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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gesundheitspflege

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Gesundheitspflege (Arbeiterwohnhäuser, Gartenanlagen in Städten).

infektion wurde von manchen Seiten für bedenklich erachtet. Löffler (Greifswald) will den Fußboden mit Sublimatlösung waschen, weil Karbolsäure von vielen nicht vertragen wird und das Sublimat ohne wesentliche Schädigung der Gesundheit für die Bewohner eine kräftige Nachwirkung in Aussicht stellt. Schließlich nahm die Versammlung eine Resolution des Inhalts an, daß sie überzeugt sei von der Notwendigkeit der Wohnungsdesinfektion und, obschon sie die ihr entgegenstehenden Schwierigkeiten nicht verkenne, doch eine Überwindung dieser Schwierigkeiten, bez. die allgemeine Einführung der Wohnungsdesinfektion erhoffe.

In der dritten Sitzung sprach Kalle (Wiesbaden) über das Wohnhaus der Arbeiter und gelangte am Schlusse seiner Erörterungen zu folgenden Sätzen: 1) Die Vermehrung des Angebots geeigneter, also insbesondere gesunder kleiner Wohnungen ist das wirksamste Mittel zur Beseitigung der Wohnungsnot der arbeitenden Klassen. 2) Staat und Gemeinde können durch entsprechende Maßregeln auf dem Gebiete der Verwaltung, des Verkehrs und der Besteuerung sowie durch anderweite materielle und moralische Unterstützung des Baues von Arbeiterwohnungen durch Dritte mittelbar zur Erreichung des Zweckes beitragen, während sie dadurch, daß sie selbst für ihre Arbeiter und Unterbeamten freihändig zu vermietende Wohnungen herstellen, unmittelbar auf die erforderliche Vermehrung des Angebots hinzuwirken haben. 3) Die Hauptaufgabe fällt aber der Privatinitiative zu. a) Bei günstiger und dauernd gesicherter Lage der arbeitenden Klassen erscheint der Ban von als Eigentum zu erwerbenden kleinen Häusern durch Genossenschaften der Wohnungsbedürftigen mitunter möglich und ist dann zu fördern; b) in der Regel wird aber ein werkthätiges Vorgehen der besitzenden Klassen notwendig sein. Den Arbeitgebern zunächst fällt die Pflicht zu, das Wohnungsbedürfnis der von ihnen beschäftigten Leute zu befriedigen. Ergänzend, besonders in den größern Städten, müssen jedoch die Besitzenden überhaupt eintreten, indem sie Baugesellschaften bilden. Um diesen die zur Befriedigung des Bedürfnisses erforderlichen beträchtlichen Kapitalien zuzuführen, müssen sie auf geschäftlicher Grundlage arbeiten, so daß dem Kapital eine genügend hohe Rente gesichert wird. 4) Die für Arbeiterhäuser anzuwendende Bauart hängt von den örtlichen Verhältnissen ab. a) Wenn in geeigneter Lage Grundstücke billig zu kaufen sind, empfiehlt sich der Bau von kleinen Häusern für eine oder ein paar Familien mit je einem Stück Gartenland. Die Überlassung solcher Hauser zu Eigentum an die sie bewohnenden Arbeiter ist nur dann anzuraten, wo die letztern in dauernd gesicherter, günstiger Lage sind, auf einer hohen Stufe wirtschaftlicher und sittlicher Bildung stehen und großen Wert auf den Eigentumserwerb legen. b) Bei hohen Grundstückspreisen, wie sie in den großen Städten beinahe stets herrschen, sind an Stelle der kleinen Häuser große Arbeiterfamilien-Mietshäuser nach Art der Londoner Modell-Dwellings, welche den hygienischen Ansprüchen aufs beste genügen, zu errichten. c) Wo große Mengen unverheirateter Arbeiter und besonders Arbeiterinnen thätig sind, sind besondere Logierhäuser für Alleinstehende zu bauen. 5) Außer der Anlage der Arbeiterhäuser und der Disposition der Räume der einzelnen Wohnungen ist die innere Einrichtung der letztern von hygienischer Bedeutung. Insbesondere ist hierbei den Ventilations- und Kochvorrichtungen Aufmerksamkeit zuzuwenden. 6) Neben dem Neubau von Wohnhäusern für Arbeiter ist der Ankauf alter Mietshäuser und die Verbesserung der darin enthaltenen Arbeiterwohnungen nach dem Vorgang von Miß Octavia Hill in London zu empfehlen. 7) Behufs Kontrolle der Ausführung der über Bau und Benutzung der Wohnungen erlassenen Vorschriften sowie zur Information der Behörden und der Bevölkerung sind, wenigstens in den Gemeinden, in welchen Wohnungsnot herrscht, Gesundheitsräte einzusetzen, welchen Vertreter der Gemeindeverwaltung, Ärzte, Architekten und Erbauer von Arbeiterwohnungen als Mitglieder angehören, und Wohnungsinspektoren anzustellen. Ein Antrag des Vortragenden, der Verein möge einen Betrag bis zu 1000 Mk. bewilligen behufs Prämiierung von Lüftungs- und Kocheinrichtungen für Arbeiterwohnungen, wurde angenommen.

