isolierte, zum Schutze gegen gegenseitige Lautübertragung mit Stanniolstreifen umwickelte Kupferleitungen von 1 mm Stärke. Die Länge der zunächst ausgelegten Kabel beträgt 147,968 m und die Länge der Leitungen somit 4,143,104 m. Zur leichtern Einziehung der Kabel in die Röhren sowie zur Untersuchung der Leitungen sind im Laufe des Röhrenzugs etwa 400 gemauerte Einsteigbrunnen (Kabel-Untersuchungsbrunnen) hergestellt worden, während zur Verbindung der unterirdischen Leitungen mit den oberirdisch bewirkten Einführungen der Drähte in die Sprechstellen der Teilnehmer 46 Kabelaufführungsstellen dienen. Die Kosten der Herstellung des unterirdischen Leitungsnetzes haben rund 1,5 Mill. Mk. betragen. Mit dieser Anlage ist das Berliner Fernsprechnetz, das größte der Welt, derart vervollkommt, daß auf absehbare Zeit seine ungehinderte Entwickelung sichergestellt ist. Auch in andern großen Städten des Reichspostgebiets, in denen sich das Bedürfnis dazu herausstellt, werden Röhrenstränge für Fernsprechkabel gelegt werden.

Verwaltung des Fernsprechwesens.

Es sind dreierlei Systeme zu unterscheiden: 1) die Staatsverwaltungen nehmen auf Grund bestehender Gesetze die Regalität des Fernsprechwesens in Anspruch und versagen Privaten die Anlegung von Fernsprecheinrichtungen; 2) die Staatsverwaltungen erklären das Fernsprechwesen zwar für ein Regal, erteilen aber Privaten die Erlaubnis zur Anlegung von Fernsprecheinrichtungen gegen Abgabe eines bestimmten Teils der Einnahmen und unter dem Vorbehalt, entweder jederzeit oder nach Ablauf einer gewissen Frist die hergestellten Fernsprechleitungen und die zugehörigen Apparateinrichtungen gegen eine Entschädigung einzulösen, die durch gemeinschaftliches Übereinkommen oder nach Schätzung durch Sachverständige bestimmt wird, daneben aber behalten sie sich das Recht vor, gleichfalls neben dem Privatbetrieb staatliche Fernsprechanlagen in Betrieb zu setzen; und endlich 3) die Staatsgewalten überlassen Einrichtung und Betrieb der Fernsprecheinrichtungen ausschließlich der