Den letzten Vortrag hielt Meyer (Hamburg) über Baumpflanzungen und Gartenanlagen in Städten. Die meisten und namentlich die größern Städte verarmen immer mehr an Privatgärten, und so ist es doppelte Pflicht, zur Erhaltung des Schmuckes des Pflanzengrüns jede Gelegenheit auszunutzen. Selbst in Städten und Stadtteilen mit sehr verdichteter Bebauung kann man Anpflanzungen schaffen, sei es auch nur Bekleidung mit Schlingpflanzen an öffentlichen Gebäuden und Anstalten oder kleine Rasenplätze mit einem Baume oder Gebüsch in Winkeln, die bis dahin nur Schmutzwinkel gewesen sind. Wo irgend eine Möglichkeit sich darbietet, größere Flächen für öffentliche Anlagen zu gewinnen, z. B. beim Schleifen von Festungswerken, ist es dringend geboten, dieselben nicht zur Bebauung zu stellen, sondern in möglichster Vollständigkeit und unter Erhaltung der in denselben etwa befindlichen alten Baumbestände zu Schmuckanlagen auszunutzen. Um die Gartenvorstädte größerer Orte vor Verwüstung ihres grünen Schmuckes durch die Bauspekulation zu schützen, soll man bei Anlage der Häuser die Verpflichtung, einen Vorgarten zu unterhalten und dem entsprechend mit der Bauflucht von der Straße genügend weit abzubleiben, in das Grundbuch eintragen lassen. Wo mit alten Alleen besetzte Landstraßen anfangen, mit Häusern eingefaßt zu werden, soll man Sorge tragen, mit der Bauflucht nicht zu nahe an die Bäume heranzukommen, da sonst das Verschwinden der Bäume nur eine Frage der Zeit sei. 6-7 m ist der geringste Abstand des Baumes von der Hausfronte, den man bei Neupflanzungen innehaben solle, 8 m, falls ein Vorgarten angelegt wird. Die Bäume sollen 8-9 m voneinander entfernt gepflanzt werden. In der geschickten Ausbildung und Ausnutzung der Vorgärten sind die Amerikaner uns weit voraus, die ja überhaupt großartige Park- und Schmuckanlagen in und bei ihren Städten zu schaffen verstehen. Man findet in amerikanischen Städten sehr häufig die trennenden Umzäunungen der Vorgärten beseitigt und dadurch diese Gärtchen zu einem einzigen, die ganze Straße entlang laufenden Gartenstreifen umgewandelt. Es pflegt dann die Stadt die Unterhaltung dieses Streifens zu übernehmen, wogegen jeder Spaziergänger das Recht hat, denselben zu durchwandern. Überhaupt wirkt die bei uns vielfach übliche hohe Umzäunung vieler im Grunde öffentlichen Gartenanlagen recht beklemmend. Man möge doch den Rasen freigeben, ein gut gepflegter, kurzer, dichter, festgewalzter Rasen leidet gar nicht so besonders unter dem Betreten, selbstverständlich sind die Kanten zu schützen (etwa durch niedrige Einfassung), auch muß man durch beliebig zu versetzende Dornenzäune die